Ein Kritiker im Exil – Can Dündar als Gastmoderator beim ZDF

An der Türkei kommt man derzeit nicht vorbei. Während die Türkei jeden Tag autokratischer wird, stellen sich einige mutige Menschen gegen die Diktatur des allmächtigen Recep Tayyip Erdoğan. Einen von ihnen ist der prominente Journalist, Autor, und Intellektuelle Can Dündar. Der ehemalige Chefredakteur der regierungskritischen Cumhuriyet, die im Züge der jüngsten Repressionen der Regierung um ihre Existenz kämpft, lebt nun in Deutschland und hat im ZDF-Magazin aspekte die Co-Moderation der letzten Ausgabe übernommen. Leidenschaftlich und unbeirrt berichtet er von der immer dramatischeren Situation in seinem Land, in dem viele seiner Kolleg*Innen bereits im Gefängnis sitzen, nur weil sie kritisch berichten. Dabei lässt er genau diese Kolleg*Innen zu Wort kommen, deren Stimme nicht mehr zu hören sind. Was in der Türkei unmöglich ist, ist hierzulande noch möglich, doch Dündar appelliert an alle Europäer*Innen sich für die Demokratie energischer einzusetzen.

Das was Can Dündar in dieser bemerkenswerten aspekte-Sendung tut, ist das was man als freier Mensch, als kritischer Journalist tun dürfen muss. So erscheint er wie ein freier Mann, eigentlich ist er es aber nicht, denn in der Türkei ist der namhafte Ex-Chefredakteur der linksliberalen Cumhuriyet-Zeitung, der ältesten des Landes im Übrigen, ein verurteilter Mann: Fünf Jahre und zehn Monate ist die Gefängnisstrafe, die ein Istanbuler Gericht gegen ihn und seinen Redaktionskollegen Erdem Gül verhängte. Die Anzeige eingebracht hat kein geringerer als Staatspräsident Erdoğan persönlich, ein weiterer Prozess mit (lebens-)langer Haftstrafe droht ihm. Seit einigen Monaten befindet sich Dündar ohne seine Familie in Berlin, zurückkehren kann er vorerst nicht mehr in die Türkei, denn dort würde ihm das drohen, was etwa 150 weiteren Journalist*Innen schon widerfuhr: das Gefängnis. Um diesen Leuten, die sich zeitlebens für eine liberale, demokratische, rechtsstaatliche, und menschliche Türkei einsetzen eine Stimme zu verleihen und um ein Zeichen zu setzen gegen alle rechten, repressiven, und autoritären Tendenzen in Europa, durfte Dündar am vergangenen Freitag im ZDF das Kulturmagazin aspekte präsentieren. Im Wechsel mit der deutschen Stammmoderatorin der Sendung schildert Dündar eindrucksvoll auf seiner Muttersprache Türkisch, was mit Kritiker*Innen in der Türkei passiert.

Dass gnadenlose faschistoide Repression nicht nur ein türkisches Problem ist, zeigt sich im Beitrag über die Situation der Medien im EU-Mitgliedsland Ungarn, wo die Regierung Orbán seit Jahren einen strammen rechten Kurs fährt, die Presse brutal unterdrückt, und seine eigenen braunen Gefolgsleute und Gesinnungsgenossen in der Medienlandschaft installiert. Es wird deutlich, wie sehr Europa und die EU schweigt und dem Rechtsruck nachgibt. In der Türkei ist es traditionell schlecht um die Presse- und Meinungsfreiheit bestellt, das war selten anders, aber nie war es wohl besorgniserregender als heute. Kritische Köpfe aus dem bürgerlich-liberalen Milieu, Kurd*Innen, Alevit*Innen, Linke, Frauen, Homosexuelle usw., all sie erfahren am eigenen Leib, wie es sich anfühlt in eine Diktatur abzurutschen, darunter auch die bekannte Autorin Aslı Erdoğan (nicht verwandt mit dem gleichnamigen Tyrannen), die sich in einem türkischen Gefängnis befindet. So zeichnet Dündar in aspekte ein düsteres Bild der Grundrechte aller türkischen Bürger*Innen, trotzdem schafft er es, den Zuschauern Mut zuzusprechen, sich nicht nur für die in der Türkei eingesperrten und unterdrückten Journalist*Innen interessieren sollten, den Druck auf europäische Regierungen erhöhen, sondern auch in den anderen Ländern entschieden für diese Freiheitsrechte einzustehen, denn letztendlich ist die Türkei nur eines dieser Beispiele in Europa, wenn momentan wohl das krasseste. Mit dem deutsch-türkischen Rapper Sultan Tunç wird eine sehenswerte Sendung musikalisch abgerundet, die man in dieser Form selten zu sehen bekommt.

Der Link zur Sendung:

https://www.zdf.de/kultur/aspekte/aspekte-vom-11-november-2016-100.html

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