60 Jahre Römische Verträge – Die EU kämpft ums Überleben

In diesen Tagen feiert die Europäische Union (EU) mit den Römischen Verträgen von 1957 ein großes Jubiläum. Zu feiern gibt es aber im Europa 60 Jahre später nicht mehr so viel. Der Brexit war nicht nur für die herrschende Elite in Brüssel ein großer Schock, er zeigte auch, wie wenig selbstverständlich ein Staatenbund wie die EU ist, wie sehr nationale Interessen über europäisches Gemeinwohl dominieren, und dass das, was Europa damals vereinte, die Suche nach Frieden und Wohlstand, heute weiter weg als je zuvor ist. Mit der Frage, wie man mit geflüchteten Menschen umgeht, offenbarte sich das Projekt endgültig als fragil und in seiner aktuellen Form zum Scheitern verurteilt. Arte zeigte am Themenabend eine Dokumentation, die von den historischen und politischen Zusammenhängen, die diesen Kontinent „eins“ werden ließen, erzählt, mit all seinen Erfolgen und Fehlentwicklungen. 

Die Idee der europäischen Einigung war trotz jahrhundertealter kriegerischer Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Mächten in Europa, den beiden Weltkriegen, und dem Holocaust auch nach 1945 keine Selbstverständlichkeit. Der Kalte Krieg, dessen Grenzen mitten durch Europa verliefen und der die Welt immer wieder an den Rand eines erneuten „heißen“ direkt ausgetragenen Weltkrieges brachte, war einer der großen Hindernisse eines vereinten Europas. Britische Interessen waren selten kompatibel mit denen des gaullistischen Frankreichs, die kleinen Beneluxstaaten verfolgten mit der Einigung Frankreichs, Italiens, und Deutschlands auch eine Strategie des Selbstschutzes vor den übermächtigen Nachbarstaaten. Das geteilte Deutschland wiederum sehnte nach internationaler Anerkennung und die Vereinigten Staaten etablierten sich auch in Europa als die starke Wirtschafts- und Militärmacht, der ein stabiles und kooperatives Europa am Herzen lag. Natürlich spielte ein tiefverankertes Misstrauen der Amerikaner dem großen Gegenspieler, der „kommunistischen“ Sowjetunion, eine entscheidende Rolle bei ihrem Engagement, Europa möglichst nach Westen hin und den kapitalistischen Märkten offen zu gestalten, das gelang bei einem erheblichen Teil. Einerseits sorgte die wirtschaftliche und politische Zusammenarbeit ehemals verfeindeter Nationen nach einigen Jahrzehnten für Frieden und Wohlstand, durch die NATO-Erweiterung über die Bundesrepublik Deutschland und dann nach Osteuropa wurden auch militärstrategische Interessen gegenüber den Russen unbeirrt weiterverfolgt.

Europa, ein ehemals leuchtendes Friedensprojekt. Foto: Eric Fischer, licensed under CC BY 2.0, European detail map, via flickr.com

Die Arte-Dokumentation zum Themenabend Europa und die EU lässt HistorikerInnen und PolitikwissenschaftlerInnen zu Wort kommen, die Errungenschaften und fatale Fehler im Laufe seiner sechzigjährigen Geschichte erläutern, wie Banken-, Wirtschafts-, und Finanzkrisen beispielsweise Grundpfeiler des Gemeinschaftsprojektes unterhöhlt haben. Deregulierung der Märkte, Abbau von Sozialstaat, und damit Rechten auf Bildung, Gesundheit, und Soziales, sowie nationalistischer Abschottung wurden Kernpunkte vieler europäischer Regierungsprogramme, sodass sogar der wohlhabende europäische Kontinent heute unter verheerender Ungleichheit leidet. Der Neoliberalismus als das neue Gesicht des westlich-geprägten Kapitalismus brauchte ein vereintes Europa, das durch seinen gemeinsamen Markt die besten Voraussetzungen für ungebremstes Wachstum auf Kosten von Mensch und Umwelt bietet. Im Jahr 2017 zittert Brüssel vor allem vor den Rechtsextremen, die es geschafft haben, die Schwachstellen der EU aufzudecken und in den Startlöchern stehen. Die aufrechten und gewissenhaften europäischen Liberaldemokraten, die die ursprünglichen universalen, aber oft als rein europäische, bezeichneten Werte verteidigen, sind laut der deutschen Politologin Ulrike Guérot nun besonders gefordert. Ansonsten wird diese Union an „multiplen Organversagen“ sterben, warnt sie, denn in der aktuellen Form, agiert sie ohnehin nicht mehr im Geiste derer, die aus Europa wieder das machen wollen, was es sein soll: Ein Kontinent, der für echten Frieden und Wohlstand für alle eintritt, nicht nur einer eigennützigen neoliberalen Elite.

Die Dokumentation ist über den folgenden Link erreichbar: http://www.arte.tv/guide/de/069878-000-A/kampf-um-europa

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