Was zeigen soziale Medien wie Facebook und YouTube – und was nicht?

Der Dokumentarfilm „The Cleaners“ zeigt die Zensoren der großen Soziale-Netzwerk-Konzerne und fragt, was daraus folgt, wenn unsere Gespräche, Videos und Bilder immer mehr unter deren Kontrolle stehen. Von Hans Krause

Facebook beschäftigt in Manila, Philippinen, heimlich sogenannte Content Moderators, die entscheiden, welche Videos und Bilder gelöscht werden. Dafür werden für niedrigen Lohn bevorzugt strenggläubige Katholiken ausgewählt, denen eingeredet wird, sie würden mit dieser Arbeit ihre religiöse Pflicht erfüllen. Über rund 25.000 Bilder müssen sie tagtäglich entscheiden, viele werden vom Betrachten abgeschnittener Köpfe und vergewaltigter Kinder traumatisiert, einige begehen Selbstmord. Was wie eine Verschwörungstheorie oder Falschmeldung klingt, ist die bittere Wahrheit, glaubt man „The Cleaners“, dem ersten Film von Hans Block und Moritz Riesewick. Auf den Philippinen, wo sich besonders viele Menschen stark mit der katholischen Religion identifizieren und Arme auf Müllhalden nach Verwertbarem suchen müssen, sehen sich in Bürotürmen Tausende junge Menschen im Auftrag von Facebook, Youtube und anderen „sozialen Medien“ den ganzen Tag lang Folter, Mord und Vergewaltigung an, um unerwünschte Inhalte zu löschen.

„Kritik oder Verherrlichung von Massenmord?“

Ein wichtiges Thema des Films ist außerdem, nach welchen Kriterien entschieden wird: Während die meisten von uns wohl froh darüber sind, beim durchsehen ihres News-Feeds nicht von Kinderpornografie überrascht zu werden, sind die Regeln der Konzerne bei persönlicher Beleidigung und Gewalt ein Problem. So berichtet eine Künstlerin in „The Cleaners“, dass Facebook ihr Profil gelöscht habe, weil ihre Karikatur eines nackten Donald Trump mit kleinem Penis millionenfach verbreitet wurde. Begründung: Sie habe einen anderen Benutzer persönlich herabgewürdigt. Auch das weltberühmte Bild von Phan Thi Kim Phuc, die 1972 in Vietnam schreiend vor einem Napalmangriff der US-Armee flieht, wurde von Facebook gelöscht, weil es ein nacktes Mädchen zeigt. An anderer Stelle berichten Menschenrechtsaktivisten, dass ihre Videos, die Kriegsverbrechen in Syrien dokumentieren, regelmäßig von Youtube gelöscht würden. Die Begründung lautet, es handle sich um Propaganda für Terrorismus. Denn gerade bei Darstellungen von Gewalt ist es für die „Content Moderators“ unmöglich zu erkennen, ob es sich um Kritik oder Verherrlichung von Massenmord handelt, weil sie die Zusammenhänge nicht kennen.

Die soziale und politische Macht der Algorithmen

Das dritte Thema von „The Cleaners“ ist, welche Kontrolle Facebook oder Youtube über unsere politische Meinung haben, indem sie auswählen, was verbreitet wird und was nicht. Die Konzerne verdienen mit Werbung umso mehr Milliarden, je häufiger wir die Inhalte sehen, bewerten und mit anderen teilen.Dementsprechend kriegt jeder gezeigt, was bei ihm am ehesten Reaktionen auslöst, und bei den meisten Menschen funktioniere das am besten mit Empörung, wie ein ehemaliger Google-Angestellter erklärt. So würden Soziale-Medien-Konzerne das Gespräch miteinander durch Wut übereinander ersetzen.
Leider bleibt der Film an dieser Stelle etwas oberflächlich, wie es insgesamt eine Schwäche von „The Cleaners“ ist, dass viele wichtige Fragen angeschnitten, aber nicht tiefgehend genug bearbeitet werden. So taucht zwischendurch ein Istanbuler Rechtsprofessor auf, der erklärt, dass Facebook in der Türkei politische Inhalte nach den Wünschen der Regierung Erdogan zensiert. Doch nach wenigen Minuten ist er wieder verschwunden, obwohl man über die Einflussnahme von Regierungen auf soziale Medien mindestens einen eigenen Film machen könnte.

Doch insgesamt verbringt man mit „The Cleaners“ im besten Sinne des Wortes lehrreiche anderthalb Stunden, nach denen sich für viele von uns neue Fragen über die Macht dieser Konzerne stellen. Vor allem, wenn man bedenkt, dass allein in Deutschland etwa 15 Millionen Menschen jeden Tag soziale Medien nicht nur zum Spaß, sondern als Quelle von Nachrichten nutzen.

 

Der Artikel erschien bei Marx21.

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