Trump und Teheran: Es ist nicht 2003 und Iran ist nicht Irak

Irans strategische Bündnisse sind umfassend und weitreichend, und die regionalen Verbündeten der USA sehen heute zunehmend schwach und unberechenbar aus. Darüber hinaus konvergieren Irans Interessen zunehmend mit denen von globalen Mächten wie Russland und China, während Trump nicht den geringsten Schimmer von der Kunst des Deals Aushandelns hat.

Narrative aufzubauen, ist eine Kunst und der ehemalige US-Präsident Barack Obama war ein Meistercharmeur. Die Aufrechterhaltung des Images der Vereinigten Staaten als einzigartige und unersetzliche Nation, die Freiheit und Gleichheit promotet, war für ihn also nicht unbedingt die schwierigste Aufgabe – insbesondere nach acht langen Jahren George W. Bush (der durch die liberalen Medien jüngst rehabilitiert wurde).

Die westlichen Konzernmedien – ebenso die staatseigenen Medienhäuser – hatten die etwas anspruchslose Aufgabe des “Making America Feel Good Again”. Nie mehr Bushismus, keine Dick Cheneys, Abu Ghraibs, John Boltons, CIA Black Sites, Fürsten der Finsternis, Verschleppungen von Terrorverdächtigen und gefälschten Dossiers mehr, kein Guantanamo Bay.

Dies war das post-ethnische Amerika, wo schwarze Leben etwas zählten (‘Black Lives Matter‘) und wo der Präsident einen Friedensnobelpreis erhielt – genau wie Yitzhak Rabin, FW de Klerk, Jimmy Carter, Al Gore, Aung San Suu Kyi, Shimon Peres und andere „Koryphäen“ – obwohl er kaum das Oval Office betreten hatte.

Die Obama-Ära

Es ist richtig, Guantanamo blieb weiter geöffnet, Drohnenangriffe waren schwer in Mode, Libyen wurde zerstört, Obama finanzierte „gemäßigte Rebellen“ in Syrien (von denen Obamas Vize Joe Biden sagte, sie existierten gar nicht), er „verwaltete“ den Vormarsch des Islamischen Staates (IS) auf Damaskus, er half Saudi-Arabien dabei, den Jemen auszuhungern, begünstigte die Belagerung von Gaza, verhängte lähmende Sanktionen gegen gewöhnliche Iraner und rechtfertigte die saudische Besatzung Bahrains – neben weiteren verwerflichen Taten.

Doch irgendwie war Obama TV-Gold. Er war großartig mit Telepromptern, verführte landesweit das Talkshow-Publikum, brachte einen unglaublichen Mic Drop und stimmte sogar dem Nuklear-Deal mit dem Iran zu. Er war wie Teflon Tony, bevor Tony sein Teflon verlor. [Ein Spitzname Tony Blairs, da an ihm lange Zeit jegliche Kritik wie an Teflon abzuprallen schien, Anm. J.R.]

Für viele war es dasselbe alte Amerika, doch unter Obama erreichte die Soft Power der USA neue Höhen. Das Schmieden von Koalitionen war nicht länger die Koalition der Willigen. Die Europäische Union fügte sich Obamas Willen, während ein aufstrebendes China und ein wiedererstarktes Russland sich bemühten, eine ernsthafte Konfrontation zu vermeiden.

Auf der Grundlage unbegründeter Anschuldigungen wegen Wahlbetrugs im Jahr 2009 trieb Obama eine schleichende Iranophobie voran und schuf ein Gefühl von Krise und Dringlichkeit – trotz der Einhaltung der Vorgaben der Internationalen Atomenergiebehörde durch den Iran. Für iranische Strategen und Außenpolitiker war das Leben nicht leicht, als sich die Sanktionen weiter auf eine ungeschützte iranische Öffentlichkeit auftürmten.

Seismische Verschiebungen

Und dann kam Trump, der sich mit dem saudischen Kronprinzen Mohammad bin Salman und dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu verbündete – wahrhaftig die Drei Stooges der Welt der Geopolitik in Middle East. Einer ist ein unausstehlicher Premierminister, der die Apartheid in seinem Land durchsetzt, von eigenen Verbündeten abgelehnt wird und zu Hause Korruptionsvorwürfen ausgesetzt ist.

Der andere wurde als wahrer Reformer gepriesen – wenngleich er einen libanesischen Premierminister entführte, Staatsstreiche unterstützt, Blockaden gegen alte Verbündete einrichtet, Kinder aushungern lässt, wahhabitische Extremisten finanziert, Familienangehörige verhaftet und foltert und Milliarden Dollar für Yachten, Gemälde und ausländische Burgen und Schlösser ausgibt.

Trump griff Minderheiten, Afrikaner, Latinos, China, Muslime, die Europäische Union und seine Nachbarländer an und trat aus dem Pariser Klimaabkommen aus – während seine politischen Gegner ihr Bestes gaben, die amerikanisch-russischen Beziehungen zu ruinieren.

