Assads Bomben regnen auf Ost-Ghouta herab

Seit mehreren Tage führt die syrische Regierung eine Militäroperation zur Rückeroberung von Ost-Ghouta – einem Vorort von Damaskus und einer der letzten Enklaven des syrischen Widerstands. Die Kampagne ist von höchster Gewalt gegen Zivilisten geprägt, seit Sonntag starben 335 Menschen, 1.200 weitere wurden verletzt, das erste Mal wurde der Abwurf von Fassbomben in der Region berichtet.

Zivilisten in Ost-Ghouta nennen es einen „Zustand des Terrors“, während weiterhin zahlreiche Syrerinnen und Syrer in der Rebellen-Enklave getötet werden.

Das jüngste Blutbad ereignet sich im Zuge einer intensivierten Kampagne der syrischen Regierung zur Übernahme der Kontrolle im Vorort von Damaskus.

Laut der in Großbritannien ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden am Dienstag mindestens 106 Zivilisten, darunter viele Kinder, durch Luftangriffe und Beschuss der syrischen Regierung getötet.

„Wir werden mit allen Arten von Waffen attackiert. Schwere Granaten wurden auf Zivilisten und Krankenhäuser abgefeuert. Es gibt keinen Ort, an dem wir uns verstecken könnten“, sagt Omran al-Doumani, ein Fotograf aus Ost-Ghouta gegenüber Middle East Eye (MEE).

„Mit diesem grauenhaften Artilleriefeuer durchlebt Ghouta einen Zustand des Terrors. Wir haben keine Ahnung, wann das aufhören wird.“

Freiwillige Helfer des Syrischen Zivilschutzes (SCD), die auch als White Helmets bekannt sind, berichten gegenüber MEE, die syrische Regierung würde weiterhin Luftangriffe fliegen und die Rebellen-Enklave für „30 Stunden am Stück“ bombardieren.

Die Rettungskräfte waren vom Arbeitsumfang weitgehend überfordert. Sie berichteten, Fassbomben würden auf die Stadt hinabregnen – das erste Mal, dass Bewohner diese Waffe in der Gegend gesehen hätten.

Ein Junge sitzt auf einem Bordstein in Ost-Ghouta. Auf der bemalten Wand hinter ihm wurden Einschusslöcher behelfsweise gestopft, darüber klaffen schon die neueren. By Jordi Bernabeu Farrús, Flickr, licensed under CC BY 2.0.

Angriffe auf Zivilisten

Frühere Berichte der SCD wiesen darauf hin, dass die Luftangriffe der syrischen Regierung gezielt Wohngebiete in der Stadt Arbin in Ost-Ghouta ins Visier genommen hätten.

Sirag Mahmoud, ein Pressesprecher der SCD in Ost-Ghouta, erklärt gegenüber Middle East Eye, dass „in Ost-Ghouta kein sicherer Ort mehr vorhanden ist.“

„In den letzten 24 Stunden wurden mehr als 100 Menschen getötet und Hunderte weitere verletzt“, berichtet Mahmoud gegenüber MEE, während sich das Artilleriefeuer in seiner Gegend verschärfte. „Jeder einzelne dieser Leute war ein Zivilist. Unschuldige Menschen. Was haben sie getan, um das zu verdienen?“

Ein anderer Einwohner, der mit MEE sprach, sagte, die syrische Regierung hätte verschiedenste Arten von Waffen eingesetzt, um die Rebellen-Enklave zu bombardieren.

„Wir werden mit verschiedensten Arten von Waffen attackiert. Luftangriffe. Artillerie. Sie haben in Ost-Ghouta sogar begonnen, Fassbomben abzuwerfen“, sagte Eyad Srewel.

„Wir versuchen zu überleben, indem wir uns unter der Erde verstecken. Aber die Fassbomben bereiten uns alle größte Sorgen.“

Fassbomben – eine krude Art von Waffen, die normalerweise aus Ölfässern hergestellt werden, die mit Benzin und Granatsplittern gefüllt und aus Hubschraubern gerollt werden – werden seit Jahren im ganzen Land eingesetzt, berühmtberüchtigt Ende 2016 in der Schlacht um Aleppo.

