By Mark Dixon, flickr, licensed under CC BY 2.0 (edited by Jakob Reimann).

Trump setzt unsere Welt in Brand – werden wir uns endlich wehren?

All die ohnehin im Pariser Klimaschutzabkommen vorhandenen Schwächen sind das Ergebnis jahrelanger US-Lobbyarbeit. Doch schwach ist nicht dasselbe wie nutzlos. Trumps Ausstieg ist ein Brandanschlag auf unseren Planeten. Regierungen und soziale Bewegungen sollten gegen die USA, ihre Ölkonzerne und das Trump-Imperium Sanktionen und Divestment-Kampagnen fahren – meint Naomi Klein.

This article by Naomi Klein first appeared on
The Intercept on June 1, 2017

and was translated by Jakob Reimann
for Die Freiheitsliebe.

Jetzt, da Donald Trump nun wirklich aus dem Pariser Klimaschutzabkommen austritt und Klimaaktivisten zu Recht gegen diesen dystopischen Schritt mobilisieren, ist es an der Zeit, sich über etwas im Klaren zu werden: So ziemlich jede Schwäche, jede Enttäuschung und jede Unzulänglichkeit des Pariser Abkommens ist das Ergebnis von US-amerikanischer Lobbyarbeit, angefangen im Jahre 2009.

Die Tatsache, dass das Abkommen Regierungen lediglich darauf verpflichtet, die globale Erwärmung auf 2 Grad zu begrenzen – anstatt dem wesentlich sichereren Ziel von 1,5 Grad –, wurde durch US-Lobbyarbeit erkämpft.

Die Tatsache, dass das Abkommen es den einzelnen Nationen überlässt, wieviel sie konkret bereit sind, für dieses Temperaturziel zu tun – und es ihnen erlaubte, mit halbherzigen Versprechen nach Paris zu kommen, die uns kollektiv auf den katastrophalen Kurs von mehr als 3 Grad globaler Erwärmung schicken – wurde durch US-Lobbyarbeit erkämpft.

Die Tatsache, dass das Abkommen selbst diese unzulänglichen Verpflichtungen als unverbindlich behandelt – was bedeutet, dass Regierungen nicht das Geringste zu befürchten haben, wenn sie ihre eigenen Verpflichtungen ignorieren –, wurde ebenfalls durch US-Lobbyarbeit erkämpft.

Die Tatsache, dass das Abkommen es den armen Länder ausdrücklich verbietet, Schadensersatz für die Kosten von Klimakatastrophen zu verlangen, wurde durch US-Lobbyarbeit erkämpft.

Die Tatsache, dass es sich um ein „Abkommen“ oder eine „Vereinbarung“ aber nicht um einen Vertrag handelt – exakt dieser Umstand, der es Trump heute ermöglicht, seinen Action-Film-reifen zeitlupenartigen Auftritt abzuziehen, hinter ihm die Welt in Flammen – wurde durch US-Lobbyarbeit erkämpft.

Ich könnte so weitermachen. Sehr lange. Oft hatten die USA in dieser Hinterzimmer-Tyrannei Hilfe von so berüchtigten Petro-Staaten wie Saudi-Arabien. Um ihre aggressive Lobbyarbeit zur Schwächung des Pariser Abkommens zu rechtfertigen, argumentierten die US-Verhandlungsführer in der Regel, dass etwas Schlagkräftigeres von den Republikanern im Abgeordnetenhaus und im Senat ohnehin blockiert worden würde. Und das stimmte vermutlich sogar. Doch einige der Abschwächungen – vor allem jene Maßnahmen, die sich mit der Gerechtigkeit zwischen reichen und armen Nationen befassten – wurden aus reiner Gewohnheit heraus durchgedrückt, denn die Interessen US-amerikanischer Konzerne zu verfolgen, ist nun einmal das, was die USA in internationalen Verhandlungen tun.

