Mstyslav Chernov/Unframe, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons

Die EU setzt ihr schmutziges Geschäft der Misshandlung von Migranten fort

Während sich die Medien und die politische Aufmerksamkeit oft auf die Todesfälle von Migranten konzentriert, die versucht hatten, die Meeresstreifen an den Grenzen Europas zu überqueren, ist das Bewusstsein dafür, was in Transitländern wie Niger, Ägypten, Tunesien und Libyen unter Anderem passiert, gering. Ein kürzlich veröffentlichter Bericht von IOM (Internationale Organisation für Migration), UNHCR (Hoher Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen) und dem Mixed Migration Centre (ein Zentrum für gemischte Migration) beschreibt eine äußerst düstere Lage für Menschen, die unterwegs sind und versuchen, Europa über den afrikanischen Kontinent zu erreichen. Der Bericht denunziert die „unvorstellbaren Schrecken“ der Flüchtlinge; darunter „Tod, Sexuelle- und Geschlechtsspezifische Gewalt, Folter und körperliche Gewalt, Entführung zum Verlangen von Lösegelds, Menschenhandel, Raub, willkürliche Verhaftungen, kollektive Vertreibung und Ausweisung“.

Die EU schreibt die Menschenrechtsverletzungen von Flüchtlingen und Migranten in Transitländern häufig auf die Handlungen von Menschenschmugglern und Menschenhändlern zu. Dieses Narrativ verlagert den Fokus angenehmerweise weg von der Rolle und Verantwortung der EU; den in Wirklichkeit sind die Maßnahmen der EU-Mitgliedstaaten zur Externalisierung der Grenzen- die die Grenzkontrollen an Nicht-EU-Länder auslagern- der Hauptgrund für den Missbrauch und die Ausbeutung der Migranten.

Der neue EU-Pakt zu Migration und Asyl

Der neue EU-Pakt zu Migration und Asyl – genehmigt durch das EU-Parlament zum Anfang des Jahres – verabschiedete Grenzexternalisierung als Kernbestandteil der europäischen Migrationspolitik. Der Mechanismus ist einfach: durch die Bereitstellung von finanzieller Hilfe und Unterstützung erwartet die EU, dass die Transitländer die Migranten stoppen bevor sie es nach Europa schaffen, und sie daran hindern, europäischen Boden zu erreichen, bevor sie einen Asylantrag stellen können. Abkommen mit Drittländern beinhalten in der Regel Bestimmungen für die Einrichtung von Migrationskontrollzentren, Stärkung der lokalen Küstenwache und die Umsetzung strengerer Grenzüberwachungsmaßnahmen.

Das jüngste Abkommen mit Ägypten verdeutlicht die von Menschenrechtsorganisationen als „cash for migrant control“ bezeichneten Praktiken der EU an den Grenzen; die EU wird ein Paket von 7,4 Milliarden Euro an Ägypten schicken, um Abflüge nach Europa zu verhindern. Und dies trotz der autoritären Herrschaft des Sisi-Regimes und der Geschichte der unrechtmäßigen Abschiebungen und der Verhaftung von Flüchtlingen und Migranten sowie der Folterung und Verhaftung politischer Gegner. Ähnliche Abkommen wurden in diesem Jahr mit Mauretanien und Tunesien unterzeichnet.

Mehrere Menschenrechtsorganisationen haben hervorgehoben, dass Migranten, die in Transitländern abgefangen oder inhaftiert wurden, routinemäßig mit schweren Menschenrechtsverletzungen konfrontiert sind. Human Rights Watch hat Misshandlungen durch tunesische Polizei und Militär dokumentiert, darunter „Vertreibung und rassistische Angriffe“, willkürliche Verhaftungen und die Ablagerung von Asylbewerbern in der Wüste „mit unzureichender Nahrung und Wasser.“

Die UN-Ermittlungsmission berichtete über „Mord, Verschwindenlassen, Folter, Versklavung, sexuelle Gewalt, Vergewaltigung und andere unmenschliche Handlungen“, die Migranten und Flüchtlinge in Libyen erleiden mussten, mit denen aber die EU ihre Zusammenarbeit zur Beibehaltung und Zurückdrängung von Flüchtlingen – die versuchen, das Mittelmeer zu überqueren – erneuert hat.