Eyad Srewel fügte hinzu: „Ich weiß nicht, was in den nächsten Minuten, Stunden oder Tagen mit mir geschehen wird. Die Menschen hier haben sich ihrem Schicksal gefügt und bereiten sich mental darauf vor zu sterben. Wir sind gefangen. Es gibt nichts mehr, was wir tun könnten.“

Am dritten Tag in Folge regneten Bomben auf die Enklave herab, während die syrische Regierung weiterhin die Belagerung der Stadt aufrechterhält, welche Tausende von Zivilisten von Nahrungsmittellieferungen und medizinischen Hilfsgütern abschneidet.

Berichten vom Sonntag zufolge hätten sich die Truppen von Bashar al-Assad außerhalb der Rebellen-Enklave versammelt, um die Vorstadt von Damaskus zu übernehmen.

Die am Dienstag getöteten Zivilisten folgten den mehr als 100 Zivilisten, die am Montag ums Leben kamen, Hunderte mehr wurden verletzt. [Der Guardian berichtete heute von 335 seit Sonntag Getöteter, mehr als 1.200 weitere wurden verletzt. Anm. J.R.] Vier Not-Hospitäler, darunter eine Entbindungsklinik, wurden an diesem Tag von Regierungstruppen angegriffen, wie Hilfsorganisationen meldeten.

In Ost-Ghouta leben noch immer rund 400.000 Menschen unter der Belagerung ihrer Stadt, darunter Hunderte, die dringend medizinische Hilfe außerhalb der Enklave benötigen.

Die UN ohne Worte

Die Vereinten Nationen haben vergeblich einen einmonatigen Waffenstillstand in ganz Syrien gefordert, um Hilfe und medizinische Evakuierungen zu ermöglichen.

Das UN-Kinderhilfswerk UNICEF gab am Dienstag eine leere „Erklärung“ heraus, in der es seine Empörung über die massenhaften Opfer unter syrischen Kindern in Ost-Ghouta und dem benachbarten Damaskus zum Ausdruck brachte.

„Es gibt keine Worte, die den getöteten Kindern, ihren Müttern, ihren Vätern und ihren Angehörigen Gerechtigkeit widerfahren lassen könnten“, begann das Statement von UNICEF-Regionaldirektor Geert Cappalaere.

Es folgten 10 leere Zeilen mit Anführungszeichen für fehlenden Text und eine erläuternde Fußnote.

„UNICEF gibt diese leere Erklärung heraus. Wir haben keine Worte mehr, um das Leid von Kindern und unsere Empörung darüber zu beschreiben“, hieß es.

„Haben diejenigen, die den Menschen dieses Leid zufügen, noch irgendwelche Worte, um ihre barbarischen Taten zu rechtfertigen?“


Dieser Artikel von Areeb Ullah erschien zuerst auf Middle East Eye und wurde von Jakob Reimann für Die Freiheitsliebe übersetzt.

Areeb Ullah ist Autor für Middle East Eye und hat unter anderem auch für den Guardian gearbeitet.

Die Freiheitsliebe sends the best wishes to Areeb Ullah and to the Middle East Eye staff to London and says THANK YOU! to everyone involved for their great job – connect critical journalism worldwide!

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Eine Antwort

  1. Also wirklich! Wenn als Quelle für die Greuelgeschichten die Ein-Mann-„Beobachtungsstelle“ in England und sogar die (von London und Washington finanzierte und organisierte) Halsabschneider-Takfiris und Helfershelfer der „Weißhelme“ herhalten müssen, braucht man sich keine großen Gedanken über den möglichen Wahrheitsgehalt zu machen…

    Dafür um so mehr, wieso Die Freiheitsliebe das verbreiten.

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