Saudi-Emirate-Koalition tötet 29 Kinder durch Luftangriff auf Schulbus im Jemen

Am Donnerstag bombardierte die Saudi-Emirate-Koalition in der Stadt Dahyan in der Sa’da-Provinz im Norden des Jemen einen Schulbus voller Kinder. 50 Menschen starben, 29 Kinder darunter, 77 weitere wurden verletzt.

Die von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten geführte und massiv vom Westen unterstützte Kriegskoalition aus neun Staaten bombardierte am Donnerstag einen Schulbus und tötete dabei mindestens 29 Kinder, die alle unter 15 Jahre alt waren, die Mehrheit gar unter zehn Jahren, wie das Internationale Rote Kreuz über seinen offiziellen Twitter-Account berichtete. Der Luftangriff ereignete sich am Donnerstagmorgen in unmittelbarer Nähe eines gutbesuchten Marktplatzes in der Stadt Dahyan in der Sa’da-Provinz im Norden des Jemen nahe der Grenze zu Saudi-Arabien.

Ein Junge in einem Camp für Binnenflüchtlinge im Nordjemen isst einen „Plumpynut“, ein Erdnuss-basiertes Powerfood, das UNICEF zur Bekämpfung von Hungersnöten einsetzt. By IRIN Photos, Flickr, licensed under CC BY-NC-ND 2.0.

Sa’da ist die Hochburg der Houthi-Rebellen, die ab 2014 große Teile des Landes eroberten und den illegitimen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi unter Hausarrest setzten, der später nach Saudi-Arabien floh. Im März 2015 begann eine Koalition unter Führung der Saudis sowie der Emirate mit der Bombardierung des Jemen mit dem Ziel, die Houthis zurück in den Norden zu drängen und den Saudi-hörigen Hadi wieder an die Macht zu bringen. Die Folge der erbarmungslosen Bombardierung des ärmsten Lands der Arabischen Welt ist die laut UN „größte humanitäre Katastrophe der Welt“. Kriegsbedingt wütet eine historische Hungerskatastrophe im Land, acht Millionen Menschen sind akut vom Hungertod bedroht, 22 Millionen – drei Viertel der Bevölkerung – auf Hilfslieferungen angewiesen. Es herrscht die größte Choleraepidemie in der Geschichte der modernen Aufzeichnungen.

Ein „legitimer Militäreinsatz“?

Der gestern von der Saudi-Emirate-Koalition bombardierte Schulbus war von einem Sommerferienlager auf dem Weg zu einer Moschee, als die tödliche Rakete einschlug, die den Bus in der Folge komplett ausbrennen ließ.

Das Rote Kreuz sprach zunächst von „Dutzenden Toten und Verletzten“ und konkretisierte in einem späteren Tweet, dass in einem vom Roten Kreuz unterstützten Krankenhaus in Sa’da 29 Kinderleichen eingeliefert wurden, sowie 48 Verletzte, darunter wiederum 30 Kinder. Im Internet kursieren grauenhafte Bilder und Videos verkohlter oder blutüberströmter Kinder. Johannes Bruwer, der Jemen-Chef des Roten Kreuz, nannte später unter Berufung auf das jemenitische Gesundheitsministerium die Gesamtopferzahlen von mindestens 50 Toten und 77 Verletzten.

Nasser Arrabyee, ein jemenitischer Journalist mit Sitz in der Hauptstadt Sanaa, befürchtet, dass aufgrund des prekären Zustands der Gesundheitseinrichtungen in der abgelegenen Sa’da-Provinz die Behandlung aller Verletzten unmöglich sein wird und die Opferzahlen noch steigen werden: „Viele der Verwundeten werden wahrscheinlich sterben, weil es keine Behandlung für sie gibt, keine Medizin.“

Ein offizielles Statement der Saudi-Emirate-Koalition räumte den Luftschlag zwar ein, behauptete jedoch, als Vergeltung eines Raketenbeschusses der Houthis auf saudisches Territorium „Raketenwerfer“ der Houthi-Rebellen angegriffen zu haben und spricht von einem „legitimen Militäreinsatz“. „Nein, da waren keine Kinder in dem Bus“, erklärt der Pressesprecher der Koalition, Colonel Turki al-Malki. „Wir haben höchste Standards für das Targeting unserer Ziele (sic!).“ Der Luftangriff „wurde unter Einhaltung des Völkerrechts sowie des internationalen Kriegsrechts durchgeführt“, so der Sprecher weiter.

Nasser Arrabyee, der jemenitische Journalist, berichtet hingegen, in der Nähe des Marktes hätten sich keine Houthi-Kämpfer befunden: „Es ist wohlbekannt, dass es sich bei dem Ort um einen Markplatz handelt. Es gibt keine militärischen Anlagen in der Nähe.“, zitiert Al Jazeera den Journalisten vor Ort. „Selbst Ersthelfer wurden getötet“, fügt Arrabyee hinzu. „[Ihre] Körperteile waren überall verstreut“. Die Beschreibung des Journalisten spiegelt eine perfide Taktik wider, die die Saudi-Emirate-Koalition im Jemen wiederholt einsetzte und von Drohnenschlägen der USA in Pakistan kopiert hat: Bei der sogenannten „double tap“-Taktik wird in einem staatsterroristischen Akt kurz nach der ersten Ladung Bomben eine zweite abgeworfen, um Überlebende und herbeieilende Helfer ebenfalls zu töten.

