Eine linke Fast(food) Analyse der Bayernwahl

Die Grünen sind die großen Gewinner der Bayernwahl, das ist soweit jedem klar. Doch warum konnte die andere linke Partei, die Linke, nicht von der Erosion der SPD im selben Ausmaß profitieren? Der Versuch einer Erklärung. Die folgende Analyse beziehungsweise Einschätzung kann nur ein Aufschlag sein.

Für die Wahl in Bayern waren wohl viele Themen und gesellschaftliche Entwicklungen ausschlaggebend. Eine CSU, die den Bogen in der Frage der Migration überspannte. Eine „angepasstere Linke“ Alternative als die Linke. Gesellschaftliche Mobilisierungen wie #HambiBleibt, #wirsindmehr und #Unteilbar. Trotzdem ist es interessant zu schauen, was laut Infratest dimap die vier wichtigsten Entscheidungsgründe für die Wahl in Bayern 2018 waren:

  1. Schul- und Bildungspolitik (52 Prozent)
  2. Schaffung bezahlbaren Wohnraums (51 Prozent)
  3. Umwelt- und Klimapolitik (49 Prozent)
  4. Asyl- und Flüchtlingspolitik (33 Prozent)

War vor wenigen Wochen das Thema Migration noch das entscheidende, scheint es sich zur Wahl zu den klassischen Landesthemen hin entwickelt zu haben. Doch wahlentscheidend kann es für die Grünen nicht gewesen sein. Mit nur 11 Prozent trauten weit aus weniger Menschen den Grünen zu, eine gute Schul- und Bildungspolitik zu machen, als SPD (19) und CSU (37). Spannender hingegen wird es, wenn wir uns die Kompetenz bei der Migrationspolitik anschauen: Hier stehen die Grünen auf Platz zwei mit 17 Prozent, direkt hinter der CSU. Hier darf man wohl mit Recht davon ausgehen, das keine Migrationspolitik im konservativen oder gar rechtspopulistischem Stil gemeint ist, sondern eine menschenfreundliche Asyl- und Migrationspolitik. Der Linken scheint man dies nicht zugetraut zu haben. Und dies wird wohl nur einer der Punkte sein, weshalb die Linke dieses Mal nicht als Wahloption erschien, obwohl sie in München mehrere große Proteste mit zehntausenden Menschen organisierte, ihr Ergebnis um 1,1 Prozent verbesserte und das Pflege-Volksbegehren maßgeblich nach vorne brachte. Der Versuch einer Erklärung.

Der Vorteil der „Etablierten“

Im Gegensatz zu den Grünen ist die Linkspartei nicht im Parlament vertreten. Das führt bei Wählerinnen und Wählern häufig zu der Frage, ob sie „ihre Stimme nicht verschenken“ würden, wenn sie eine „kleine Partei“ wählen. Ein Punkt, der sich wohl negativ auf die Wahl der Partei ausgewirkt haben wird. Zudem haben die Grünen aufgrund einer 28 Jahre längeren Geschichte mehr Mitglieder im Bundesland: 10.000 sind es bei den Grünen, 3.500 bei der Linken. Hier wird es noch Zeit brauchen, bis die Linkspartei in der Breite genauso gut verankert ist, wie es die Grünen sind. Wobei der Landesverband in den letzten 18 Monaten um knapp 1.000 Mitglieder gewachsen ist (vor allem junge Leute).

Wer ist die antirassistische Partei?

Die Grünen sind in vielen Bundesländern an Abschiebungen beteiligt und haben im Bundestag auch die ein oder andere Asylrechtsverschärfung mitgetragen. Doch das alles spielt keine Rolle, denn die Grünen treten nach außen hin in der Frage der Migration für eine menschliche Politik ein, ohne Widerworte von Partei- und Fraktionsfunktionären. Sie erscheint damit in der Öffentlichkeit als starke antirassistische Alternative. Bei der Linken verhält es sich genau andersherum: sie hat im Bundestag gegen jede Asylrechtsverschärfung gestimmt und ist in vielen antifaschistischen und antirassistischen Bündnissen organisiert. Doch in der Sprache nach außen vermittelt sich ein anderes Bild. Dort agitiert die Fraktionsvorsitzende offen gegen die Parteispitze zur Frage des Grenzregimes, spricht von Begrenzung der Zuwanderung und nimmt Worte wie „Gastrecht“ in den Mund. Für die Menschen ergibt das ein ambivalentes Bild. Schließlich ist für viele Sahra ein Inbegriff für die Linke. Wenn wir uns dann die vielen Hunderttausenden Menschen anschauen, die in diesem Sommer und Herbst auf die Straße gehen, um für Solidarität und gegen Rassismus zu protestieren, gibt die Linke kein gutes Bild ab. Dies kostet die Linke „credibility.“

