Die Klage soll das Ende der unilateralen US-Sanktionen erwirken, die Donald Trump gegen den Iran – insbesondere dessen Ölexportwirtschaft – verhängt hat, nachdem er im Mai aus dem Iran-Nuklearabkommen ausstieg.
Die iranische Regierung reichte beim Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag wegen der Wiedereinsetzung von Sanktionen gegen den Iran Klage gegen die Trump-Administration ein, berichten am Dienstag der IGH sowie das iranische Außenministerium. Mit dem Austritt aus dem von Trumps Vorgänger Obama mit dem Iran und sechs weiteren Parteien verhandelten Iran-Nuklearabkommen brach die Trump-Regierung das Völkerrecht sowie ein 1955 zwischen den USA und dem Iran abgeschlossenen Vertrag, das Treaty of Amity, so die iranische Regierung in ihrer Klageschrift.
Zerbricht der Iran-Deal?
Unter dem 2015 geschlossenen Iran-Deal wurde das iranische Programm zur zivilen Nutzung der Kernenergie drastisch beschnitten: die Zahl normaler Zentrifugen wurde auf weniger als ein Drittel reduziert, die der fortgeschrittenen Zentrifugen in Gänze gestrichen. Die landesweiten Maximalbestände schwachangereicherten Urans wurden um 96 Prozent reduziert, die des mediumangereicherten Urans in Gänze gestrichen. Im Gegenzug wurden Sanktionen gegen den Iran gelockert und der Handel mit der Islamischen Republik zumindest in der Theorie wieder möglich gemacht.
Der Iran-Deal gilt als wegweisendes Abkommen, das Verhandlungen an Stelle von Krieg setzt. Irans Präsident Rouhani nannte ihn „ein Modell für internationale Beziehungen“, ich selbst bezeichnete den Deal als „Blaupause für friedliche, lösungsorientierte Diplomatie“ im 21. Jahrhundert – und selbst die kriegstreiberischsten Falken in der US- und gar der israelischen Regierung stehen hinter dem Iran-Deal, aus dem einfachen Grund: er funktioniert vorbildlich.
Mit seinem im Mai verkündeten unilateralen Rücktritt aus dem Abkommen gefährdete Trump das Fortbestehen des Deals und setzte das ehemals mit den USA verbündete Europa unter Druck, den Iran für das Wegfallen der USA mit neuen euro-iranischen Investitionen und Geschäften zu kompensieren. Neben dem aus Angst vor US-Sekundärsanktion angekündigten (oder angedrohten) Rücktritt aus dem Iran-Geschäft einiger europäischer Schwergewichte – etwa Boeing, Total, Siemens, Peugeot – ist vor allem Trumps jüngst ausgesprochene illegale Drohung, sämtliche Länder der Welt mit Sanktionen zu belegen, sollten diese nach dem 4. November noch iranisches Öl importieren, der Hauptgrund für ein sich anbahnendes Scheitern des Iran-Deals.
Nach einer diplomatischen Welttournee des iranischen Außenministers Javad Zarif und anderer Vertreter der iranischen Regierung durch China, Russland, Europa und andere Teile der Welt mit dem Ziel, bilaterale Handelbeziehungen an der US-Regierung vorbei zu sichern und neue zu etablieren, ist die am Dienstag beim Internationalen Gericht angenommene Klage gegen die USA ein weiterer Schritt Teherans, den Iran-Deal mit aller Kraft zu retten.
Ein Angriff gegen 80 Millionen Iraner
„Obwohl wir die Einzelheiten nicht kommentieren können,“ erklärt ein anonymer Mitarbeiter des US-Außenministeriums gegenüber Reuters, „ist der Antrag Irans haltlos und wir beabsichtigen, die Vereinigten Staaten vor dem IGH energisch zu verteidigen“.
Der Internationale Gerichtshof (IGH) mit Sitz in Den Haag ist das höchste Rechtssprechungsorgan der Vereinten Nationen und wird daher auch Weltgerichtshof genannt. Er kümmert sich um Völkerrechtsverstöße begangen von Staaten an anderen Staaten.
Die Klageschrift fordert die USA auf, „sämtliche Aussagen und Handlungen einzustellen, die US-amerikanische und nicht-US-amerikanische Personen und Organisationen davon abhalten würden, sich [im Iran] wirtschaftlich zu engagieren“, und warnt vor einem „realen und drohenden Risiko von irreparablen Vorurteilen“ gegenüber dem Land und seiner Wirtschaft, wie iranische Medien berichten.
