Nach „We feed the world“ und „let’s make money“ veröffentlichte der österreichische Dokumentarfilmer Erwin Wagenhöfer seinen dritten Film: „Alphabet“. Während es in seinen anderen beiden Film die Nahrungsmittelindustrie und das Finanzkapital unter die Lupe genommen werden, spricht Wagenhöfer in seinem neuen Film mit Bildungsexperten und „Bildungskünstlern“.
Lange habe ich darauf warten müssen, den Film endlich auf der Matschscheibe daheim anschauen zu dürfen. Im Oktober letzten Jahres startete der Film in die Kinos; leider war ich zu diesem Zeitpunkt nicht in Deutschland – erst vor wenigen Wochen wurde die Dvd veröffentlicht. Die Dvd wurde nach der Zusendung genüsslich in das Dvd-Laufwerk geschoben. Film ab.
Wagenhöfer mit schonunsloser Kritik
Schnell wird deutlich, dass das aktuelle Bildungssystem, welches auf Konkurrenz und Auslese basiert, keineswegs zukunftsfähig ist. Während führende Wirtschatsvertreter PISA aus der Taufe hoben, Bildungsausgaben gekürzt wurden und immer mehr Universitäten ihre geisteswissenschaftlichen Fakultäten abbauen, werden Schüler und Studenten stärker denn je unter den Anpassungszwang gestellt – sie werden zu regelrechten Maschinen augebildet. Und wer nicht richtig „funktioniert“, der kann gehen.
Denkmuster aus Frühzeit
Mit erschreckender Deutlichkeit wird nun sichtbar, dass uns die Grenzen unseres Denkens von Kindheit an zu eng gesteckt wurden. Egal welche Schule wir besucht haben, bewegen wir uns in Denkmustern, die aus der Frühzeit der Industrialisierung stammen. Die Lehrinhalte haben sich seither stark verändert und die Schule ist auch kein Ort des autoritären Drills mehr. Doch die Fixierung auf normierte Standards beherrscht den Unterricht mehr denn je. Denn neuerdings weht an den Schulen ein rauer Wind. „Leistung“ als Fetisch der Wettbewerbsgesellschaft ist weltweit zum unerbittlichen Maß aller Dinge geworden.
In China ist man mittlerweile soweit, dass die Eltern die Gegenwart für die Zukunft opfern. Alle finanziellen Mittel werden in die Ausbildung der Nachkommen gesteckt. Dabei sprechen die gegenwärtigen Tatsachen eine konträre Sprache: Soziale Aufstiege werden immer schwieriger, es geht eigentlich längst nicht mehr darum „dass es den Kindern besser geht als mir“, sondern nur noch darum, den sozialen Status zu halten.
Wagenhöfer spricht mit den verschiedensten Menschen aus unserer Gesellschaft und stellt ihre Verbindung zum Bildungssystem dar – die Sackgasse, in der wir uns bereits befinden, gwinnt an Beleuchtung. Dass wir im Bildungssektor unbedingt einen radikalen Wandel brauchen wird klar – besondern in Zeiten der TTIP-Verhandlungen. Mit dem TTIP-Vertrag droht eine komplette Öffnung der Schulen für die Wirtschaft. Es muss etwas passieren. Dieser Film tut gut.