Am Dienstag wurde Trumps ehemaliger Wahlkampfmanager Paul Manafort wegen Steuer- und Bankbetrugs verurteilt. Trumps langjähriger Anwalt Michael Cohen bekannte sich ebenfalls für schuldig und beschuldigte Präsident Trump, gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung verstoßen zu haben. Die Strafverfolgung und Inhaftierung von Donald Trump wäre nun theoretisch möglich – erklärt James Risen.
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with permission from The Intercept.
By James Risen, August 22, 2018.
SEIT DIE ERMITTLUNGEN gegen US-Präsident Donald Trump und seine Lakaien begannen, argumentierten die meisten außenstehenden Beobachter, es sei sehr unwahrscheinlich, dass Trump persönlich strafrechtlich verfolgt werden würde.
Die gängige Meinung war, dass Bundesanwälte sich einer langjährigen Tradition und jahrzehntealten Rechtsgutachten des Justizministeriums beugen und keine Anklage gegen einen amtierenden Präsidenten erheben würden. Trump könnte von Seiten des US-Kongresses seinem Impeachment (Amtsenthebung) gegenüberstehen – was ein politischer Prozess ist – doch es schien weit hergeholt, dass Staatsanwälte ernsthaft versuchen würden, ihn direkt aus dem Weißen Haus heraus ins Gefängnis zu stecken.
Doch diese Denkweise fand am Dienstag ihr Ende, als Trump in einem Kriminalfall auf Bundesebene der nicht namentlich genannte „Individual-1“ wurde. Dienstag war der Tag, an dem die Chancen, dass sich Trump einer Anklage und strafrechtlichen Verfolgung gegenübersieht, höher waren als je zuvor.
In der Tat scheint der 21. August 2018 ein Wendepunkt in Trumps manischer Präsidentschaft zu sein.
Am Dienstag wurde Paul Manafort, Trumps ehemaliger Wahlkampfmanager, vor einem Gericht in Virginia in acht Fällen wegen Steuer- und Bankbetrugs für schuldig befunden. Der Fall wurde vom Sonderermittler Robert Mueller eingeleitet, der gegenwärtig die Untersuchungen bezüglich der Vorwürfe leitet, Trump und sein Wahlkampfteam kollaborierten mit Russland mit dem Ziel, die Wahl 2016 zu gewinnen.
Unterdessen bekannte sich Michael Cohen, Trumps langjähriger Anwalt und Fixer, am Dienstag vor einem New Yorker Bundesgericht in acht Fällen für schuldig: wegen Steuerhinterziehung, Bankbetrugs und – für Trump am kritischsten – Verstößen gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung.
Beide Fälle vom Dienstag waren für Trump äußerst schlechte Nachrichten, doch der Cohen-Deal stellte die unmittelbarere Bedrohung für den Präsidenten dar. Als Teil seines Deals belastete Cohen den Präsidenten direkt und behauptete, er habe während des Wahlkampfs mit Trump konspiriert, um zwei Frauen auszubezahlen, so dass diese ihre Geschichten über mutmaßliche Affären mit Trump vor der Wahl 2016 aus der Presse halten. Angesichts der Art und Weise, wie diese Zahlungen geleistet wurden, sowie aufgrund der zugrundeliegenden Absichten, stellten diese Handlungen einen Verstoß gegen die Bundesgesetze zur Wahlkampffinanzierung dar. Cohen behauptete also vor einem Bundesgericht, dass Trump eine schwere Straftat begangen hatte.
Jetzt stehen die Bundesanwälte vor einem echten Dilemma. Sie haben soeben in einem hochkarätigen Strafverfahren zru Wirtschaftskriminalität triumphiert, in dem sie erfolgreich den persönlichen Anwalt des Präsidenten festnagelten. Sie quetschten Cohen derart aus, dass er zugab, der Präsident sei sein Mitverschwörer bei einem Verbrechen gewesen. Und nicht irgendein Verbrechen – ein Verbrechen, das Trump helfen sollte, die Präsidentschaft zu gewinnen.
Können die Staatsanwälte die Logik ihres eigenen Falls ignorieren? Müssen sie jetzt nicht auch zwangsweise Trump selbst verfolgen?
Auch Lanny Davis, Cohens Anwalt, hat ebendiese Frage am Dienstag in aller Öffentlichkeit gestellt. Davis schrieb in einem Tweet nach Cohens Deal, sein Klient „ist aufgestanden und hat unter Eid ausgesagt, dass Donald Trump ihn angewiesen hatte, ein Verbrechen zu begehen, indem er Zahlungen an zwei Frauen leistete – mit dem Hauptzweck der Beeinflussung einer Wahl. Wenn diese Zahlungen für Michael Cohen ein Verbrechen waren, warum wären sie dann nicht auch ein Verbrechen für Donald Trump?“
Today he stood up and testified under oath that Donald Trump directed him to commit a crime by making payments to two women for the principal purpose of influencing an election. If those payments were a crime for Michael Cohen, then why wouldn’t they be a crime for Donald Trump?
— Lanny Davis (@LannyDavis) 21. August 2018
Die Fälle Cohen und Manafort wurden von verschiedenen Strafverfolgungs- Teams zur Anklage gebracht, woraus sich ein Unterschied ergibt, wie diese weiter verfolgt werden. Die Anklage gegen Cohen wurde vom Büro des US-Staatsanwalts für den Southern District of New York geführt, während der Fall Manafort von Mueller und seinem Team vom Büro des Sonderermittlers verhandelt wurde.
