Eine Million Frauen kämpften im Zweiten Weltkrieg in der Roten Armee gegen den Faschismus. Wenn überhaupt von ihnen berichtet wurde, dann in Form eines Heldenliedes. Erst in den Jahren der Perestroika wagte es eine Frau, diesen Mythen den Schleier vom Gesicht zu reißen. Swetlana Alixejewitsch sammelte in den frühen 1980er Jahren Erinnerungen ehemaliger sowjetischer Soldatinnen. Daraus entstanden eine mehrteilige Dokumentarfilmreihe – 1983 auf dem Leipziger Dok-Filmfestival mit der „Silbernen Taube“ ausgezeichnet – und ein zum Zeitpunkt seines Erscheinens bei manchen Lesern Schockstarre ausgelöst habendes Buch: „Der Krieg hat kein weibliches Gesicht“. In der Sowjetunion war es zunächst verboten, Alixejewitsch musste sich heftiger Attacken erwehren. In deutscher Übersetzung erschien der Band erstmals 1987 im Berliner Henschel-Verlag in der DDR. Die Autorin selbst wurde seit Ende der 1990er Jahre im Westen mit Ehrungen überhäuft – die Höhepunkte waren 2013 (Friedenspreis des deutschen Buchhandels) und 2015 (Nobelpreis für Literatur). Kenner ihres Werkes und Verehrer dieser aufrechten Autorin nahmen beides mit einem schalen Beigeschmack zur Kenntnis. Swetlana Alixejewitsch ließ sich allzu bereitwillig vom „Westen“ gegen Wladimir Putin und den Präsidenten von Belarus, Aljaksandr Lukaschenka, in Stellung bringen. Ihr Hauptwerk „Der Krieg hat kein weibliches Gesicht“ – vergleichbar nur noch mit Daniil Granins „Blockadebuch“ –, geriet dabei fast völlig in den Hintergrund.
Zumindest in Deutschland – von wegen „Friedenspreis“! – passt es auch nicht mehr in die Landschaft. In einer seltsamen Täterallianz versuchen seit einigen Jahren Verfechterinnen und Verfechter von Frauenrechten – denen man gerne pazifistische Grundeinstellungen attestieren möchte – und potenzielle Bellizisten Frauen in Uniform und unter Waffen der Öffentlichkeit als gesellschaftlichen Normalzustand zu suggerieren. Lügen wir uns nicht selbst in die Tasche! Ziel jeglicher militärischer Ausbildung ist es, den Soldaten im möglichst perfekten Gebrauch seiner Waffen zu drillen. Im Ernstfall hat er dies ohne individuelles Nachdenken – dafür dürfte in den allermeisten Fällen die Zeit fehlen – auf Befehl zu tun. Und schlussendlicher Zweck dieses Waffeneinsatzes ist es, den Gegner unschädlich zu machen, also ihn zu töten. Nichts anderes meinte Kurt Tucholsky mit seinem Text „Der bewachte Kriegsschauplatz“ aus dem Jahre 1931, der immer wieder die deutschen Gerichte beschäftigt, wenn sich einer unserer empfindsamen Militärs auf die Kragenbinde getreten fühlt.
