Angriffe auf die Zivilgesellschaft

Die Seenotretter im Mittelmeer als Schlepperbanden? Die Rote Hilfe eine verfassungsfeindliche Organisation? Attac als Steuerveruntreuer? Das Zentrum für politische Schönheit eine kriminelle Vereinigung? Alles Einzelfälle oder politische Ausrutscher? Weit gefehlt. Die autoritären Manöver von Teilen des Staatsapparats sind kein Zufall, meint Julia Meier

Konservative Politiker, auch in Deutschland, nähern sich der neuen Rechten an. Teile der Bundesregierung und des Staatsapparats befürworten eine autoritäre Antwort auf Protest oder auch nur Widerspruch.  AfD, Identitäre und Nazis in Behörden fühlen sich so bestärkt, auf eigene Faust gegen linke Gegner vorzugehen.

Höcke und das Zentrum für politische Schönheit

Mitte April wurde bekannt: Kaum hatte der thüringische AfD-Vorsitzende und Anführer des faschistischen Flügels in der AfD, Björn Höcke, die politische Künstlergruppe Zentrum für politische Schönheit als kriminelle Vereinigung gebrandmarkt, eröffnete Staatsanwalt Martin Zschächner in Gera ein Verfahren – wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung. Ermittelt wurde in eineinhalb Jahren: Nichts.

Aber die Aktivistinnen und Aktivisten wurden bei den Behörden als Kriminelle geführt, konnten überwacht werden, wurden auf Geheiß von Behörden von Podiumsdiskussionen ausgeladen. Staatsanwalt Zschächner war seit dem Studium als „rechtsaußen“ bekannt.

Wasser auf die Mühlen der AfD

Der Aufstieg der AfD war keine Folge der Ankunft der Geflüchteten im Sommer 2015. Die AfD erhielt Schützenhilfe von zwei Ministern der damaligen Regierung, die immer Wasser auf die Mühlen der AfD kippten. Innenminister Hans-Peter Friedrich behauptete ohne irgendeine Quelle immer wieder, unter den Flüchtlingen seien Kriminelle und Terroristen. Finanzminister Schäuble kündigte an, wegen der Flüchtlinge den Mindestlohn auszusetzen.

Friedrich ist weiterhin Mitglied der CSU, gibt sich in Interviews aber AfD-nah. Der ehemalige Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, verbreitete die Lüge der Nazis, dass es in Chemnitz  keine Hetzjagden gegen Geflüchtete gegeben hätte. Er musste seinen Posten zwar räumen, aber erst nach massivem Druck der Öffentlichkeit.

Angriffe auf Rote Hilfe und Attac

Seehofer drohte im Dezember 2018, den linken Verein Rote Hilfe zu verbieten, der Betroffene von staatlicher Gewalt unterstützt und in rechtspolitische Diskussionen eingreift. Die Rote Hilfe existiert seit 1975.

Anstatt die globalisierungskritische Organisation Attac als NGO zu akzeptieren wie seit 2001, entzog das Bundesfinanzministerium unter Olaf Scholz (SPD) Attac die Gemeinnützigkeit in einem autoritären Verwaltungsakt. Nach dem Präzedenzfall Attac forderte die CDU prompt den Entzug der Gemeinnützigkeit der Umwelthilfe. Explizit mit Verweis auf deren Klagen auf Einhaltung der Stickoxidgrenzwerte.

Kriminalisierung der Seenotrettung

Gemeinsam mit dem faschistisch geführten italienischen Innenministerium tut die Bundesregierung alles dafür, die Rettung Geflüchteter aus dem Mittelmeer zu verhindern und die Seenotretter vor Gericht zu stellen.

Im Sommer letzten Jahres forderte Innenminister Seehofer nach der Rettung von 234 Menschen, das Rettungsschiff »Lifeline« zu beschlagnahmen und die Crew vor Gericht zu stellen. Ein maltesisches Gericht fand angeblich fehlerhafte Angaben bei der Registrierung des Schiffes und setzte Seehofers Forderung um.

Teile der Eliten wollen autoritären Staat

Die scheinbar nicht miteinander verbundenen Angriffe auf Attac, die Seenotrettung, das Musikfestival Fusion, die Rote Hilfe oder auf das Zentrum für Politische Schönheit haben einen gemeinsamen Ursprung. Es gibt Teile der bürgerlichen Klasse die eine autoritärere Krisenlösung befürworten. Diese wenden sich vom bisherigen »demokratischen« Konsens ab und sammeln nationalistische, rassistische und autoritäre politische Kräfte, um in der eigenen Klasse eine radikalere Linie zur Krisenbewältigung durchzusetzen. Ob sie erfolgreich sind, hängt auch von der Stärke des zivilgesellschaftlichen Gegenprotestes ab.

Nach dem italienischen Marxisten Antonio Gramsci ist Herrschaft »Hegemonie gepanzert mit Zwang«. In Zeiten, in denen die Hegemonie bröckelt, tritt der Zwang deutlicher zum Vorschein. Solidarität mit den Betroffenen ist deswegen gerade in diesen Zeiten wichtiger den je.

Der Artikel erschien bei marx21.


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