Täter des Sivas-Massakers in Deutschland

Am 2. Juli 1993 haben islamistische Täter einen pogromartigen Brandanschlag verübt, bei dem 33 Menschen getötet wurden, die zu einem alevitischen Kulturfestival in Sivas (Türkei) zusammenkamen. Einiger der, in der Türkei verurteilten, islamistischen Täter sind nach Deutschland geflüchtet und sind so ihrer Haftstrafe entkommen. Diese gewaltbereiten Islamisten fühlen sich in Deutschland sicher, obwohl sie eigentlich auch hier verurteilt werden könnten, wie auch der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages festgestellt hat.

Als Bundestagsabgeordnete mit kurdisch-alevitischen Hintergrund ist es für mich sehr wichtig dieses Massaker vollständig aufzuklären. Dazu gehört auch die Bestrafung der Täter. Als Bundestagsabgeordnete möchte ich einen Beitrag dazu leisten. Deshalb haben wir, DIE LINKE Bundestagsfraktion, die Bundesregierung zum Aufenthalt von verurteilten islamistischen Tätern des Sivas-Massakers in Deutschland befragt. Anhand der Antworten kann man darauf schließen, dass die Bundesregierung kein großes Interesse hat Informationen zu den Tätern offen zu legen. Jedoch können wir trotzdem einige weitere Schlüsse aus den Antworten ziehen.

Anzahl der Täter in Deutschland


Ein Unterschied zur letzten parlamentarischen Initiative zu diesem Thema im Jahre 2013: Jetzt antwortet die Bundesregierung, selbst auf die Frage wie viele der Täter hier leben, mit: „Der Bundesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor.“ Das Bundesinnenministerium gibt somit zu, dass sie keine Kontrolle über diese hier lebenden verurteilten islamistischen Täter hat. Selbst ohne ein Ministerium, Geheimdienstorganisation oder Polizei dahinter, haben zivilgesellschaftliche Akteure mehr Erkenntnisse über diese gefährlichen Täter, als die Bundesregierung.

In den Kleinen Anfragen der Fraktion DIE LINKE auf Bundestagsdrucksachen 16/784 und 16/2229 (Jahr 2006) wurde bereits nach einer möglichen Auslieferung von verurteilten Tätern des Sivas-Massakers, die in der Bundesrepublik Deutschland leben, an die Türkei gefragt. Auf Bundestagsdrucksache 16/2324 (Jahr 2006) hat die Bundesregierung erklärt, dass insgesamt 24 Personen namentlich bekannt sind, die „angeblich am Brandanschlag von Sivas am 2. Juli 1993 beteiligt gewesen sind und die sich in der Bundesrepublik Deutschland erwiesenermaßen oder möglicherweise aufhalten oder aufgehalten haben“ und sich von diesen Personen noch elf in Deutschland aufhalten. Später hat die Bundesregierung in der Bundestagsdrucksache 17/7766 (Jahr 2011) mitgeteilt, dass ihr neun der Täter namentlich bekannt sind, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten. Laut der Antwort auf unsere neueste Kleine Anfrage dazu soll sich daran nichts geändert haben (Bundestagsdrucksache 19/9513). Wir können also festhalten: In Deutschland leben aktuell insgesamt neun Täter des Sivas-Massakers.

Neues Auslieferungsersuchen

Die Bundesregierung hat auf unsere Fragen nach dem Stand von Auslieferungsersuchen mitgeteilt, dass nach ihren Erkenntnissen ein neues Auslieferungsersuchen hinzugekommen sei. Über dieses Auslieferungsersuchen sei noch nicht entschieden. Das heißt: Die türkischen Behörden haben von den deutschen Behörden beantragt, dass einer der Täter an die Türkei ausgeliefert werden soll. Die Entscheidung zu diesem Auslieferungsantrag sollte bald fallen. Nach anderen Quellen, soll es sich bei diesem Auslieferungsersuchen um den Täter Murat Songur handeln.
Aus vergangenen Auslieferungsersuchen wissen wir allerdings, wie unzureichend die türkischen Behörden ihre Anträge stellen, wenn es um diese islamistischen Täter geht. Leider sehen wir aber auch keine großen Bemühungen von deutscher Seite aus, die Sache voran zu bringen. So konnten wir in der Vergangenheit sehen, dass zu den bisherigen Verfahren in Deutschland nicht mal die Vertreter vom BAMF erschienen sind, während sie bei Verfahren zu Abschiebungen von politisch linksgerichteten keinen Termin verpassen und sich eher aktiv für die Abschiebungen einsetzen.
Ob diese Täter ihre Strafen wirklich absitzen müssten, wenn sie der, unter Erdoğans Herrschaft  stehenden, Türkei ausgeliefert werden ist zu bezweifeln. Denn unzählige Beispiele zeigen, dass die Türkei aktuell keine unabhängige Justiz hat.

Die Bundesregierung ignoriert die Gefahr durch diese islamistischen Täter

Einer der Täter, Muhammed Nuh Kılıç, hat in Mannheim, einer türkischen Tageszeitung gegenüber das Massaker regelrecht verteidigt.[1] Dies zeigt, dass von diesen islamistischen Tätern weiterhin eine Gefahr besteht und so ein Massaker erneut passieren könnte. Die Bundesregierung handelt hier nach dem Motto „nichts sehen, nichts hören, nichts sagen“.

