Lange ist es still um die Ukraine gewesen. Außer einigen vereinzelten Meldungen vom noch andauernden Krieg im Osten erfahren wir relativ wenig über das Innenleben der Ukraine. Nun aber ist eine neue Studie der Friedrich Ebert Stiftung in Zusammenarbeit mit dem GfK Ukraine und dem Zentrum „Neues Europa“, über die ukrainische Jugend (14-29) herausgekommen. Diese ist besonders interessant nicht zuletzt wegen ihres Inhalts, doch vor allem ist sie interessant für uns. Und das aus mehreren Gründen. Einerseits machen junge Menschen in der Ukraine knapp ein Fünftel der Bevölkerung aus und werden in wenigen Jahren in der Politik der Ukraine den Ton angeben. Andererseits will gerade diese Generation ihr Glück in Europa statt in der Ukraine suchen. Das aber könnte schwer werden. Auch für uns.
Selbstverständlich ist die ukrainische Generation Y zunächst nicht so viel anders als die in den europäischen Ländern. Auch sie sind, genau wie wir, vor allem eine Generation des Informationszeitalters und der westlichen Konsumgesellschaft. Soziale Medien haben bei ihnen einen hohen Stellenwert, in der Arbeitswelt sucht man vor allem die persönliche Erfüllung statt einem nine-to-five Job und konsumiert am liebsten fair und umweltfreundlich. So wie wir. Und doch gibt es gravierende Unterschiede zwischen uns die, eine weitere Annäherung gefährden.
Fangen wir aber zunächst mit den Erkenntnissen an die nicht ganz so dramatisch sind und doch einiges an Gemeinsamkeiten offenlegen.
Wie auch hierzulande herrscht unter den jungen Menschen in der Ukraine eine hohe, wie die Studie sagt, Politikverdrossenheit. Knapp 87 Prozent bekunden keinerlei Interesse an der Politik zu haben. Natürlich ist bei uns der Prozentsatz deutlich geringer offenbart aber das gleiche Problem. Weshalb man in diesem Zusammenhang auch eher nicht von einer Politikverdrossenheit sprechen sollte. Denn es ist nun keine neue Erkenntnis, dass junge Menschen sich zunehmend aus der Politik zurückziehen, wenn sie merken, dass sie nicht mitreden können. Und gerade in der Ukraine, wo Oligarchen maßgeblich tonangebend sind, ist es nicht weiter verwunderlich. Bei uns ist es nicht viel anders.
Eine weitere Gemeinsamkeit die, die Studie zeigt ist die starke Zuwendung zur Familie. 86 Prozent meinen dass die Familie ein unabdingbarer Teil eines glücklichen Lebens ist. Auch hier dürfte der Prozentsatz bei uns niedriger liegen doch wie die Shell-Studie in Deutschland gezeigt hat, legen immer mehr junge Menschen in Deutschland wert auf die Familie. Die in politisch und ökonomisch unklaren Zeiten immer noch als ein Stabilitätsfaktor fungiert. Deshalb bleiben die jungen Ukrainer*innen so lange wie möglich in ihrem Elternhaus. Gerade im Vergleich mit den südeuropäischen Ländern, ein wohl bekanntes Phänomen.
Das alles sind Symptome einer schlechten ökonomischen und politischen Entwicklung der letzten Jahrzehnte. Nicht verwunderlich ist es, dass gerade junge Menschen, nach Verbesserung ihrer Lebensumstände streben und damit nach Europa. Institutionell wie privat. So sind 76 Prozent der Überzeugung Ukraine müsse Teil der EU werden. Und fast jede*r Fünfte der befragten gab an aus der Ukraine auswandern zu wollen. 18 Prozent nannten Deutschland als ihr Wunschziel, gefolgt von den USA mit 15 und Polen mit 12 Prozent.
Soweit so gut. Es gibt aber einen Faktor der bisher im europäischen und natürlich auch im deutschen Diskurs untergegangen ist, den die Studie erschreckend deutlich zeigt. Die Intoleranz. Die Folge starker nationalistische Politik der post-sowjetischen Zeit, die gerade in den letzten Jahren extrem zugenommen hat, zeigt ihre Wirkung. Junge Ukrainer*innen lehnen zum großen Teil, laut der Studie, Flüchtlinge, Migranten, Sinti, Roma und Homosexuelle sowie Trans-, Interpersonen ab. Das ist gefährlich und darf von der europäischen Politik nicht, zum Preis geostrategischer oder ökonomischer Interessen, auf die leichte Schulter genommen werden. Gerade vor dem Hintergrund der neuerlichen ausartenden Pogrome gegen Roma und Migranten an denen sich auch viele junge Menschen beteiligt haben. Denn wie bereits erwähnt, wird diese Generation zunehmend den europäischen Diskurs mitbestimmen und damit die, sich ohnehin auf dem Vormarsch befindlichen, rechten Kräfte in Europa stärken.
Die Studie zeigt also ein gespaltenes Bild und offenbart die innerukrainischen Widersprüche. Gerade deshalb ist es wichtig die Kräfte zu unterstützen die darauf aus sind die nationalistische Hegemonie zu brechen. Und das auf vielen Ebenen. Nicht ausschließlich der, der bürgerlicher Rechte. Dazu gehören vor allem soziale Kämpfe um Infrastruktur, Bildungs- und Gesundheitswesen, Arbeitsrecht, das in der Ukraine nicht gerade fortschrittlich ist und nicht zuletzt echter Kampf gegen die ausartende Korruption. Es wird also spannend für die Generation Y!