Der Internationale Gerichtshof in Den Haag gab einer Klage der iranischen Regierung teilweise Recht und wies die US-Regierung an, von im Mai verhängten Sanktionen jene mit humanitärem und sicherheitsrelevantem Bezug unverzüglich zurückzunehmen. Eine Befolgung dieses Urteils durch die USA ist höchst fraglich.
Am Mittwoch urteilte das höchste Gericht der Vereinten Nationen, einige der von den USA verhängten Sanktionen gegen den Iran seien illegal und müssten umgehend zurückgenommen werden. Washington verhängte diese Sanktionen nachdem Donald Trump im Mai einseitig aus dem historischen Nuklearabkommen mit dem Iran ausgestiegen ist.
Der sogenannte „Iran-Deal“ – den ich an anderer Stelle als „Blaupause für friedliche, lösungsorientierte Diplomatie“ im 21. Jahrhundert bezeichnete – beschnitt massiv das iranische Atomprogramm, im Gegenzug wurden einige Sanktionen gegen den Iran gelockert. Mit seinem Rückzug aus dem Deal brach Trump das Völkerrecht, da der Iran-Deal in UN-Resolution 2231 kodifiziert und damit völkerrechtlich bindend war.
Die iranische Regierung klagte im Juli gegen die Wiedereinführung der Sanktionen beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag (IGH) und erbat das Gericht, Washington anzuweisen, die Sanktionen vorläufig einzustellen und deren Rechtmäßigkeit anschließend im Detail zu klären (JusticeNow! berichtete ausführlich).
Das gestrige einstimmige Urteil des 15-köpfigen auch Weltgericht genannten IGH ging zwar nicht so weit, wie Teheran es erhofft hatte, doch wurde die Aufhebung von Sanktionen mit humanitärem und sicherheitsrelevantem Bezug angewiesen.
Es wurden jene Importverbote für illegal erklärt, die Nahrungsmittel sowie Medikamente und medizinisches Gerät betreffen, da diese „schwerwiegende und schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit und das Leben von Personen auf dem Territorium des Iran“ hätten, so das Gericht in seiner Urteilsbegründung. Auch wurde die Aufhebung von Sanktionen auf den Import von Flugzeugersatzteilen angewiesen, da diese „die Sicherheit der zivilen Luftfahrt und das Leben ihrer Nutzer gefährden“ würden.
„Die Entscheidung hat erneut bewiesen“, so das iranische Außenministerium in einem Statement, „dass die Islamische Republik im Recht ist und die Sanktionen der USA gegen Menschen und Bürger unseres Landes illegal und grausam sind.“
„Ein weiterer Misserfolg für die nach Sanktionen süchtige US-Regierung und ein Sieg für die Rechtsstaatlichkeit“, schreibt Irans Außenminister Javad Zarif auf Twitter. „Eine Aufforderung an die internationale Gemeinschaft, den bösartigen US-Unilateralismus gemeinsam zu bekämpfen.“, so Zarif weiter.
UN top court rules that US must comply with obligations violated by re-imposing sanctions on Iranian people when exiting #JCPOA. Another failure for sanctions-addicted USG and victory for rule of law. Imperative for int’l community to collectively counter malign US unilateralism. pic.twitter.com/8AMGL0tqXU
— Javad Zarif (@JZarif) 3. Oktober 2018
Bislang gab es keine Reaktion aus dem Weißen Haus, es bleibt jedoch zu bezweifeln, dass die Trump-Regierung den Kurs ihrer extrem konfrontativen Politik gegen Teheran aufgrund des Urteils korrigieren wird. Dennoch ist es ein äußerst wichtiges Urteil, das insbesondere auch Europa in seinem Kurs, den Iran-Deal gegen das Säbelrasseln aus Washington zu retten, legitimierende Rückendeckung gibt.
Urteile des IGH sind rechtskräftig und können nicht angefochten werden – doch hat das Weltgericht keine Exekutivmittel zur Durchsetzung seiner Urteile.
Anders als der für Genozid, Folter und andere Kriegsverbrechen zuständige Internationale Strafgerichtshof (IStGH) – der, um die Verwirrung perfekt zu machen, ebenfalls in Den Haag sitzt – sind beim IGH sämtliche 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen automatisch Mitglied. In konkreten das Völkerrecht betreffende Verfahren müssen beide Parteien die Zuständigkeit des IGH zunächst anerkennen. Die Trump-Regierung erklärte jedoch bereits im August, dass der IGH in der Klage des Iran nicht zuständig sei, da die Causa Iran „die nationale Sicherheit der USA“ betreffen würde – eine Scheinbegründung bar jeder Logik oder Vernunft.
In der Vergangenheit gab es immer wieder heftige Attacken des US-Präsidenten oder hochrangiger Mitarbeiter seiner Administration gegen das Völkerrecht und das internationale Gerichtssystem. Jüngst nannte Trumps Nationaler Sicherheitsberater und rechte Hand, John Bolton, den IStGH ein „illegitimes Gericht“, gegen das die Trump-Administration „zurückschlagen“ werde. „Der IStGH ist für uns gestorben“, so Bolton in seiner Hasstirade aufs Völkerrecht weiter, in der er Sanktionen gegen internationale Gerichte ankündigte und drohte, IStGH-Richter und -Strafverfolger würden von US-Gerichten verfolgt werden (sic!).
Die Absurdität dieses Themenkomplexes ist ein Sinnbild der Trump Ära und der Welt anno 2018: Der „Anführer der freien Welt“ führt einen Krieg gegen internationale Gerichte und droht, deren Richter zu verfolgen, während der Iran – der „Schurkenstaat“ auf Washingtons „Achse des Bösen“ – den Weg der Rechtsstaatlichkeit geht und sich für das internationale Völkerrecht starkmacht.
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