Die Perspektive einer Weltkarte beeinflusst unsere Wahrnehmung auf diese unsere Welt. Dieses tatsächliche „Weltbild“, genau wie unser metaphorisches, sollten wir hin und wieder auf den Kopf stellen, die Perspektive wechseln, scheinbar in Stein Gemeißeltes von oben, unten, hinten, vorne, betrachten – nur so können wir uns die Freiheit unserer Gedanken bewahren.
Unten sehen wir die klassische Weltkarte, wie wir sie alle aus dem Geographieunterricht und Google Maps kennen: Europa oben und mittig, darunter Middle East und Afrika, zur Peripherie hin Asien und Amerika, „down under“ Australien und am untersten Rand die Antarktis, die auf vielen Karten sogar gänzlich unter den Tisch fällt, was den meisten Betrachtern vermutlich nicht einmal auffällt.
Dies ist die Gestalt der Welt, wie wir sie in unseren Köpfen abgespeichert und als Abbild der Realität verinnerlicht haben. So als wäre sie etwas Naturgegebenes oder gar Objektives.
Die Geschichte wird immer von den Siegern geschrieben, lautet eine nur allzu sehr zutreffende Wahrheit. Dasselbe gilt für das Zeichnen von Weltkarten, und damit für unsere Wahrnehmung dieser Welt. Von Europa aus wurde die ganze Erde unterjocht, kolonialisiert, geplündert, ihre indigenen Bevölkerungen vertrieben, abgeschlachtet, versklavt oder anderweitig in Abhängigkeiten getrieben.
Es ist daher nur folgerichtig, dass die allgegenwärtige Darstellung der Welt eine eurozentrische ist. Europa ist in der Mitte und blickt von oben auf alle anderen Teile herab. Dasselbe gilt für die Zeitrechnung. Durch Europa geht die Stunde Null, der Rest der Welt richtet sich an ihr aus und ist entweder Plus oder Minus Europa.
Wir denken über diese Sachen nicht nach, sie sind eben so. Doch all das ist kein Naturgesetz, die eurozentrische Abbildung der Welt ist menschengemacht und damit subjektiv und intendiert. Es ist keine Notwendigkeit, die Erde so darzustellen, wie wir es aus unseren Schulbüchern kennen. Es existieren unzählige weitere Möglichkeiten.
Hätten beispielsweise die Kalaallit, die indigene Bevölkerung Grönlands, die Welt „entdeckt“ (Was für eine triefende Arroganz in diesem Begriff mitschwingt, ist bereits ziemlich bezeichnend. So als wäre beispielsweise Amerika vor seiner „Entdeckung“ Terra nullius gewesen.), dann wäre vermutlich die Karte in der nächsten Abbildung links die uns vertraute Darstellung der Welt. Hätte wiederum die – nicht vorhandene – indigene Bevölkerung der Antarktis die Welt kolonialisert, würden wir wohl die Karte rechts in unseren Geographiebüchern finden.
In unserem Konzept der Himmelsrichtungen ist Norden oben und Süden unten, so haben wir es gelernt, so lehren es unsere Bücher. Diese Zuschreibung ist jedoch nichts als willkürliche Konvention. Auf einer Kugel gibt es kein Oben und kein Unten. Norden kann genauso gut unten, links oder 69° schräg oben rechts sein.
Ich bin ein Fan von south-up Karten:
In jedem Klassenzimmer dieser Welt sollte neben der „normalen“ Weltkarte eine south-up Karte hängen. Sie wären in meinen Augen ein gutes Mittel, um vorgefertigte Denkmuster und mit ihnen einhergehende Stereotype in den Köpfen unserer Kinder gar nicht erst entstehen zu lassen.
Oft höre ich in letzter Zeit die Frage „Und, wie ist es da unten in Palästina so?“. Ich mag diese Formulierung nicht besonders. Es mag pedantisch sein oder sich nach Erbsenzählerei anhören, aber ganz so trivial, wie es scheint, ist dieses Unbehagen nicht.