Einigkeit vs. Streit

Die Grünen geben mit ihrem, auf Bundesebene, frischen Personal ein geschlossenes Bild nach außen. Zwar mag das daran liegen, dass die Grünen längst im Mainstream angekommen sind und sich über grundlegende Fragen nicht mehr stark von anderen Parteien unterscheiden, aber nach außenhin vermittelt es ein Bild, dass grundlegende Positionen wie Menschenrechte, Bürgerrechte usw. nicht zur Disposition stehen. Bei der Linken wird jedoch seit Monaten darüber debattiert, dass man zu sehr „Identitätspolitik“ gemacht hätte. Damit wird die Arbeit in vielen Bereichen wie Antirassismus, Antihomophobie und der Kampf für mehr demokratische Rechte in Frage gestellt. Das kommt bei den Wählerinnen und Wählern allem Anschein nach nicht gut an.

Unteilbar, Wirsindmehr & Co.

Während die Grünen bei allen großen Protesten dabei waren und diese supporteten, gab es aus der Linken immer wieder Kritik. Zuletzt von Wagenknecht an der 250.000 Menschen großen Demonstration #Unteilbar.

Soziale Frage vs. „Identitätspolitik“

Auch die Proteste am Hambacher Forst werden die Grünen noch einmal ordentlich hochgespült haben. Auch hier gab sie nach außen hin ein geschlossenes Bild ab, auch wenn sie 2016 den Beschluss, den Wald abzuholzen, mittrug. Dies spielte in der öffentlichen Debatte so gut wie keine Rolle. Die Linke muss bei den einigen der drängendsten gesellschaftlichen Themen, unter anderem Klimaschutz und Antirassismus, an ihrem Profil arbeiten und geschlossener nach außen treten. Harald Weinberg, Linken-Abgeordneter aus Franken (Bayern), fasst es so zusammen:

Was sehr irritiert, ist, dass wir in den aufkeimenden Bewegungen der letzten Jahre gut verankert waren, davon aber nicht oder kaum bei der LTW profitiert haben. Was ganz sicher auf den Prüfstand gehört, ist die thematische Engführung auf’s Soziale. Ganz offensichtlich waren andere Themen, vor allem wichtige Menschheitsfragen, wie Klimawandel, Umweltschutz, aber auch Kriegsfolgen weitaus wichtiger, als wir uns das vorgestellt haben. Das Volksbegehren zum Pflegenotstand war ein sehr gutes Instrument, um auf die Menschen zuzugehen, hat aber wohl in Bezug auf die Wahlentscheidung nicht die erhoffte Wirkung gezeigt. Das tut mir persönlich sehr leid. Betrachtet man die Wahlkampagne, dann erscheint sie mir zu nüchtern und zu brav gewesen zu sein, zu wenig radikal, provozierend und zu wenig emotional. Die Probleme stellen sich radikaler. Und deshalb müssen wir auch radikaler auf sie reagieren.

Harald Weinberg

Was folgt daraus?