Was auch immer die Gründe waren: Das Endergebnis war ein Abkommen mit einem halbwegs vernünftigen Temperaturziel und einem fürchterlich schwachen und dilettantischen Plan, dieses Ziel tatsächlich zu erreichen. Als es zuerst vorgestellt wurde, nannte James Hansen, der wohl angesehenste Klimaforscher der Welt, das Pariser Abkommen aus eben diesem Grund „einen Betrug, ernsthaft, es ist ein Fake“, denn es „enthält keinerlei Maßnahmen, nur Versprechen.“

Als Nachfolgeabkommen zum Kyoto-Protokoll verabschiedeten Delegierte von 196 Staaten auf der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 ihr formales Bekenntnis zum Klimaschutz und zur Deckelung der globalen Erwärmung auf unter 2 Grad. Mit all seinen immensen Unzulänglichkeiten ist das Pariser Abkommen in erster Linie ein moralisches Druckmittel für Aktivisten, um ihre Regierungen zur Rechenschaft zu ziehen – meint Naomi Klein. By Presidencia de la República Mexicana, Wikimedia commons, licensed under CC BY 2.0 (cropped).

Doch schwach ist nicht dasselbe wie nutzlos. Die Macht des Pariser Abkommens lag immer darin, was soziale Bewegungen daraus machen würden. Das klare Bekenntnis, die Erwärmung auf 2 Grad Celsius zu deckeln, während „Anstrengungen zur Begrenzung der Temperaturerhöhung auf 1,5 Grad“ fortgesetzt würden, bedeutet, dass im globalen CO2-Haushalt kein Raum bleibt, um neue Vorkommen fossiler Brennstoffe zu erschließen.

Dieser einfache Fakt – selbst ohne rechtliches Gewicht dahinter – war ein mächtiges Tool in den Händen von Bewegungen gegen neue Ölpipelines, Fracking-Bohrungen und Kohleminen, sowie in den Händen von einigen sehr mutigen Kindern und Jugendlichen, die die US-Regierung verklagen, weil diese versagt hat, ihr Recht auf eine sichere Zukunft zu bewahren. Und in vielen Ländern – bis vor kurzem einschließlich der USA – setzte allein die Tatsache, dass Regierungen zumindest Lippenbekenntnisse zu diesem Temperaturziel abgaben, diese Regierungen unter gehörigen moralischen und öffentlichen Druck. Genau wie Bill McKibben, Autor und Mitbegründer von 350.org, am Tag der Verkündung des Pariser Abkommens: die Regierungsvertreter dieser Welt vereinbarten das „1,5-Grad-Ziel – und wir werden sie verdammt nochmal darauf festnageln.“

Auch unabhängig von Trump setzt sich diese Strategie in vielen Ländern fort. Beispielsweise reiste vor einigen Wochen eine Delegation aus tiefliegenden Pazifikinseln in die Region der Alberta Tar Sands, um vom kanadischen Ministerpräsidenten Justin Trudeau zu verlangen, den expandierenden Abbau der kohlendioxidintensiven Teersande zu beenden. Sie erinnerten Trudeau daran, dass sein Versagen, dies zu tun, den Geist seiner schönen Worte und Versprechen missachtet, die er in Paris gegeben hatte.

Und das war von Anfang an die Aufgabe der globalen Climate Justice-Bewegung, als sie sich auf den Weg nach Paris machte: der Versuch, die Regierungen auf den starken Geist ihrer Worte anstatt auf den schwachen Inhalt des Abkommens zu verpflichten. Das Problem ist nur, dass es völlig klar war, dass Washington nicht mehr anfällig für diese Art von Druck war, nachdem Donald Trump ins Weiße Haus einzog. Das theatralische Gehabe angesichts der News, dass Trump nun offiziell aus dem Pariser Abkommen aussteigt, erschien mir daher äußerst rätselhaft. Wir alle wussten, dass der Klimarückzieher der USA unter Trump beschlossene Sache war. Wir wussten es spätestens, als er Rex Tillerson zum Außenminister und Scott Pruitt zum Chef der Umweltbehörde ernannte. Wir hatten schließlich die finale Gewissheit, als er in der ersten Woche seines Amtsantritts den Präsidialerlass zur Keystone XL- und zur Dakota Access-Pipeline unterzeichnete.