Menschen verbinden „oben“ eher mit „gut“ und „unten“ eher mit „schlecht“ – zu jemandem aufblicken, aus der Bundesliga absteigen, oben auf/down sein. Psychologen des Gettysburg College in den USA fanden heraus, dass wir dieses Befinden sehr wohl auch auf unser Nord-Süd-Konzept übertragen. Norden ist in unserem Unterbewusstsein positiv besetzt, Süden ist eher negativ konnotiert, was auf die Omnipräsenz von „klassischen“ north-up Karten zurückzuführen ist.
Es ist sicherlich nicht gerade förderlich für die Überwindung des definitiv in unseren Köpfen vorhandenen Eurozentrismus, wenn wir ausschließlich auf Karten gucken, auf denen Europa oben in der Mitte ist. Es erzeugt in uns ein latent mitgetragenes Überlegenheitsgefühl. Und das ist Gift für diesen Planeten.
Eines der bekanntesten und weitverbreitetsten Fotos, das jemals von einem menschlichen Wesen geschossen wurde, ist The Blue Marble. Es wurde von den Astronauten der Apollo 17-Mission aufgenommen und zeigt die blaue Murmel in ihrer ganzen Schönheit und Zerbrechlichkeit. Doch die Version, wie wir sie kennen, ist ein fake.
Die eigentliche Perspektive der Apollo 17-Besatzung zeigte den Südpol oben. Die NASA hatte sich jedoch entschieden, das Bild um 180° gedreht zu veröffentlichen. Damit sollte verhindert werden, dass das wortwörtliche Weltbild der Menschen zu sehr auf den sprichwörtlichen Kopf gestellt wird. War es den Menschen wirklich nicht zuzumuten, Europa unten zu sehen, darüber Middle East, Afrika und den Südpol ganz oben?
Hätte die NASA bloß das Original veröffentlicht. Es hätte sicherlich einen gesunden Einfluss auf unsere Selbstwahrnehmung gehabt und unseren beschränkten geistigen Horizont vermutlich ein My erweitert.
Sowohl die south-up Weltkarten, als auch das Foto The Blue Marble sind neben ihrer tatsächlichen Relevanz vor allem auch eines – Metaphern. Wer wahrhaft frei sein will im Denken, muss sich selber zwingen, auch scheinbar in Stein Gemeißeltes hin und wieder auf den Kopf zu stellen, von oben, unten, hinten, vorne zu betrachten, die Perspektive zu wechseln und alles – vor allem auch sich selber! – in Frage zu stellen. Wer nicht willens ist, die eigenen Ansichten permanent auf den Prüfstand zu stellen, kann nie Lösung sein, sondern bleibt stets Teil des Problems.
Wie schwierig und ungemütlich das ist, weiß ich selber nur zu gut. Wir klammern uns nunmal allzu gerne an vertraute Erklärungsmuster für die Welt. Doch hin und wieder den Blickwinkel auf die Dinge zu ändern, bleibt der einzige Weg heraus aus der geistigen Unmündigkeit. Andernfalls verweilen wir in der selbstgewählten Abhängigkeit von Ideologien, Führern, Religionen, Politikern, Medien, Stammtischvorsitzenden und allen anderen Rattenfängern dieser Welt.
Ohne den Bogen jetzt noch weiter spannen zu wollen, ich denke einfach, dass das wirkliche Bewusstmachen der eigentlich trivialen Tatsache, dass wir uns auf einer Kugel befinden, auf der es weder unten noch oben gibt, gut für unser Denken ist. Es gibt ihm ein Stück seiner Unschuld zurück.
Und weil nicht nur die Erde rund ist und Künstler eh viel schöner formulieren können, abschließend Francis Picabia:
„Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann.“
Na dann, auf das Freidenken, Querdenken, Um-die-Ecke-Denken.
Dieser Text erschien auch auf Jakobs blog JusticeNow! – connect critical journalism!
6 Antworten
Ich verstehe zwar was der Artikel sagen möchte und unterstütze das auch größtenteils, allerdings hat es schon seinen Sinn eine weltweit einheitliche Darstellung (von z.B. N und S) zu haben.
