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An die Juden in Deutschland

Ein offener Brief von Judith Bernstein und Shelly Steinberg

In den 1960er Jahren war Deutschland sehr bemüht, wieder jüdisches Leben ins Land zu holen und hat jungen Israelis Stipendien vergeben. Diese israelischen Studenten sahen sich jedoch einem Dilemma gegenübergestellt: Einerseits waren diese Stipendien eine Chance auf eine gute Ausbildung, andererseits jedoch galt es in Israel als Schande, als Jude ins Land der Täter zu gehen.  Für die Mehrheit der Israelis waren die deutschen Juden, die nach dem Holocaust in Deutschland geblieben waren oder dorthin zurückkehrten, Abschaum.

Ihr Ansehen bei den Israelis versuchten die deutschen Juden aufzuwerten, indem sie sich Israel anbiederten und sich zu Sprechern Israels in Deutschland machten. Die Juden haben es ausgenutzt, dass die Deutschen ein schlechtes Gewissen hatten. Die Schuld der Deutschen wurde von deutschen jüdischen Einrichtungen instrumentalisiert und für die Interessen Israels missbraucht. Statt sich für ihre eigenen Belange einzusetzen, haben sie sich zu einer Pro-Israel-Lobby formiert. Den Deutschen kam das sehr gelegen, da sie meinten, damit ihre Vergangenheit abarbeiten zu können und auf der „richtigen“ oder zumindest „sicheren“ Seite zu stehen.

Statt die eigenen Belange und Interesse zu vertreten, wie es die muslimischen und christlichen Gemeinden getan haben und tun, setzen sich die organisierten jüdischen Gemeinden in Deutschland mehrheitlich für den Staat Israel ein. Die Deutschen waren und sind natürlich sehr dankbar, dass die Juden ihnen ihre Vergangenheit „verziehen“ haben.

Diese Politik herrscht bis heute vor, doch machen sich die Deutschen dadurch in der ganzen Welt lächerlich mit ihrer einseitigen Unterstützung Israels, für die sie auch noch den Holocaust als Begründung anführen. So wird der Holocaust von der deutschen Politik missbraucht und instrumentalisiert.

Das aktuellste Beispiel ist die „Resolution zum Schutz jüdischen Lebens“ – mit dieser Bundestags-Resolution, über die morgen abgestimmt werden soll, wird der Antisemitismus jedoch nicht bekämpft, sondern gefördert. In der deutschen Bevölkerung herrscht absolutes Unverständnis hinsichtlich der enormen Einflussnahme jüdischer Einrichtungen auf die deutsche Politik, da beispielsweise der Zentralrat der Juden kein von den Bürgern gewähltes politisches Organ ist und auch nicht „die“ Juden im Land, sondern die jüdischen Gemeinden repräsentiert, der nur rund 40 Prozent aller Jüdinnen und Juden in Deutschland angehören. Nur zu gerne verstecken sich deutsche Politiker hinter Aussagen des Zentralrats und können so die eigene Verantwortung am politischen Handeln abgeben.

Die uneingeschränkte Solidarität mit Israel, die Deutschland nicht müde wird, permanent zu wiederholen, übersteigt die Verpflichtung deutscher Politiker, sich für die Interessen des deutschen Volkes stark zu machen. Deutschland hat für Israel den Boden internationalen Rechts verlassen und sich auf die Seite Israels gestellt, das des Völkermords an den Palästinensern vor dem Internationalen Gerichtshof angeklagt ist. Die Konsequenzen aus einer drohenden Verurteilung Israels wegen Genozids wird auch Deutschland zu spüren bekommen, denn nicht nur derjenige, der Genozid begeht, wird die Konsequenzen tragen müssen, sondern jeder, der sich am Genozid direkt oder indirekt beteiligt hat. Aus Angst, des Antisemitismus bezichtigt zu werden, beugen sich die deutschen Politiker dem Druck Israels und seinen Unterstützern in Deutschland.

Darüber hinaus baut Deutschland zugunsten der Pro-Israel-Lobby – vertreten etwa durch Zentralrat, die Deutsch-Israelische Gesellschaft (DIG), die jüdischen Gemeinden – seine demokratischen, rechtsstaatlichen Strukturen und Prinzipien ab. Dieses Jahr wird der 75. Jahrestag der Verfassung der BRD gefeiert – und noch nie in der Geschichte Nachkriegsdeutschlands wurden diese Grundrechte so sehr von Politikern missachtet und beschnitten wie jetzt. Doch wurden die Grundrechte so verfasst wie sie stehen, um genau ein solches Vorgehen seitens der Politik gegen die Bürger zu verhindern.

Das Recht auf Meinungsfreiheit ist zu einer leeren Worthülse verkommen. In der Verfassung wird explizit darauf hingewiesen, dass Meinungsbildung von unten nach oben stattzufinden hat und sich eine Einmischung von oben verbiete. Die „Resolution zum Schutz jüdischen Lebens“ stellt jedoch das genaue Gegenteil dar. Nicht nur das Recht des Einzelnen, israelkritische Meinungen zu äußern, wird in der BRD missachtet, sondern das Recht der gesamten deutschen Gesellschaft, sich freiheitlich eine Meinung bilden zu können, indem die politische Ebene das Informationsspektrum zu bestimmten Themen vorgibt. Von der politischen Norm abweichende Haltungen werden sanktioniert und aus dem öffentlichen Diskurs verbannt – mit verfassungswidrigen Methoden.

Der vermeintliche Kampf gegen Antisemitismus wird wie der heilige Gral vor sich hergetragen; die Politiker glauben, eine hehre Mission zu erfüllen – doch das Gegenteil ist der Fall. Denn auch der wirkliche Kampf gegen Antisemitismus hat basierend auf Rechtsstaatlichkeit und demokratischen Werten stattzufinden.

Das Wort „Toleranz“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet „erdulden, ertragen“. Ja, in einer Demokratie müssen auch einem selbst unliebsame Haltungen „erduldet, ertragen“ werden. Man muss nicht mit Haltungen übereinstimmen, um ihre Daseinsberechtigung zu respektieren und zu akzeptieren. Man muss sich lediglich an geltendes Recht halten. Vor allem haben Politiker die Verfassung, auf die sie geschworen haben, zu achten. Aber auch die in Deutschland lebenden Juden müssen die gesetzliche Ordnung des Landes akzeptieren.

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