Was die Linke meiner Meinung nach daraus ziehen muss, ist, dass Antirassismus, Menschenrechte & Co.  im Wahlkampf nicht schaden, ganz im Gegenteil, sie sind essentiell für eine erfolgreiche Linke. Die soziale Frage bzw. die Frage nach „Identitäten“ sind kein Entweder/Oder, sondern mit einem Und zu beantworten. Die Linke muss sich radikaler für einen Systemwechsel, für mehr Umweltschutz, gegen Sexismus und gegen Rassismus engagieren als bisher. Insbesondere die Fraktionsspitzen. Das führt zum nächsten Punkt: Parteipromis nützen nur dann, wenn sie die Partei stark machen und sie nicht zu allen möglichen Zeiten angreifen. Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine haben mit ihrer ständigen Debatte zur Migration das Thema nicht ad acta gelegt, sondern es am Köcheln gehalten. Vielmehr hätte die Linke und ihr Spitzenpersonal auf ihr Programm verweisen müssen und wie Jeremy Corbyn auf die Brexit-Frage reagieren müssen: „Ich tue das, was die Partei beschließt.“ Dann sind Galionsfiguren nützlich, ansonsten schaden sie nur und man müsste vielleicht über eine Neubesetzung der zwei wichtigsten Posten der Fraktion nachdenken. Hinzu kommt das bisher eher schlecht auf die Partei wirkende Aufstehen, was sicherlich nicht viele Leute von der Wahl der Linken überzeugt hat. Wobei letzteres nur eine Vermutung von mir ist.

Zudem muss sich die Partei, um nachhaltig zu wachsen, noch stärker in der Bevölkerung verankern und bei den Instrumenten ihrer Arbeit mehr von Labour und Co. lernen: mehr Haustürgespräche, mehr direkter Kontakt, mehr Einbindung in reale Bewegungen. Mit #ausgehetzt und #nopag und dem Volksentscheid zur Pflege geht sie dabei genau die richtigen Wege. Diese verbindende Klassenpolitik gilt es auszubauen, weitere fünf Jahre aus der außerparlamentarischen Opposition heraus. Oder wie Jörg Schindler, der Bundesgeschäftsführer der Partei es formulierte: „Auf der Straße beginnen die Machtoptionen.“

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2 Antworten

  1. Sorry, aber diese Analyse ist m.E. daneben. Die Grünen vertreten eben inzwischen das saturierte Bürgertum, dass sich um soziale Konflikte nicht scheren muss, da die Kinder auf eine Waldorfschule (mit Migrationsanteil < 5 Prozent) gehen und das Geld auch reicht, um mit dem SUV zum Bio-Supermarkt zu fahren. Diese Wählerschaft wird vom Ruf nach offenen Grenzen für alle nicht abgeschreckt. Die alleinerziehende Altenpflegerin, deren Interessen die LINKE vertreten müsste, hingegen schon, denn sie weiß, dass auf den Philippinen bereits ihre Billigkonkurrenz für den Einsatz in Deutschland ausgebildet wird.

    Alle wissen doch, dass Sahra in der LINKEN bei der Migrationsfrage eine Minderheitenposition vertritt, und daher ist die Schuldzuweisung an sie verfehlt. Eher könnte man argumentieren, dass die LINKE ihre eigene Anhängerschaft vergrault, wenn sie noch einen Tag vor den Wahlen bei einer Großdemo Seit an Seit mit denen marschiert, die für die sozialen Missstände im Land und übrigens auch durch westliche Imperialkriege für die Flucht von Millionen verantwortlich sind. So wird sie (zu recht?) als Teil des Establishments wahrgenommen, das allenfalls linke Rhetorik verbreitet, ohne wirklich etwas ändern zu wollen.

  2. Danke Du sprichts mir aus der Seele.
    Ich habe das erste mal in meinen Leben Linke gewählt und dafür auch aufgerufen. GRUND SPÄTER.
    Aber ich bin fast davon abgekommen wegen Aufstehen und Sahra’s aussagen und Abwehrhaltungen zu den Wirsindmehr und Unteilbar.
    Das es gerade in Bayern schwer ist die 5%Hürde zubrechen brauch ich Euch nicht erzählen, den die Besonderheit das diese für erst und zweitstimme gilt macht es doppelt so schwer. Deswegen sollte man es im Politikersprach sehen von 2,2% auf 3,3% bei fast 10% mehr Wahlbeteiligung ist ein Anfang um weiter zu machen.
    Ich bin noch nicht Mitglied, aber wenn der Mitgliederentscheidt zum BGE positiv verläuft und das BGE ins Grundsatzprogramm kommt, wird der Tag gekommen sein.
    Das ist auch der Hauptgrund warum ich jetzt Die Linke gewählt habe und dazu aufgerufen habe.
    Mit friedlichem und sonnigen Grüssen
    Karlo Petar Plazonic
    Vorsitzender der SKBBGE

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