Allein die Tatsache, dass der ehemalige CEO von ExxonMobil, Rex Tillerson, die Stimme des “stay camps“ war, verdeutlicht die Absurdität dieser ganzen Scharade – meint Naomi Klein. By World Economic Forum, flickr, licensed under CC BY-NC-SA 2.0.

Seit Monaten hörten wir von vermeintlichen Machtkämpfen zwischen jenen, die Teil des Paris Abkommens bleiben wollten (Ivanka Trump, Tillerson) und denjenigen, die den Austritt befürworteten (Pruitt, Chefstratege Steve Bannon, Trump selbst). Doch allein die Tatsache, dass Tillerson die Stimme des “stay camps“ war, verdeutlicht die Absurdität dieser ganzen Scharade.

Es waren ebensolche Ölfirmen, für die Tillerson in den letzten 41 Jahren arbeitete, deren unnachgiebige Lobbyarbeit dazu beitrugen, dass die in Paris ausgehandelten Verpflichtungen keinerlei sinnvolle Mechanismen zur Durchsetzung enthielten. Aus diesem Grund veröffentlichte Exxon Mobil – noch mit Tillerson an der Spitze – einen Monat, nachdem Paris ausgehandelt war, einen Bericht, der besagt, „wir erwarten, dass Öl, Erdgas und Kohle weiterhin 80 Prozent der weltweiten Nachfrage erfüllen werden“ – bis 2040. Es war ein dreister Ausdruck der Überheblichkeit – business as usual. Exxon weiß natürlich genau, dass die Weltwirtschaft bis Mitte des Jahrhunderts buchstäblich von fossiler Energie entkoppelt werden muss, wenn wir auch nur den Hauch einer Chance haben wollen, das erklärte Ziel des Pariser Abkommens zu erreichen und die globale Erwärmung unter 1,5-2 Grad zu halten. Doch Exxon konnte seinen Investoren diese Gewissheiten geben – und behaupten, dass sie Paris unterstützen würden – denn sie wussten genau, dass das Abkommen keine bindenden Mechanismen besaß.

Aus demselben Grund dachte die Tillerson-Fraktion der Trump-Regierung, sie könne einerseits im Pariser Abkommen bleiben und gleichzeitig das Herzstück der US-Verpflichtungen im Rahmen des Abkommens zerlegen: den Clean Power Plan. Tillerson weiß besser als fast jeder andere auf diesem Planeten, wie schwach das Abkommen aus rechtlicher Sicht ist – als CEO von Exxon hat er genau dafür gesorgt.

Während wir also versuchen, dieses letzte Drama zu begreifen, dürfen wir uns bloß nichts vormachen: Die Trump-Regierung war niemals gespalten zwischen denjenigen, die das Pariser Abkommen zerreißen, und denen, die es respektieren wollten. Sie war gespalten zwischen denjenigen, die es zerreißen wollten, und denen, die Teil des Abkommens bleiben es aber völlig ignorieren wollten. Der Unterschied ist rein optischer Natur: so oder so, die exakt selbe Menge an Kohlendioxid wird in die Luft geblasen

Manche sagen, das sei gar nicht der Punkt – das eigentliche Risiko des US-Austritts sei vielmehr, dass er alle anderen ermutigen wird, ihre Ambitionen ebenfalls abzusenken, und bald schon wird sich jeder von Paris verabschieden. Vielleicht, ja, aber nicht notwendigerweise. So wie Trumps Desaster im Gesundheitswesen die US-Bundesstaaten dazu ermutigt hat, das Single-Payer-System nach Jahrzehnten wieder ernsthaft in Betracht zu ziehen, so „befeuert“ Trumps Brandanschlag aufs Klima bislang nur die Klimaambitionen in Staaten wie Kalifornien und New York. Anstatt das Handtuch zu werfen, werden Organisationen wie New York Renews – die den Staat New York drängen, bis zum Jahr 2050 vollständig auf erneuerbare Energien umzusteigen – immer stärker und selbstbewusster.

