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Die Autobahn GmbH als Brandbeschleuniger

Der wirkliche Skandal ist nicht, dass die Autobahn GmbH nicht planmäßig läuft, sondern dass sie noch schneller noch mehr Autobahnen bauen soll.

Ohne öffentliche Aufmerksamkeit und ohne demokratische Befassung ging kurz vor dem Jahreswechsel der Auftrag für milliardenschwere Fehlinvestitionen über den Tisch des Verkehrsministers und wurde mit der GroKo-Mehrheit im Bundeshaushalt 2021 beschlossen: 5.499.041.000 Euro – also fast fünfeinhalb Milliarden Euro – „Investitionen der Autobahn GmbH des Bundes“.

Kurzer Rückblick: 2017 hatte es kontroverse Debatten über die Neuorganisation der Zuständigkeit für Bundesfernstraßen gegeben. Teile der Union wollten vor allem mehr Privatisierung, die bisher zuständigen Bundesländer standen dieser Ausrichtung zunehmend skeptisch gegenüber, weshalb der Bund alleine entscheiden wollte. Der Kompromiss nach monatelangem Ringen und viel öffentlichem Druck: Der Bund baut Autobahnen, aber nur ein geringer Anteil darf in Öffentlich-Privaten-Partnerschaften (ÖPP) realisiert werden. Die Länder bleiben für die Bundesstraßen zuständig und schlucken den Kompromiss, weil sonst die Regionalisierungsmittel (für den Schienenpersonennahverkehr) nicht aufgestockt werden.

Nun wird in den Medien rauf und runter skandalisiert, dass die neue Mammut-Behörde des Bundes nicht reibungslos und planmäßig auf die Beine gestellt wurde: fehlende IT-Infrastruktur und juristische Probleme bei laufenden Projekten werden wohl den Regelbetrieb ab 1. Januar 2021 vereiteln; Miet- und Beraterkosten sind deutlich überhöht, das nötige Fachpersonal noch nicht vollzählig und organisatorische Probleme nach über drei Jahren Vorbereitungszeit noch nicht gelöst. Kritiker sind sich einig: Die von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) versprochene Organisation der Bundesfernstraßenverwaltung aus einer Hand mit mehr Effizienz und Kosteneinsparung unter der Regie des neuen Fernstraßenbundesamtes in Leipzig wird es auf Jahre hinaus nicht geben.

In der letzten Sitzung des Verkehrsausschusses am 16. Dezember 2020 sprach der zuständige parlamentarische Staatssekretär Ferlemann dagegen etwa so: „Sie (die Autobahn GmbH) wird so erfolgreich sein, dass sie noch schneller bauen kann. Das ist ja auch der Sinn. Nicht einsparen. Ich gehe davon aus, dass wir denen noch mehr Geld geben ‚müssen‘, weil die so gut sind und schneller bauen können. Deswegen machen wir das ja auch. Wir erwarten einen reibungslosen Start am 1.1. In wenigen Jahren wird man sagen, gottseidank, dass es einmal eine Regierung gab, die das auf den Weg gebracht hat.“ Soweit die großmäulige Ansage.

Dazu eine schriftliche Erläuterung zu den Investitionen für Autobahnen des Bundes im kommenden Jahr 2021 – der Finanzierungs- und Realisierungsplan. Und der sieht so aus (in Tausend Euro):

1. Bedarfsplanmaßnahmen (Neu- und Ausbau):
2. Erhaltung:
3. Sonstige Investitionen
Summe
2.135.692
2.980.349
383.000
5.499.041

Das bedeutet, dass der Etat für zusätzliche Autobahnkilometer nochmals aufgestockt wurde im Vergleich zu diesem Jahr. Und zwar um weitere 383 Millionen Euro!

Und DAS ist der eigentliche Skandal!

Der Zubau neuer Schienenstrecken dagegen legt nur um 60 Millionen Euro zu. Dabei sind für die dringenden Bahn-Kapazitätserweiterungen jährlich mindestens 3,0 Milliarden Euro nötig, statt wie bisher nur rund 1,6 Milliarden. Ohne Neubau an Engpässen gibt es keine Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene. Das ganze Gerede vom „Wachstumsprogramm für die Bahn“ wird von der betonharten Wirklichkeit widerlegt: Während das deutsche Straßennetz jährlich um rund 10.000 Kilometer wächst, stagniert der Schienenausbau nicht erst seit diesem Jahr. 2019 wurde lediglich eine 600 Meter lange S-Bahn-Strecke fertiggestellt. 2020 kommen nur knapp drei Kilometer neues Gleis beim bundeseigenen Schienennetz hinzu. Für die Verlagerungsziele bleibt das unter der Nachweisgrenze. Von 1994 (dem Jahr der Bahnreform) bis 2018 wurden in Deutschland nur 1.709 Kilometer Schiene, aber etwa 250.000 Kilometer Straßen neu gebaut.

Das gigantische Straßenbauprogramm mit „Rekordinvestitionen“, für das sich vor allem die Union feiert (ohne hörbaren Widerspruch aus der SPD), kommt einer Bankrotterklärung vor den Klimaschutzzielen gleich.

Der einzige Lichtblick: Die Proteste um die A 49 zeigen, dass die gesellschaftliche Akzeptanz für weiteren Straßenbau schwindet. Es ist gut und richtig, dass bereits die nächsten und übernächsten Widerstandsaktionen gegen Autobahnwahn, gegen noch mehr Straßenverkehr und noch mehr Naturzerstörung zu erwarten sind. Perspektivisch könnte immerhin eine sozialökologische Bundesverkehrsministerin die 15.000 Beschäftigten zentral in Richtung Bahnausbau in der Fläche und autofreien Stadtumbau lenken. Noch aber sind die Landesverkehrsminister nicht „aus dem Schneider“ – das gilt besonders für Tarek Alwazir (Bündnis90/Die Grünen) in Hessen, wo die A 49 noch nicht gebaut ist, wo der Weiterbau der A 44 bevorsteht und rund um Frankfurt die Autobahnen A 3, A 5, A 66 und A 661 ausgebaut werden sollen.

Wir brauchen dringend ein Moratorium für den Neubau von Straßen. Autobahnbaustopp jetzt!

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