Und Repressionen gegen Linke

Repressionen und Berufsverbote prägten die Geschichte der deutschen Linken. Wie weit die gehen kann, zeigen Patrick Ölkrug und Dominik Feldmann in ihrem jüngst erschienen Buch über die Geschichte der Berufsverbote.

Critica: Ihr habt jüngst ein Buch (Wer ist denn hier der Verfassungsfeind, Köln 2019) zu Berufsverboten in der BRD und dem Radikalenerlass veröffentlicht. Was ist der Radikalenerlass und wer war hiervon betroffen?

Dominik Feldmann: Im Januar 1972 beschloss die Ministerpräsidentenkonferenz, dass nur noch diejenigen im öffentlichen Dienst arbeiten dürfen, die „die Gewähr dafür biete[n], […] jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung“ einzutreten. Das ist der Wortlaut des „Radikalenerlasses“, der eine Generation Linker prägen sollte. Man geht heute von etwa 3,5 Millionen Überprüfungen durch die Verfassungsschutzämter, 11.000 Berufsverbotsverfahren und 1.500 Berufsverboten aus.

Patrick Ölkrug: Betroffen waren nahezu alle Gruppen des öffentlichen Dienstes, so neben Lehrern beispielsweise auch Beamte bei Post und Bahn. Faktisch richteten sich die Berufsverbote fast ausnahmslos gegen Linke, deren Unterdrückung und Verfolgung in der deutschen Geschichte seit 1815 eine Kontinuität darstellt.

Critica: Eine der gedanklichen Grundlagen des Radikalenerlasses war die Totalitarismus-Theorie, die Feinde der Demokratie links sowie rechts sieht und sie gleichsetzt. Gegen diese Feinde müsse der Staat wehrhaft sein – wie zum Beispiel durch den Radikalenerlass. Könnt ihr hierauf kurz eingehen und darstellen welche Folgen dies hat.

Dominik Feldmann: In der Tat waren Antitotalitarismus und Antiextremismus entscheidende Motive für die Politik der Berufsverbote. Wissenschaftliche Totalitarismustheorien gibt es aber viele. Diese muss man auch differenziert betrachten – nicht alle setzen links und rechts gleich. Für die Debatten in der Bundesrepublik waren und sind jedoch sowohl der Vergleich von rechts und links als auch die Fokussierung auf die linke Seite durchgängig zu beobachten. Die Bekämpfung rechter Strukturen – ob intentional oder nicht – wird dabei vernachlässigt. Das betrifft neben den Berufsverboten auch andere Bereiche. Schließlich muss es ja beispielsweise Gründe geben, dass Nazis über Jahre unentdeckt in Deutschland morden können wie beim NSU. Durch „antiextremistische“ Politik werden aber nicht nur demokratiegefährdende Akteurinnen und Akteure in der politischen Mitte und Rechte aus dem Blick genommen. Ebenso diskreditiert der „Antiextremismus“ politische Projekte von links, die nicht antidemokratisch sind, sondern bestehende Herrschaftsverhältnisse überwinden wollen.

Critica: Und heute? Wie ist der Stand der Aufarbeitungen und wieso ist das Thema Berufsverbote für Studierende von Bedeutung?

Patrick Ölkrug: Es gibt bisher leider nur eine stockende Aufarbeitung. In offizieller Literatur und in der politischen Bildung wird der Radikalenerlass verschwiegen. Eine Aufarbeitung dieses „vergessenen Kapitels“ bundesdeutscher Geschichte ist aber dringend notwendig, um bestehende politische Gesinnungsschnüffelei zu beseitigen und um zukünftiger vorzubeugen. Von den Berufsverboten Betroffene müssen vollständig rehabilitiert werden. Die Berufsverbote sind aber nicht nur ein Teil der Geschichte, sondern auch noch im 21. Jahrhundert nimmt ihre Anwendung Einfluss auf die Einstellungspraxis im öffentlichen Dienst. Sie sind Teil der Repression gegen Linke. So stehen ehemalige Betroffene weiterhin unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Hinzu kommen neue Polizei- und Verfassungsschutzgesetze in den Bundesländern.

Das Interview führte Jeremiah Nollenberger, es erschien gedruckt in der neuen Critica.


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