Teheran erbetet den Gerichtshof weiterhin, die USA aufzufordern, die Sanktionen gegen den Iran vorläufig aufzuheben, um deren Rechtmäßigkeit anschließend im Detail zu klären. Es geht in erster Linie um die von Washington beschlossenen Forderungen an sämtliche Länder dieser Welt, bis zum 4. November iranische Ölimporte auf Zero herunterzufahren und Teheran so um seine wichtigste Einnahmequelle zu bringen und international zu isolieren
Angesichts der Tatsache, dass China der mit Abstand größte Importeur iranischen Öls ist und mit Indien und der Türkei auf Platz 2 und 4 der Importeure Länder stehen, die ebenfalls nicht unbedingt unter Washingtons Fuchtel stehen, ist dieser Plan ohnehin zum Scheitern verurteilt und treibt vielmehr die internationale Isolation der Trump-Administration weiter voran.
Dennoch werden die iranischen Ölexporte signifikant zurückgehen, was gewiss nicht die Regierung in Teheran, sondern die 80 Millionen Menschen überall im Land schmerzlich treffen wird. Gegen diesen Angriff auf die iranische Bevölkerung versucht Teheran, sich mit seiner Klage in Den Haag zu wehren.
Trump bricht das Völkerrecht
Bereits am Montag verkündete Irans Außenminister Javad Zarif auf Twitter, der Iran habe soeben die Klage beim IGH eingereicht. Die USA müssten „wegen der gesetzeswidrigen Wiedereinführung unilateraler Sanktionen zur Rechenschaft gezogen werden“, so Zarif. „Angesichts der Verachtung der USA für Diplomatie und rechtliche Verpflichtungen ist der Iran der Rechtsstaatlichkeit verpflichtet.“, so Zarif weiter.
Today Iran filed a complaint @CIJ_ICJ to hold US accountable for its unlawful re-imposition of unilateral sanctions. Iran is committed to the rule of law in the face of US contempt for diplomacy & legal obligations. It’s imperative to counter its habit of violating int’l law.
— Javad Zarif (@JZarif) 16. Juli 2018
Zarifs Vorwurf, die USA habe „internationales Recht verletzt“, ist vollkommen zutreffend: Denn nicht nur ist der Iran-Deal kein bilaterales US-Iran-Abkommen – der Eindruck entsteht, wenn Trump über den Deal redet – sondern hat insgesamt acht Vertragspartner, China, Deutschland, die EU, Frankreich, Großbritannien, der Iran, Russland und die USA, und wurde vielmehr international bindendes Recht aller 194 Länder dieser Welt, indem er in der UN-Resolution 2231 verankert wurde und somit vom UN-Sicherheitsrat höchste völkerrechtliche Rückendeckung erhielt.
Als Trump im Mai die US-Unterschrift unter dem Deal zurückzog, brach er das Völkerrecht. Als Trump daraufhin neue Sanktionen gegen den Iran verhängte und forderte, iranische Ölimporte auf Zero zu drücken, brach er das Völkerrecht – und Washington muss sich nun vollkommen zu Recht vor dem höchsten internationalen Gericht verantworten.
Die Urteile des IGH sind zwar völkerrechtlich bindend, doch verfügt das Gericht über kein exekutives Mandat zur Durchsetzung seiner Urteile. Das Gewicht des IGH ist die weltweite Schmach für Staaten, als Völkerrechtsverletzer gebrandmarkt zu werden – eine Kombination aus juristischer Verurteilung und internationaler moralischer Ächtung.
Die jüngsten Entwicklungen des Streits zwischen Teheran und Washington dokumentieren einmal mehr den Zustand der Trump-induzierten Welt anno 2018: Der Iran – der „Schurkenstaat“ auf Washingtons „Achse des Bösen“ – geht den Weg des Völkerrechts, der Diplomatie und der wirtschaftlichen Kooperation zwischen den Ländern dieser Welt, während eine inkompetente, vom Hass auf den Iran zerfressene Administration im Weißen Haus den Weg des Macho-Unilateralismus und des ökonomischen Knebels geht und zusammen mit ihren iranhassenden Freunden in Tel Aviv und Riad jeden Tag am Krieg gegen den Iran arbeitet – ein Krieg, der die illegale US-UK-Invasion des Irak 2003 als kleinen Zwerg aussehen lassen würde.