Die Trump-Administration verhängt neue Sanktionen gegen den Iran. Targets sind unter anderem die staatliche Reederei IRISL und die größte private Airline Mahan Air. Der Vorwurf lautet: „Proliferation von Massenvernichtungswaffen“ und deren „direkter Beitrag zur verheerenden humanitären Krise … im Jemen“. Donald Trump spielt eine weitere Seite aus dem Irak-Playbook und beweist einmal mehr, dass er alles andere als die „Taube“ ist, als die ihn auch viele Apologeten im Westen so gerne sehen wollen.
Am Mittwoch verhängte die Trump-Regierung neue unilaterale Sanktionen gegen den Iran; gegen Firmen, Personen und immaterielle Güter. Im Fokus der Sanktionen steht IRISL, die iranische Staatsreederei und deren chinesische Tochter E-Sail Shipping, doch allen voran die größte private Fluggesellschaft im Iran, Mahan Air. Drei Funktionäre der Airline wurden sanktioniert genau wie Dutzende Flugzeuge. Mahan Air wird seit längerem von den USA sanktioniert, 2011 im Zuge von „Anti-Terror-Sanktionen“ gegen den Iran. Dieses Mal beschworen das US-Außen- und das -Finanzministerium die Executive Order 13382 aus 2005 herauf, den „War on Terror“-Jahren der Bush-Ära, die die „Proliferation von Massenvernichtungswaffen“ unter Strafe stellt.
Irans Präsident Hassan Rouhani erklärte, seine „Regierung ist entschlossen, [den Feind] zu besiegen, indem sie die amerikanischen Sanktionen umgeht“.
Ökonomischer Terrorismus aus dem White House
„Das iranische Regime nutzt seine Luftfahrt- und Schifffahrtsindustrie, um seine regionalen terroristischen und militanten Gruppen mit Waffen zu versorgen“, begründet US-Finanzminister Steven T. Mnuchin die Sanktionen, doch bemüht sich die Trump-Administration mit keiner Silbe, uns zu erklären, wie genau sich die zivile Mahan Air der „Proliferation von Massenvernichtungswaffen“ schuldig gemacht habe.
Die Sanktionen richten sich nur sekundär gegen Mahan Air selbst, und keineswegs gegen die Führung des Iran. Vielmehr sollen andere Länder aus Angst davor, mit einem vermeintlichen „Proliferator von Massenvernichtungswaffen“ zu kooperieren, dazu gedrängt werden, Lande- oder auch nur Überflugrechte für Mahan-Flieger zu canceln oder Ersatzteile für die Airline zu liefern – Sekundärsanktionen gegen alles und jeden also, der es wagt, mit dem Iran Geschäfte zu machen, wie US-Außenminister Mike Pompeo auch unverblümt einräumt.
Zwar versichert Pompeo, die Sanktionen würden aus Solidarität mit dem „unterdrückten iranischen Volk“ verhängt, doch richten sie sich natürlich exakt gegen dieses „unterdrückte iranische Volk“. „Die Amerikaner haben die iranischen Fluggesellschaften seit Jahrzehnten sanktioniert“, kommentiert Mohammad Marandi, Professor von der University of Tehran, „und sie wollen, dass das Fliegen für die Menschen gefährlicher wird“. Durch die neuen Sanktionen wird buchstäblich das Leben von Iranerinnen und Iranern aufs Spiel gesetzt – eine Form von ökonomischem Staatsterrorismus, wie ihn die USA auch im Jahrzehnt vor der illegalen Irak-Invasion eingesetzt hatte, als unter Bill Clintons genozidalem Sanktionsregime im Irak 1,7 Millionen Menschen im US-Wirtschaftskrieg getötet wurden, 500-600 Tausend Kinder darunter.
Der Kommentator Nebojsa Malic findet zur absurden Begründung für die jüngsten Iran-Sanktionen in seiner Headline auf RT English die passende Analogie: „Eine Seite aus dem Irak-Playbook: USA beschwören Massenvernichtungswaffen herauf, um ‚maximum pressure‘-Sanktionen gegen den Iran zu verhängen“.
Jener US-Präsident Trump, der sich – fälschlicherweise – stets als großer Gegner des Irak-Kriegs 2003 gebärdet hat, insbesondere aufgrund der Jahrhundertlüge „Massenvernichtungswaffen“, spiegelt nun das Verhalten der Neocons und Kriegstreiber in der Bush-Administration im Vorfeld der Irak-Invasion: Lügen über „Massenvernichtungswaffen“, Lügen über die Staatsführung, Lügen über nichtvorhandene Connections zu Terroristen und ökonomischer Terrorismus gegen die Bevölkerung des Landes.