Zuweilen mussten sich sogar Trump-skeptische iranische Diplomaten heimlich von der Fülle von „Geschenken“ überwältigt fühlen, die der US-Präsident ihnen überreichte.

Während das US-Finanzministerium und der US-Kongress unter Obama von Anfang an wiederholt gegen die Bedingungen des JCPOA [der offizielle Name des Iran-Deals, Anm. J.R.] verstießen, lullte das permanente öffentliche und verbale Bekenntnis des ehemaligen Präsidenten zum JCPOA einen Großteil der internationalen Gemeinschaft ein und erstickte iranische Proteste, ihre Zugeständnisse seien nicht erwidert worden, im Keime.

Kurz nach seiner Amtseinführung fährt Trump die Verletzungen des Iran-Deals durch die USA gar weiter hoch – und stieß Drohungen aus, das Atomabkommen in Gänze zu zerreißen.

Plötzlich wendete sich das Blatt, da sich selbst enge US-Verbündete herabgesetzt und beleidigt fühlten, da Trump – indem er die internationalen Verpflichtungen der USA ignorierte – auch Deutschland, Großbritannien und Frankreich als geopolitische Leichtgewichte entlarvte, die wenig Einfluss auf wichtige internationale Abkommen haben.

Russland und China betrachteten die USA zunehmend als unzuverlässigen Partner und vertieften daraufhin ihre Beziehungen zur Islamischen Republik Iran – ein strategisches Interesse beider Länder. Unzuverlässigkeit und Unvorhersehbarkeit in Verbindung mit einer Vielzahl neuer Zölle, Sanktionen, zweifelhafter Allianzen und militärischer Drohgebärden führen zu seismischen Verschiebungen, die Washington weiter in tiefe Isolation drängen.

Extrem und irrational

Ohne Sarumans Kristallkugel – oder die von König Salman – ist es unklug, Vorhersagen über die Zukunft zu treffen. Es scheint jedoch klar zu sein, dass Trump, indem er Außenminister Tillerson entlassen und John Bolton als Nationalen Sicherheitsberater eingesetzt hat, den weitverbreiteten Glauben weiter bekräftigt hat, dass die Vereinigten Staaten extremer und irrationaler und gegenüber dem Rest der Welt zunehmend feindseliger werden.

Ägyptens Diktator General Al-Sisi, Saudi-Arabiens König Salman, First Lady Melania Trump und ihr Mann Donald … bei was auch immer sie da machen im Mai 2017, bezeichnenderweise während der Eröffnungsfeier des Global Center for Combating Extremist Ideology. By Shealah Craighead, Wikimedia Commons, published under public domain.

Das Spektakel der innenpolitischen Unruhen in den USA in Verbindung mit dem Auftauchen von Trumps fanatischem außenpolitischen Team hat die US-Soft-Power-Fähigkeiten vollends zerstört und lässt die USA unter George W. Bush regelrecht als Utopie erscheinen.

Nichtsdestotrotz muss die US-Regierung erkennen, dass der Iran nicht der Irak ist – und dies hier nicht das Jahr 2003. Irans strategische Bündnisse sind umfassend und weitreichend, und die regionalen Verbündeten der USA sehen heute zunehmend schwach und unberechenbar aus.

Darüber hinaus konvergieren Irans Interessen zunehmend mit denen von globalen Mächten wie Russland und China, während die Ernennung von Bolton gar Amerikas engste Verbündete in Alarmbereitschaft versetzt. Die umfangreichen Verstöße gegen den JCPOA ließen den Großteil des Sanktionsregimes intakt und begrenzten damit die Verluste für den Iran nach einem möglichen Rückzug der USA aus dem Deal.

Im In- und Ausland werden die iranischen Führer für ihre Skepsis gegenüber den Absichten der USA bestätigt, und die iranische Öffentlichkeit wird mit einer sofortigen Normalisierung ihres friedlichen Atomprogramms rechnen.

Trotz seiner fundierten Skepsis sagte Ayatollah Khamenei einst, beide Seiten würden auch über andere Angelegenheiten verhandeln können, sollten die USA ihr Verhalten bezüglich der Nuklear-Frage ändern.

Wenn den USA selbst über bestehende Abkommen nicht getraut werden kann, würden nur Narren in weitere Verhandlungen eintreten.

Samuel Johnson hat einmal gesagt: „Ein Mann, dem man seine Trunkenheit anmerkt, versteht sich nicht auf die Kunst des Betrunkenseins.“ Der Kaiser trägt keine Kleider – und hat nicht den geringsten Schimmer von der Kunst des Deals Aushandelns.


 

Dieser Artikel von Seyed Mohammad Marandi erschien zuerst auf Middle East Eye und wurde von Jakob Reimann für Die Freiheitsliebe übersetzt.

Seyed Mohammad Marandi ist Professor für englische Literatur und Orientalismus an der Universität Teheran

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