Alles andere würde nur zu Chaos und Irritation führen. Es hat zudem auch einen Sinn Norden und Süden genau SO zu definieren. Schonmal einen Kompass in der Hand gehabt? Er richtet sich am NATÜRLICHEN Erdmagnetfeld aus. Der (Magnet-)Kompass zeigt nunmal immer in die eine Richtung, die in etwa Nord entspricht und nicht nach „69° schräg oben rechts“. Das man dies dann als (~)0° bezeichnet und nicht als 284° liegt auf der Hand. Warum man den Nordpol jetzt nicht Nordpol sondern Südpol nennen sollte (die Benennung ist ja theoretisch reine Definitionssache) erschließt sich mir nicht. Anderes Beispiel: Schau dir mal die Rotationsachse der Erde an. Die Erde dreht sich in eine Richtung die wir als Osten bezeichnen und in diesem Sinne ergibt auch die Darstellung der Erde im Raum Sinn, weil der Tagesverlauf nunmal dadruch bestimmt wird. Wir könnten es auch drehen und sagen sie dreht sich nach“ oben“ aber welchen Sinn würde es für uns machen? Es würden sich dieselben Probleme ergeben. Es gibt übrigens zig Völker die eine andere Vorstellung gewählt haben und das auch heute noch tun – trotz Kolonialgeschichte. Warum „unsere“ heute am meißten verwendet wird hast du oben erklärt. Aber aufgrund der unrühmlichen Vergangenheit alles umzuwerfen macht überhaupt nichts besser.
Die Darstellung der Erde (die im übrigen keine Kugel ist) im Raum basiert auf den Verhältnissen die wir auf der Erde vorfinden, im Einklang mit den physikalischen Gesetzmäßigkeiten, macht also schon in gewisser Weise Sinn. Diese finden sich auch im All und sind an jedem Punkt der Erde gleich*.
Der Artikel geht davon aus, dass in aller Welt die eurozentrische Darstellung der Erde verwendet wird. Das ist unsinn aber scheinbar stand kurzzeitig das eigene Maß an (Nicht-)Weltoffenheit im Weg?!
„Es ist daher nur folgerichtig, dass die allgegenwärtige Darstellung der Welt eine eurozentrische ist.“ Tatsächlich ist das folgerichtig, weil wir hier nunmal in Europa sind und nicht wegen der europäischen Kolonialgeschichte. Warum in vielen Ländern außerhalb Europas / Afrikas auch heute noch diese Weltkarte anzutreffen ist liegt wohl an reiner Faulheit bzw. Gewohnheit aber auch das stimmt wie gesagt nicht immer. Ich habe auf Reisen schon die unterschiedlichst zentrierten Weltkarten erblickt und dahin scheint wohl auch der Trend zu gehen.
„Hätten beispielsweise die Kalaallit, die indigene Bevölkerung Grönlands, die Welt „entdeckt“, dann wäre vermutlich die Karte in der nächsten Abbildung links die uns vertraute Darstellung der Welt.“
Das würde nur dann zutreffen, wenn die Kalaallit sich nicht großartig mit der Erde und Physik beschäftigt hätten oder Spaß daran gehabt hätten Dinge zu verkomplizieren.
Worüber man sich tatsächlich mal Gedanken machen sollte, wären die verschiedenen Projektionen die es gibt. Zum Beispiel macht es keinen Sinn so auf der Mercator-Projektion zu verharren. Sie verzerrt die Nordhemisphäre derart ins positive, dass sie in der Tat als eurozentrisch (oder zumindest „nordzentrisch“) bezeichnet werden kann. Es gibt genügend Alternativen. Die Peters-Projektion zum Beispiel…
PS: Die Südoben-Weltkarte finde ich sehr gut. Sofern sie flächentreu ist, macht sie sich an der Wand ganz wunderbar!
Hallo Geodääät!
Vielen Dank erstmal für Deinen ausführlichen Kommentar.