Ein junges Mädchen in Sana’a, der Hauptstadt des Jemen. By Rod Waddington, Flickr, licensed under CC BY-SA 2.0 (edited by JusticeNow!).

„NO Excuses anymore!“

UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte die Angriffe der Saudi-Emirate-Koalition und forderte eine „sofortige und unabhängige Untersuchung“ der Vorfälle. Auch Meritxell Relaño, die Jemen-Gesandte des Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen, zeigt sich fassungslos: „Ich habe keine Worte mehr. Wie konnte das ein militärisches Ziel sein? Warum werden Kinder getötet?“

„NO Excuses anymore!“, verurteilt auch Geert Cappelaere, der UNICEF-Regionaldirektor für den Nahen Osten und Nordafrika via Twitter die Angriffe aufs Schärfste. „Braucht die Welt wirklich noch mehr unschuldige Kinderleben, um den grausamen Krieg gegen die Kinder des Jemen zu stoppen?“

UNICEF-Chefin Henrietta H. Fore impliziert neben den Verantwortlichen der Saudi-Emirate-Koalition hingegen auch andere mächtige Akteure, die es in der Hand hätten, die Barbarei im Jemen zu beenden: „Zugunsten der jemenitischen Kinder [sollten] die Konfliktparteien und diejenigen, die Einfluss auf sie haben, einschließlich der Mitglieder des UN-Sicherheitsrates, diese Katastrophe stoppen.“ (Hervorhebung JusticeNow!).

Die Mitglieder des UN-Sicherheitsrats: USA, Großbritannien, Frankreich.

Ohne Support des Westens gäbe es den Krieg im Jemen nicht

Es gilt als Binsenweisheit des Jemen-Kriegs, dass der Krieg morgen beendet wäre, würden die USA und ihre westlichen Partner heute ihre Unterstützung der Saudi-Emirate-Koalition einstellen – im wahrsten Sinne des Wortes. Neben Bereitstellung von Geheimdienstinformationen und Zielkoordinaten, logistischer Unterstützung, militärischer Ausbildung sowie der Luftbetankungen der Koalitions-Jets durch die U.S. Air Force – ohne die der Luftkrieg über die riesigen Wüsten der Arabischen Halbinsel hinweg schlicht unmöglich wären – sind es in erster Linie die Waffenlieferungen der USA, die den Krieg am Laufen halten. Friedensnobelpreisträger Obama verkaufte den Saudis Rüstungsgüter in Höhe von 115 Milliarden Dollar, Donald Trump zog nach nur wenigen Wochen im Amt gleich und vereinbarte Rüstungsdeals im Wert von 110 Milliarden Dollar.

In den drei Jahren des Jemen-Kriegs (2015-2017) stammten zwei Drittel der Waffenlieferungen an die beiden Köpfe der Kriegskoalition aus den USA, 15 Prozent aus Großbritannien und sechs Prozent aus Frankreich, sowie je 1-2 Prozent aus sieben weiteren Ländern (vom Autor berechnet nach SIPRI-Daten). Bis auf die Türkei sind all diese Länder Teil der „westlichen Wertegemeinschaft“. Bis auf die Schweiz sind alle in der NATO.

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Der Westen gibt der Saudi-Emirate-Koalition die Mittel in die Hand, im Jemen einen genozidalen Bombenkrieg zu führen und macht sich damit zum Komplizen abscheulichster Kriegsverbrechen wie jenes gestern.

Das Massaker auf den Schulbus stellt im Krieg der Saudi-Emirate-Koalition keineswegs die Ausnahme, sondern die Regel dar. Erst vergangene Woche wurden bei Bombenangriffen auf das Al Thawra Hospital sowie einen Fischerhafen in Hodeida 55 Zivilisten getötet sowie 124 weitere teils verletzt. Im Laufe des dreieinhalbjährigen Krieges wurden Angriffe auf Schulen, Krankenhäuser, Kraftwerke, Marktplätze, Moscheen, Flüchtlingslager, Lebensmittelfabriken, Stromnetze, Wasserwerke, Wohnviertel, Weltkulturerbestätten, Brücken, Beerdigungen, Hochzeiten, Häfen, Hotels, Häuserblocks, eine Geflügelfarm, ein Flüchtlingsboot und eine Blindenschule wohl dokumentiert.

Neben den neun Ländern der Saudi-Emirate-Koalition selbst ist es dringend geboten, die Regierungen in den USA, Großbritannien, Frankreich, der Türkei, Italien, Deutschland, Spanien, den Niederlanden, Kanada, der Schweiz, Australien sowie die Führung der NATO für ihre fortbestehende Unterstützung der Koalition vor nationalen und internationalen Gerichten als Kriegsverbrecher anzuklagen.

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