Wer nun jungen Frauen ein Sturmgewehr oder einen Joystick mit dem Starterknopf einer Cruise Missile in die Hand drückt, macht mit ihnen nichts anderes als mit ihren männlichen Kameraden. Er befähigt sie zum Töten auf Befehl. Die gendermäßige Gleichbehandlung ist auf dem Gefechtsfeld selbstverständlich gesichert. Ein Bauchschuss wirkt bei Soldaten wie bei Soldatinnen keinesfalls unterschiedlich. Das ist jetzt mitnichten ein Ausfall eines zum Zynismus neigenden Blättchen-Schreibers, das ist inzwischen Realität auch in der deutschen Bundeswehr. Man sollte sich dabei nicht von der einigermaßen ins Lächerliche gezerrten Berichterstattung einiger „Qualitätsmedien“ über die Umstands-Uniformen für schwangere Soldatinnen oder die von unfreiwilliger Komik zeugenden Werbeplakate der Bundesmarine für Karrierechancen in der Truppe (junge Marine-Soldatin vor nicht einsatzfähigem U-Boot) irritieren lassen. Das Projekt läuft seit Jahren. 1994 – in jenem Jahr wurde Verena von Weymarn Generalärztin der Luftwaffe, somit Deutschlands erste Generalin – klagte Die Zeit: „Die Feminisierung des Militärs ist freundliches Tabu.“ Zwanzig Jahre später ließ ausgerechnet die Junge Freiheit einen Militärhistoriker der Hebräischen Universität Jerusalem die „Feminisierung“ der Bundeswehr als potenzielle Schwächung ihrer Kampfkraft beklagen.
In der Geschichte der kriegerischen Auseinandersetzungen dieser Welt zeigt sich immer wieder, dass diesen Übeln zunächst „akademisch“ der Weg bereitet wird – dann nehmen sich die jeweiligen öffentlichen „Meinungsmacher“ dieser Theoreme an und sorgen für eine entsprechende Konditionierung der eigentlich ihren Frieden liebenden Massen. Auch die militärischen Wissenschaften in Deutschland widmen sich inzwischen der „Feminisierung“ der Truppe. Bereits 2008 veröffentlichte das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr einen Forschungsbericht von Gerhard Kümmel mit dem poetischen Titel „Truppenbild mit Dame“. Übersehen wir einmal die bösartige Böll-Persiflage: Als Fazit versprach sich der Autor vom Ausbau der weiblichen Präsenz in der Truppe eine „gesteigerte Funktionalität und Effektivität“. 2014 wurde ebenfalls von Kümmel, jetzt im Auftrage des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam, eine Anschlussstudie „Truppenbild ohne Dame?“ vorgelegt. Kümmel registrierte im Vergleich zu seinen Vorgängerstudien zusammengefasst gesagt eine „Eintrübung des Integrationsklimas“ und beschwor wieder „Funktionalität und Effektivität“ der deutschen Armee. Ursula von der Leyen reagierte panisch und machte sich wie oben erwähnt zum medialen Gespött. Hier muss man sie allerdings – was schwer fällt – in Schutz nehmen. Mittlerweile „dienen“ beim Bund etwa 20.000 Soldatinnen, derzeit sind 400 von ihnen schwanger. Die Einführung von „Umstandsuniformen“ und Bundeswehrkindergärten hat also einen ernst zu nehmenden Hintergrund.
Nur: Wie macht man einer breiten Öffentlichkeit klar, dass der Krieg – pardon: ich meine natürlich die bewaffnete Friedenssicherung… – auch ein weibliches Gesicht zu tragen habe? Am besten mit Kultur natürlich, die lässt sich am wirkungsvollsten missbrauchen. Der Potsdamer Einrichtung untersteht praktischerweise „truppendienstlich“ das Militärhistorische Museum der Bundeswehr in Dresden. Und das leistet aktuell seinen verdienstvollen Beitrag in Sachen Feminisierung des Krieges mit einer Schau „Gewalt und Geschlecht“. Solche Ausstellungen haben zweierlei Vorteil: Man kann die Rekrutinnen und Rekruten scharenweise durchschleusen und ihnen anhand unwiderlegbarer Sachzeugnisse klar machen, dass Frauen schon immer „dazugehört“ haben. Und das beileibe nicht nur als Opfer! Zudem berichten in der Regel die Medien – das kann man entsprechend organisieren, wozu leistet man sich sonst Presseoffiziere – über solche Sonderschauen. Selbst kritische Presse ist eine gute Presse. Sie macht aufmerksam. Aber um zu heftige Kritik muss sich die Bundeswehr keine Sorgen machen. Selbst Autoren wie Arno Widmann, der sich für einen großen deutschen Schöngeist und Feuilletonisten hält und Blätter wie die Berliner Zeitung und die Frankfurter Rundschau bedient, sind ihr wohlgesonnen. Sein Fazit – auch im Blättchen nachlesbar –: Das sei eine Ausstellung, „die beim Denken hilft“. Und das sei nötig, denn die Bundeswehr wisse nicht, „was sie ist“. Aber auch Deutschland wisse nicht „wer es ist und wer es sein möchte.“ So ähnlich sagt das die Junge Freiheit auch. Und Leute wie Uwe Tellkamp, bevor ihnen die linken Meinungsdiktatoren den Mund verboten haben, sowieso.