Selbst wenn die Bundesregierung keine Erkenntnisse darüber hat, wie sie es in ihrer Antwort auf unsere Kleine Anfrage äußert, sind uns alle in Deutschland lebenden Täter namentlich bekannt. Beispielsweise ist auch die Adresse eines Täters bekannt. Er wohnt in derselben deutschen Stadt, in der auch Familienangehörige eines in Sivas ermordeten Künstlers wohnen. In der Antwort auf unsere Kleine Anfrage teilt die Bundesregierung mit, dass es keinen besonderen Schutz für Opfer-Angehörige in Deutschland gibt.

Was macht der deutsche Inlandsgeheimdienst?

Dem Bundesinnenministerium untersteht das Bundesamt für Verfassungsschutz (kurz BfV, deutscher Inlandsgeheimdienst). Häufig werden einige Teile von Kleinen Anfragen aus nachrichtendienstlichen Erkenntnissen vom Inlandsgeheimdienst, mit dem Verweis – Verschlusssache, nur für Dienstzwecke – beantwortet. Bei dieser Kleinen Anfrage gibt es keinen entsprechenden Verweis. Die Antworten auf die Kleine Anfrage zeigen einmal mehr, dass das BfV überflüssig ist. Sie haben weder Erkenntnisse, noch sind sie in der Lage z. B. eine einfache Abfrage über das Ausländerzentralregister zu machen, um die Staatsangehörigkeit herauszufinden. Oder sie hat bewusst das Auskunftsrecht von Abgeordneten verletzt, indem sie uns Erkenntnisse vorenthalten hat.

Der Fall des Täters Murat Songur ist sehr interessant. Jedes Mal wenn seine Adresse ermittelt und bei der Staatsanwaltschaft eingereicht wird, konnte er unbekannt – innerhalb eines Tages – verziehen und das ganze Prozedere hat sich innerhalb von einem Monat fünfmal wiederholt![2] Es ist eindeutig, dass er von staatlichen Behörden unterstützt wird. Unglaublich, dass die Bundesregierung hierüber keine Erkenntnisse hat! Falls Murat Songur nicht durch den deutschen Staat beschützt wird, dann etwa durch den türkischen Geheimdienst? Wenn dem so ist, sind unsere Behörden etwa ohnmächtig gegenüber dem türkischen Geheimdienst?

Sind verurteilte islamistische Täter in Deutschland willkommen?

Die Täter konnten damals ohne Probleme über Flughafenkontrollen aus der Türkei ausreisen. In Deutschland konnten sich die Täter sicher fühlen. Ihnen wurden teilweise Ehen arrangiert, wodurch sie einen besseren Aufenthaltsstatus erhielten. Wie aus vorherigen parlamentarischen Anfragen bekannt wurde, haben zwei der Täter Einbürgerungsanträge gestellt. Während z.B. friedlichen kurdischen Aktivisten, die gegen den IS demonstrieren, Einbürgerungen aufgrund von Extremismusverdacht verweigert werden, konnte mindestens einer dieser bereits verurteilten, islamistischen Täter ohne Bedenken eingebürgert werden.

Das sehr aktive Engagement des Auswärtigen Amtes, als der in Berlin-Mitte wohnhafte Täter Vahit Kaynar 2011 in Polen festgenommen wurde und kurz vor seiner Auslieferung in die Türkei stand, war sehr auffällig. Durch den außerordentlichen Einsatz des Auswärtigen Amtes wurde Kaynar nach Deutschland zurückgeholt. Bei linken Türkeistämmigen Aktivisten, die vor einer Ausweisung in die Türkei stehen, vermissen wir dieses außerordentliche Engagement des Auswärtigen Amtes.

Aufgrund solcher Vorfälle hat sich nicht nur für uns die Frage gestellt, ob einige dieser Täter als V-Leute oder Informanten eingesetzt und vor rechtlichen Folgen aktiv geschützt werden.

Ausblick
Wir werden weiterhin an der Sache dranbleiben und bereiten aktuell weitere parlamentarische Initiativen vor. Abgesehen davon müssen weiterhin alle rechtlichen Mittel voll ausgeschöpft werden, in Deutschland, der Türkei und auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Spätestens wenn ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte folgt, wird endlich ein Gericht bestätigen, dass es ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist.


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[1] http://www.hurriyet.com.tr/gundem/davamiz-nesin-ve-alevilerdi-38755067

[2] https://www.avrupa-postasi.com/gundem/sivas-katliaminin-bas-sanigi-sonkur-u-almanya-mi-koruyor-h103564.html

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Eine Antwort

  1. Guter Artikel, wo das Ganze seit langem eine Staatsschweinerei ist, das die berüchtigsten Verbrecher Clan Chef, ohne klare identität den Deutschen Pass erhielten, wie Drogen Verbrecher Clans aus Albanien, bis zu allen möglichen Terroristen

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