Ich bin studierter Chemiker und habe daher ein relativ großes Interesse an Naturwissenschaften generell, darunter hin und wieder auch eher nerdiges Zeug, wie zB eben die verschiedenen Kartenprojektionen. Ich hab mich für die Recherche zum Artikel ne halbe Ewigkeit munter auf entsprechenden Seiten vergnügt. Das meiste, was Du schreibst, weiß ich bzw. sehe es im Wesentlichen so wie Du. Ich will jetzt ungern auf jeden Punkt eingehen.
Dein erster Satz, der freut mich schonmal. Du weißt also, worum es mir ging. Das ganze Karten-Geplänkel ist neben der Bereitstellung von nettem nerdigen Wissen zu Karten vor allem eben eins: eine große Metapher. Sie kleidet die Kernaussagen in ein nettes Gewand: benutze Deinen eigenen Schädel, akzeptiere nichts Vorgekautes als „die Wahrheit“, hinterfrage permanent alles, vor allem Deinen eigenen Standpunkt, nimm Dich selber nicht so wichtig, lass Dir Deinen geistigen Horizont von nichts und niemandem beschneiden.
Du magst technische oder sonstige Unsauberkeiten festgestellt haben, ja, es ging mir jedoch eben hauptsächlich hierum:
„Ohne den Bogen jetzt noch weiter spannen zu wollen, ich denke einfach, dass das wirkliche Bewusstmachen der eigentlich trivialen Tatsache, dass wir uns auf einer Kugel befinden, auf der es weder unten noch oben gibt, gut für unser Denken ist.“
Mir sind die Vorzüge einer weltweit einheitlichen Darstellung bewusst, und ich will die „normalen“ Karten nicht abschaffen, nur: Warum nicht einfach einmal pro Woche in der Tagesschau-Wettervorhersage ne pazifikzentrierte south-up Karte? Warum bloß wurde die Blue Marble nicht im Original veröffentlicht? So einfache Kleinigkeiten hätten einen sehr positiven, gesunden Einfluss auf unser Selbstbild. Da bin ich mir sicher.
Beste Grüße
Jakob
Hallo Jakob, schön dass Du hier direkt persönlich drauf eingehst.
Ich denke wir sind uns relativ einig was deine eigentliche Kritik in diesem Artikel angeht.
Für mich, jemand der tagtäglich mit diesem Thema (Kartografie, Geodäsie…) zu tun hat, hatte Dein Text aber so einen Klang den ich einfach nicht unkommentiert lassen konnte.
Vielleicht liegt es einfach an meiner „Befangenheit“ aber es hörte sich stellenweise so an, als wären unsere heutigen Konzepte lediglich willkürlich gewählt oder eben eurozentrisch. Letzteres stimmt in vielen Fällen, das erste jedoch nicht und dies habe ich versucht kurz und prägnant-provokativ darzustellen.
Grüße zurück.
PS: Ob es für den Wetterbericht bei uns, der in der Regel nur auf regionaler, nationaler oder höchstens europäischer Ebene gezeigt wird, sinnvoll ist eine pazifikzentrierte southup-Karte zu zeigen wage ich zu bezweifeln! :P
Aber in Klassenzimmern, im öffentlichen Raum o.ä. wäre das sicher eine gute Sache.
Sehr interessanter Beitrag und das mit dem Bild „The Blue Marble“ wusste ich nicht. Nun hast du meine Welt tatsächlich etwas auf den Kopf gestellt.
Das „NASA Foto“ ist kein Foto. Das CGI Bild wurde am Coumputer erzeugt.
Zeugenaussage des Darlehensangebotes
Ich bin Frau Carina Baur ich war an der Forschung des Gelddarlehens seitdem
mehrere Monate. Aber glücklicherweise sah ich Zeugenaussagen gemacht von
viele Personen auf Frau Visentin Paola so habe ich es kontaktiert
um mein Darlehen eines Betrages von 70.000€ zu erhalten, um meine Schulden zu regulieren und
mein Projekt zu verwirklichen. Es ist mit Frau Visentin Paola mein lächelt an
neuer es ist planiert von einfachem und sehr verständnisvollem Herzen. Hier sind
elektronische Post: visentinpaola96@gmail.com