„Teraz solidarność!” Angriff auf die LGBTQ-Gemeinde und Menschlichkeit in Polen

Polen ist auf dem besten Weg, sich bezüglich der Art und Weise, mit LGBT Personen umzugehen, an Verhältnisse in Russland anzupassen. Ein Text über die polnische Karta Rodziny, die Familien-Charta.

30. Juni 2013: Russland verabschiedet ein Gesetz über homosexuelle Propaganda, nach welchem es verboten ist, Minderjährige mit dem Begriff der Homosexualität in Kontakt zu bringen in der Absicht, sie somit vor homosexuellem Gedankengut zu „schützen“. Die Folgen liegen auf der Hand: verstärkte Feindseligkeit gegenüber der LGBTQ-Community in Russland, Diskriminierung und Gewalttaten, die vom Gesetz geschützt sind.  Obwohl sich dieses Gesetz als Schutz für die Jugend ausgibt, sind die, die wohl am meisten darunter leiden, die LGBTQ-Jugendlichen Russlands.

Polens Präsident Andrzej Duda von der rechtsnationalistischen populistischen PiS-Partei springt auf diesen Zug mit auf und stellt die karta rodziny, die Familien-Charta vor. Perfide in ihrer Einfachheit behauptet diese Charta, sich für die Interessen Alleinerziehender einzusetzen und die Jugend Polens vor der schändlichen LGBTQ-Ideologie zu schützen. Diese Charta verweist auf Artikel 18 der polnischen Verfassung: „Die Ehe als Verbindung von Frau und Mann, Familie, Mutterschaft und das Elternrecht stehen unter Schutz und in Obhut der Republik Polen.”

Es ist eine auf den ersten Blick positive und zu unterstützende Forderung, die aber etwas ganz anderes impliziert: Es wirft ein dämonisierendes und verteufelndes Licht auf alle, die nicht cishet sind, nicht der sozial akzeptierten „Norm“ entsprechen oder durch ihre bloße Existenz den Status Quo verschieben.

„LGBT ist eine Ideologie, keine Menschen“

Dieses Zitat stammt von Jacek Żalek, dem Sejm-Abgeordneten der rechtskonservativen Polen Zusammen Vereinigte Rechte. Żalek wurde hierfür aus dem Interview geworfen, doch Präsident Duda übernimmt diese Aussage und fügt hinzu, dass diese „Ideologie“ noch „destruktiver als der Kommunismus“ sei.

Den LGBTQ-Leuten wird der Personenstatus aberkannt. Es wird behauptet, man erkenne daran, dass es eine Ideologie sei, dass es auch „gute“  LGBTQ-Leute gäbe, die sich damit nicht identifizieren. Doch wen wundert das in einem Land, in dem die offene Identifikation als LGBTQ mit Verachtung im besten, und Gewalt im schlimmsten Fall erwidert wird?

„Lasst uns aufhören, diesen Idiotien über Menschenrechte und Gleichberechtigung zuzuhören. Diese [LGBTQ-]Leute sind nicht mit normalen Leuten gleichzusetzen,“ behauptet letztlich Przemysław Czarnek, PiS-Abgeordneter und Mitglied von Dudas Wahlkampf.

Es ist offensichtlich, dass die Rhetorik der Politiker zunehmend LGBTQ-feindlich wird.

Als Reaktion auf LGBTQ-freundliche Erklärungen von Warschaus Bürgermeister Rafał Trzaskowski erklärten sich viele Gemeinden und einige Woiwodschaft zu „LGBT-freien Zonen“ (auf der Karte in dunkelrot, Stand Januar 2020). Die rechte Wochenzeitung Gazeta Polska verteilte daraufhin entsprechende LGBTQ-feindliche Sticker an ihre Leser*innen. By Fashaj, Wikimedia Commons, licensed under CC BY-SA 4.0.

Die Wahlen

Am 28. Juni finden in Polen die nächsten Präsidentschaftswahlen statt, was als Grund für diese extreme Positionierung zu verstehen ist. Rafał Trzaskowski von der konservativ-wirtschaftsliberalen Bürgerplattform, der momentan den Posten des Oberbürgermeisters von Warschau innehat, hat fast zeitgleich mit der Vorstellung der Familien-Charta den Behörden eine mehr als 1,6 Millionen Unterschriften lange Liste von Unterstützerinnen und Unterstützern vorgelegt, die ihn als nachrückender, linksliberaler Präsidentschaftskandidat zulässt.

Das macht den Zeitpunkt der Vorstellung der Charta zu alles anderem als einen Zufall: Sie ist eine Antwort auf Trzaskowski, der im Februar 2019 eine LGBTQ-Erklärung veröffentlichte und sich mehrfach positiv zu LGBTQ-Themen äußerte. Warschaus Bürgermeister wolle LGBTQ-Rechte achten, fördern und schützen.

Schon damals hat das Folgen nach sich getragen, LGBTQ-freie Zonen wurden ins Leben gerufen und der Hass nimmt zu. Umso wichtiger, dass es einen Umschwung gibt, dass jemand an die Macht kommt, der diese nutzt, um etwas positiv zu verändern. Immerhin steht in der polnischen Verfassung auch: „Niemand darf aus welchem Grund auch immer im politischen, gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Leben diskriminiert werden.“ Und doch gibt es ganze Orte, an denen eben das geschieht, und es als rechtens angesehen wird.

Janine Resch


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