Sprachlich verharmlost als „die Zusammenarbeit“, „die Partnerschaft“ und „der Grenzverwaltung“ verlagert das neue Pakt durch diese Abkommen zunehmend die Last des Migrationsmanagement auf Ländern mit miserablen Menschenrechtsbilanzen. Somit wird das Leben von Migranten gefährdet und die internationalen Menschenrechtsnormen untergraben- für die sich die EU angeblich einsetzt, während sie tatsächlich vorsätzlich und beschämend ein Auge zudrücken.

Europas Rechtsruck bei der Migration

Der Neue Pakt erhielt breite politische Unterstützung von den Mainstream-Parteien im EU-Parlament. Während rechtsextreme Parteien immer auf strengere Migrationskontrollen gedrängt haben, sind nun auch zentristische und Mitte-Links-Parteien an Bord. Dies ist kein neues Phänomen, sondern ein wachsender Trend in den letzten Jahren.

In Deutschland hat beispielsweise die SPD kürzlich eine Verschärfung der Migrationspolitik und eine Beschleunigung der Abschiebungen angekündigt, während die spanische Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE), trotz ihrer allgemeinen, fortschrittlichen Plattform zu anderen Angelegenheiten, Migrationsmanagementsabkommen mit afrikanischen Ländern ausgehandelt hat, um die Ankünfte von Migranten und Flüchtlingen auf den Kanarischen Inseln einzudämmen; ganz nach dem Vorbild der anderen EU-Verhandlungen.

Einige Länder wollen die Dinge noch weiter vorantreiben; nach der Verabschiedung des Neuen Pakts im April dieses Jahres veröffentlichten fünfzehn EU-Mitgliedstaaten- die von den dänischen Sozialdemokraten bis zur harten rechten Regierungskoalition Italiens reichten- einen offenen Brief, in dem sie den Aufbau eines „gerechteren, humaneren, nachhaltigeren“ Asylsystems vorschlugen. In Wahrheit sind die Vorschläge nichts davon. Der Brief fordert eine weitere Ausweitung der Grenzexternisierung sowie die Rückführung geretteter Migranten auf See in Ländern außerhalb der EU; was an den berüchtigten Asylplan Großbritanniens in Ruanda erinnert.

Diese Policen und politischen Erklärungen zeigen einen breiteren Rechtstrend in der europäischen Politik in Bezug auf Migration auf, und eine besorgniserregende politische Konvergenz im gesamten politischen Spektrum, indem zentristische und Mitte-Links-Parteien mit der rechten Politik in Einklang gebracht werden. Der Widerstand gegen die EU-Migrationspolitik wird derzeit auf linksradikale Parteien, NGOs (Nichtregierungsorganisationen) und andere Stimmen aus der Zivilgesellschaft zugewiesen.

Eine düstere Zukunft für Migranten und Flüchtlinge

Durch die Ausweitung und Verfestigung der Grenzexternalisierung, sorgt der neuen Pakt für Migration und Asyl dafür, das europäische Länder eine zusätzliche Stufe der Unterdrückung und Kontrolle von Migranten und Flüchtlingen aufbauen. Während Boote, die im Mittelmeer ertrinken, gelegentlich in der Öffentlichkeit in ganz Europa Empörung auslösten, sind die Misshandlungen und Todesfälle in afrikanischen Ländern viel leichter zu verbergen und zu ignorieren sowie schwerer zu dokumentieren.

Es besteht kein Zweifel daran, dass die Governance, bzw. Steuerung der Migration ein komplexes Thema ist. Aber nichts kann das Töten und Missbrauchen von Menschen rechtfertigen, die vor Armut, Klimawandel, Konflikten und Verfolgung fliehen oder einfach nur ein besseres Leben suchen. Die europäischen Länder haben Blut an ihren Händen kleben und sollten für ihre unmenschliche Politik zur Rechenschaft gezogen werden.

Tommaso Segantini ist freier Schriftsteller mit einem Hintergrund in internationalen Beziehungen und Flüchtlingsstudien. Er konzentriert sich auf die Grenzpolitik der EU und auf geschlechtsspezifische Aspekte der Migration. Seine Arbeiten erschienen auf Jacobin, openDemocracy und Adbusters.
Folgt ihm auf X: @tomhazo

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