„Deutschland selbst befindet sich in schmerzhaften Krämpfen“, sagt Widmann. Die Ausstellung sei „eine Einladung dazu, uns darüber klar zu werden“. Um es mit aller Deutlichkeit zu sagen: Ich habe keinen Bock darauf, mir von Militärwissenschaftlern und ihren Soldschreibern, die naturalmente das Lied dessen singen, wessen Brot sie essen, einreden zu lassen, dass sich mein Land „in schmerzhaften Krämpfen“ befinde! Es hat Probleme, zugegeben. Aber vom Widmannschen Befund ist es noch meilenweit entfernt! Mein Land hat noch genügend Widerstandskräfte, um solchen Krampfanfällen wirkungsvoll zu begegnen. Die heftige Gegenwehr zum Berliner AfD-Aufmarsch am vorletzten Wochenende mag da nur ein Beleg sein, den auch Arno Widmann zur Kenntnis nehmen sollte. Der beruft sich für seinen Befund allerdings lieber auf einen Eintrag aus dem Besucherbuch des Museums aus dem Jahre 2011. Ein junger Mann namens Ricardo hatte seine ganze Hilflosigkeit eingetragen. Sein „Schatzi Jasi“ spielte offenbar mit dem Gedanken, zur Bundeswehr gehen zu wollen. Und Ricardo hatte berechtigterweise Angst um seine Liebste. Widmann zitiert und spekuliert: Wurde Jasi nun Friseuse, Unternehmensberaterin oder ging sie doch zur Bundeswehr… Unternehmensberaterin! Wo lebt der Mann eigentlich? Und warum kommt er nicht auf die naheliegendste Idee, die es für junge Liebende nur geben kann: „Leute haltet Eure Freundin davon ab, diesen Schritt zu tun. Auch für sie liegt ein Leichensack bereit. Wollt ihr den wirklich riskieren?“ Stattdessen schwadroniert dieser Schreiber darüber, wer so „alles Soldat war in der Geschichte“. Auch Frauen! Klar doch… Und belehrt uns darüber, was eigentlich Aufklärung sei: „Über die Sinne in den Verstand und […] dann geht es wieder vom Verstand in die Sinne.“ Manchmal geht der Verstand auch in die Hose. Immanuel Kant sagte das anders, und er meinte das auch anders. Ich lege dem Kollegen Widmann dessen Schrift „Zum ewigen Frieden“ ans Herz. Kant äußert sich darin auch zum mörderischen Krebsschaden, den der Soldatenberuf jeder Gesellschaft bereitet. Egal welchen Geschlechts.
Dieser Beitrag ist eine Übernahme aus der soeben erschienenen neuesten Ausgabe von „Das Blättchen – Zweiwochenschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft“. Die komplette Ausgabe kann auf der Website www.das-blaettchen.de kostenfrei eingesehen werden. Allerdings haben auch nicht-kommerzielle Projekte Kosten. Daher helfen Soli-Abos zum Bezug als PDF (hier klicken) oder in einem eBook-Format (hier klicken) dem Redaktionsteam bei der Lösung dieser Frage. Ein Beitrag von Günter Hayn.