Donald – die „Taube“
Viele Hoffnungen lagen zu Beginn auf der Trump-Administration, gebärdete er sich doch stets als Non-Interventionist, als jemand, der sich aus all den US-Kriegen zurückziehen wolle – ich habe diesen Schwachsinn nicht eine Sekunde lang geglaubt. Ja, richtig, anders als seine Vorgänger hat Trump noch keinen neuen Krieg begonnen (zumindest keinen mit Bomben und Raketen, in Venezuela begann er einen blutigen Wirtschaftskrieg), doch ist auch er eine schlichte Weiterführung des US-Imperialismus, der sich einbildet, die Welt mit den blutigsten Mitteln, die ihm zur Verfügung stehen, nach seinem Bilde formen zu dürfen.
Er schlachtet auf Rekordniveau Zivilisten im Jemen, im Irak und in Syrien, fährt Lutschläge in Somalia exzessiv hoch, sandte allein seit Mai 2019 14.000 neue Truppen in den Nahen Osten (nach 2003 auch wieder die ersten US-Soldaten nach Saudi-Arabien), beorderte in seinen ersten drei Monaten im Jemen mehr Drohnenschläge als „Drohnenkönig“ Obama in den drei Jahren zuvor, wirft die „Mutter aller Bomben“ auf Afghanistan ab, wirft weißen Phosphor auf Syrien ab und pulverisiert mit Raqqa eine ganze Stadt, tötet in Venezuela mit Knebelsanktionen allein im ersten Jahr 40.000 Menschen und warf mehrfach völkerrechtswidrig Bomben auf Assad ab – ist das die „Taube“, als die ihn auch seine blinden Apologeten im Westen weiterhin gerne porträtieren?
Beleidigung unserer Intelligenz
Einen Teil der Begründung für die neuen Iran-Sanktionen ließ ich bislang außen vor und möchte ihm zum Ende dieses Texts besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen.
Die Sanktionen gegen die iranische Schifffahrts- und Flugindustrie dienten der Unterbindung des „Schmuggels tödlicher Hilfe vom Iran in den Jemen“, so das US-Finanzministerium, gemeint sind „Waffenlieferungen an die Houthi-Rebellen“. Das „iranische Regime“, so US-Finanzminister Mnuchin weiter, leiste „einen direkten Beitrag zur verheerenden humanitären Krise … im Jemen“.
Die Heuchelei und die moralische Verrohung in dieser Begründung sind nur schwer zu beschreiben. Es gibt halbwegs glaubhafte Berichte, dass der Iran in der Vergangenheit im kleinen Maße die Houthis mit Waffen beliefert hat, was ich an dieser Stelle keineswegs leugnen will – aber: Der Jemen ist historisch derart überschwemmt mit Waffen aller Art, dass die Houthis schlicht keinen Bedarf an einer massiven Aufrüstung aus dem Ausland haben (wie ich hier dargelegt habe). Doch nehmen wir des Argumentes willen eine Sekunde an, die US-Regierung hätte Recht und der Iran würde die Houthi-Rebellen massiv hochrüsten.
Können wir den Jemenkrieg kurz vom Kopf auf die Füße stellen? Die „verheerende humanitäre Krise“ im Jemen, die Trump mit seinen Sanktionen beenden will, gibt es natürlich, es ist laut UN die „größte humanitäre Katastrophe der Welt“ – doch wurde sie nicht von den Houthis hervorgerufen, sondern von der aus dem Westen unterhaltenen Saudi-Emirate-Koalition!
Seit bald fünf Jahren vernichtet eine Koalition ultrareicher Staaten das ärmste Land der arabischen Welt. Bombardiert Hochzeiten, Flüchtlingsboote, Moscheen, Beerdigungen, Krankenhäuser, Farmen, Lebensmittelfabriken und jede nur denkbare zivile Infrastruktur, setzt Hunger genau wie die größte jemals registrierte Choleraepidemie als Kriegswaffen ein.
Und der größte Unterstützer dieser genozidalen Koalition sitzt im Weißen Haus – heißt Donald J. Trump.
In den Jahren des Jemenkriegs (2015-2018) stammten 56,8 Prozent aller Waffenlieferungen an die acht Koalitionäre aus den USA; der Anteil erhöht sich gar auf 70 Prozent, wenn lediglich Lieferungen an die beiden treibenden Kräfte der Koalition – Saudi-Arabien und die VAE – berücksichtigt werden.
Wenn Trump, die „verheerende humanitäre Krise“ im Jemen beenden will, kann er einfach aufhören, Waffen an die Koalition zu liefern. Das Narrativ, die jüngsten Iran-Sanktionen hätten irgendetwas mit dem „unterdrückten iranischen Volk“ oder den armen Menschen im Jemen zu tun, ist eine Beleidigung unser aller Intelligenz.
Erst gestern berichtete die Süddeutsche Zeitung exklusiv, sechs Menschenrechts- und Juristen-NGOs hätten gegen den deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall sowie die deutsche Bundesregierung beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag Strafanzeige wegen ihrer Komplizenschaft an Kriegsverbrechen im Jemen gestellt.
So, Mr. Trump, unterstützt man „unterdrückte Völker“ und bekämpft „verheerende humanitäre Krisen“.