Als Sonderermittler hat Mueller große Freiheiten in der Verfolgung des Trump-Russland-Falls. Justizminister Jeff Sessions sah sich aufgrund seiner eigenen ungeklärten Verbindungen zu russischen Beamten während des Wahlkampfes 2016 gezwungen, sich von der Überwachung der Ermittlungen Muellers zurückzuziehen. Sonderermittler Mueller hat seine Unabhängigkeit genutzt, um eine äußerst aggressive Untersuchung von Trump und den Personen um ihn herum durchzuführen. Manafort war nur der letzte einer langen Reihe von Personen des Trump-Zirkels, der spüren konnte, wie ernst Mueller seine Untersuchung verfolgt. Es ist klar, dass Mueller Manafort strafrechtlich verfolgte, um ihn dazu zu bringen, auszupacken und alles zu erzählen, was er über Trump und geheime Absprachen mit Russland wusste.
DOCH DIE ERMITTLER in New York, die den Cohen-Fall behandelten, genießen nicht dasselbe Maß an Unabhängigkeit wie Mueller. Jegliche Bemühungen der Staatsanwälte des Southern Districts of New York, ihren Fall weiter zu verfolgen und „Individual-1“ im Weißen Haus zu verfolgen, müssen mit ziemlich hoher Sicherheit von Justizminister Jeff Sessions gebilligt werden. Es erscheint unwahrscheinlich, dass Sessions glauben würde, seine Ablehnung der Trump-Russia-Untersuchung würde auch in der Cohen-Untersuchung Anwendung finden, obwohl gemeinhin angenommen wird, dass Cohen über brisante Informationen im Trump-Russland-Fall verfügt. Und nachdem Sessions in aller Öffentlichkeit wiederholt von Trump wegen seiner Passivität in der Mueller-Untersuchung angegriffen und gedemütigt wurde, könnten er nun erpicht darauf sein, Trump seine Loyalität zu beweisen und jede weitere Untersuchung im Fall Cohen zu blockieren. (Obwohl es ebenso möglich scheint, dass Sessions – nachdem er über Monate hinweg Trumps Demütigungen still über sich ergehen ließ – es genießen könnte, einen juristischen Angriff auf den Präsidenten zu genehmigen.)
Während die US-Verfassung nur ziemlich vage Aussagen darüber macht, ob ein amtierender Präsident angeklagt werden kann, haben Anwälte des Justizministeriums wiederholt argumentiert, dass das US-Recht ebendies verbieten würde. Im Jahr 1973, zu Zeiten der Nixon-Regierung, kam das Justizministerium „zu dem Schluss, dass die Anklage und die strafrechtliche Verfolgung eines amtierenden Präsidenten die Fähigkeit der Exekutive, ihre verfassungsgemäßen Aufgaben zu erfüllen, und damit die verfassungsmäßige Gewaltenteilung verletzen würde.“, heißt es in einem Memo des Justizministeriums aus dem Jahre 2000 zum Ende der Clinton-Administration. Fast drei Jahrzehnte nach der Watergate-Affäre bekräftigte das 2000er Memo die frühere Entscheidung des Ministeriums: „Kein Gericht hat sich je direkt mit dieser Frage befasst, die Präzedenzfälle, die die fortbestehende Gültigkeit unserer Analyse betreffen, stimmen jedoch sowohl mit unserem analytischen Ansatz als auch mit unseren Schlussfolgerungen überein. Unserer Ansicht nach ist ein amtierender Präsident verfassungsrechtlich immun gegen Anklage und Strafverfolgung.“
Wenn Sessions und das Justizministerium die New Yorker Staatsanwälte daran hindern, Trump zu verfolgen – was passiert dann als nächstes? Werden die Informationen im Rahmen eines Impeachment-Verfahrens an den Kongress weitergeleitet? Falls die Demokraten bei den Zwischenwahlen in diesem Herbst das Repräsentantenhaus zurückerobern, werden sie bereit sein, Anklage zu erheben, obwohl sie wissen, dass ihnen im Senat fast sicher die Stimmen fehlen werden, um eine Verurteilung zu erwirken?
Was wir sicher wissen ist, dass der Weg einer möglichen Strafverfolgung und Inhaftierung des Präsidenten der Vereinigten Staaten jetzt geebnet ist. Wie diese Angelegenheit gehandhabt wird, wird der Lackmustest für das amerikanische Regierungssystem sein.
Translated by JusticeNow! with permission from The Intercept.
Die Freiheitsliebe sends the best wishes to James Risen and to The Intercept staff and says THANK YOU! to everyone involved for their great job – connect critical journalism worldwide!
James Risen ist zweifacher Pulitzerpreisträger und Autor mehrerer Bücher. 2004 berichtete er als erster Journalist über den systematischen Einsatz des Waterboardings durch das US-Militär. Ebenfalls 2004 deckte er – gut ein Jahrzehnt vor Edward Snowden – die umfassenden NSA-Überwachungsprogramme von US-Bürgern auf. Über seine kritische Berichterstattung im Vorfeld des Irakkriegs 2003 wurde er von der New York Times gefeuert und schreibt mittlerweile als Sicherheits-Korrespondent für The Intercept.