Wir haben genau einen Planeten Erde. Dessen Zukunft liegt in unseren Händen. By stokpic, Pixabay, published under public domain.

Auch außerhalb der USA stehen die Zeichen nicht schlecht. Der Übergang zu erneuerbaren Energien verläuft in Deutschland und China bereits so schnell, und die Preise fallen dermaßen stark ab, dass bereits solche Kräfte die Wende vorantreiben, die weit größer sind als Trump. Natürlich ist es noch immer möglich, dass Trumps Ausscheiden aus Paris einen globalen Rückschritt provoziert. Doch es ist ebenfalls möglich, dass genau das Gegenteil passiert – dass andere Länder unter dem Druck ihrer ohnehin gänzlich von Trumps Aktionen erzürnten Bevölkerungen ihr Klimaambitionen erhöhen, wenn die USA jetzt ganz offiziell jeden Skrupel verlieren. Sie könnten sogar entscheiden, das Pariser Abkommen zu stärken – ohne bei jedem Schritt von US-Verhandlungsführern ausgebremst zu werden.

Und auch weitere Stimmen von sozialen Bewegungen werden überall auf der Welt immer lauter – die Forderung nach Wirtschaftssanktionen, angesichts des Trump‘schen Klimavandalismus. Denn hier ist eine verrückte Idee: Ob es nun im Pariser Abkommen geschrieben steht oder nicht, wenn du dich einseitig dafür entscheidest, die Welt in Brand zu setzen, solltest du auch den Preis dafür zahlen. Und das sollte gelten, ob du nun die Regierung der Vereinigten Staaten bist oder Exxon Mobil, oder irgendeine Frankenstein-Fusion der beiden.

Vor einem Jahr wurde der Vorschlag, die USA sollten dafür, dass sie den Rest der Menschheit in Gefahr bringen, mit einer saftigen Strafe belegt werden, in den Kreisen des Establishments nur müde belächelt: Sicherlich würde niemand für so etwas Albernes wie einen lebenswürdigen Planeten seine Handelsbeziehungen aufs Spiel setzen. Doch gerade in dieser Woche erklärte Martin Wolf in der Financial Times: „Wenn sich die USA aus dem Pariser Abkommen zurückziehen, sollte sich der Rest der Welt überlegen, Sanktionen auszusprechen.“

Wir sind sicherlich weit davon entfernt, dass große US-Handelspartner diesen Schritt gehen werden – doch Regierungen sind nicht die einzigen Player, die für lebensgefährliches und unmoralisches Verhalten Wirtschaftssanktionen aussprechen können. Bewegungen verschiedenster Art können in Form von Boykotten und Divestment-Kampagnen Regierungen und Konzerne direkt ins Visier nehmen – nach dem Südafrika-Modell. Und nicht nur Energiekonzerne, sondern auch Trumps Markenimperium ist das Target. Ein moralischer Appell an Einsicht und Vernunft zieht bei Trump nicht. Ökonomischer Druck vielleicht schon mehr.

Es ist Zeit für Sanktionen. Unsere Sanktionen.


This article by Naomi Klein first appeared on The Intercept on June 1, 2017 and was translated by Jakob Reimann for JusticeNow! and Die Freiheitsliebe. We send the best wishes  to New York to Charlotte Greensit of The Intercept, to Mississauga, Canada, to Jackie Joiner, and, of course, to Toronto, Canada, to Naomi Klein, and say THANK YOU! to everyone involved for their great work – connect critical journalism worldwide!

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