Iran ist nicht Nordkorea: Trumps Verbündete wollen Krieg statt Frieden

Im Gegensatz zu Nordkorea sind Amerikas Verbündete in der Region nicht an einer diplomatischen Lösung der Iran-Frage interessiert. Saudi-Arabien, Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate wollen in jedem Fall Regime Change im Iran. Ob er glückt oder nicht, ist nebensächlich: Destabilisierung ist das Ziel.

Jetzt, da US-Präsident Donald Trump von seinem erfolgreichen Fototermin mit Nordkoreas Kim Jong-un aus Singapur zurückgekehrt ist, wird sich sein Fokus bald wieder drehen: zurück auf den Iran. Israel und Saudi-Arabien hofften ungeduldig, der Singapur-Gipfel würde helfen, die Korea-Frage zu neutralisieren, so dass Trump seine gesamte Energie wieder in Richtung Teheran wenden könnte.

Doch niemand scheint so genau zu wissen, was Trumps Iran-Politik denn eigentlich ist. Will er einen anderen Deal? Ebnet er den Weg für Krieg? Ist Regime Change das eigentliche Ziel? Wenn Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) entscheiden dürften, wäre es keines der oben Genannten – sondern etwas viel Schlimmeres.

Trumps nächster diplomatischer „Erfolg“

Trump liebt es, die Welt raten zu lassen. Sein Nationaler Sicherheitsberater – John Bolton – drängt die USA seit mehr als einem Jahrzehnt dazu, den Iran zu bombardieren. Als Hauptunterstützer des desaströsen Irak-Krieges – von dem er noch immer behauptet, dass er ein Erfolg war – hat Bolton auch den von den USA gesponserten Regime Change im Iran propagiert, indem er soweit ging, sich zum Cheerleader einer iranischen Terrororganisation zu machen: den Mujahedin-e Khalq, („Volksmudschaheddin“, MEK). Die ehemals von Saddam Hussein finanzierten Terroristen zahlen Bolton gar 40.000 Dollar pro Rede, die er zur Unterstützung der MEK hält.

In Außenminister Mike Pompeo hat Trump einen weiteren Kriegsfalken, der mit Militärschlägen gegen den Iran geflirtet hat, während er die Fassade eines Interesses an der Diplomatie aufrechterhält. Doch seine berüchtigten 12 Forderungen an den Iran waren keine Einladung zu Verhandlungen, sondern ein Diktat zu bedingungsloser Kapitulation.

Selbst der etwas besonnenere Rex Tillerson – Trumps ehemaliger Außenminister – deutete bei mehreren Gelegenheiten an, das eigentliche Ziel der Iran-Politik Washingtons sei Regime Change, was durchaus darauf hindeutet, dass dieses Ziel von Trump selbst stammt.

Trump selbst ist beim Iran in einer vollkommenen Sackgasse. Nach dem erfolgreichen Handschlag mit dem nordkoreanischen Diktator sprudelte sein Selbstvertrauen über und er erzählte Reportern, er mache sich nun bereit, um seinen nächsten diplomatischen Erfolg einzufahren.

„Ich hoffe, dass zu gegebener Zeit, nachdem die Sanktionen Wirkung zeigen – und es ist wirklich brutal, was wir dem Iran übergestülpt haben – ich hoffe, dass sie dann zurückkommen und einen echten Deal aushandeln werden. Denn ich würde das liebend gerne machen, aber momentan ist es einfach zu früh, um das zu tun“, sagte Trump.

Aber der Iran ist nicht Nordkorea, und die Tiefe von Amerikas bisweilen fabrizierter Feindseligkeit gegenüber Teheran ist nicht zu vergleichen mit dem eher Cartoon-artigen Image, das gegenüber ihren Gegnern in Pjöngjang vorherrscht. Es ist noch nicht einmal ein Jahr her, dass die Nordkoreaner die gefolterte Leiche des amerikanischen Studenten Otto Warmbier zurückgaben. Doch Trump überhäufte Kim mit Lob und sagte, es sei eine „Ehre“, ihn zu treffen und nannte den Diktator „einen sehr talentierten Mann“ mit einer „großartigen Persönlichkeit“.

Der historische Handschlag zwischen Kim Jong-un und Donald Trump auf dem Singapur-Gipfel am 12. Juni 2018. Beim Konflikt mit Nordkorea waren Trumps Verbündete in Middle East pro Diplomatie, im Falle des Iran wollen sie Krieg. By Dan Scavino Jr., Wikimedia Commons, published under public domain.

Im Gegensatz dazu wurde – obwohl es eine abscheuliche Tat war –keiner der amerikanischen Diplomaten getötet, die vor 40 Jahren im Iran als Geisel genommen wurden [das berühmtberüchtigte Geiseldrama von Teheran, das sich ab 1979 über 444 Tage hinzog, Anm. J.R.]. Dennoch sitzt die Narbe des Geiseldramas tief in der amerikanischen Psyche – und einige Elemente, so scheint es, wünschen sich, diese Narbe offen zu halten.

Die US-Iran-Feindschaft am Leben halten

Dies ist einer der Hauptunterschiede zwischen dem Konflikt mit Nordkorea und dem mit dem Iran: Während Amerikas Verbündete im Nahen Osten im ersteren Konflikt versuchen, einen Krieg zu vermeiden und die diplomatische Lösung befürworten, stehen sie im letzteren Konflikt Verhandlungen mit Ablehnung gegenüber. Sie spielen vielmehr eine wichtige Rolle dabei, die Feindschaft zwischen den USA und Iran am Leben zu halten.

Was die Frage aufwirft: Was wollen Saudi-Arabien, Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate – die drei Cheerleader von Trumps konfrontativer Politik mit dem Iran – also?

Im Gegensatz zur Rhetorik dieser Länder besteht ihr Hauptproblem mit dem Iran nicht im Wesen von dessen Regime, sondern in seiner Macht und seiner Fähigkeit, das Kräfteverhältnis in der Region gegen ihre Interessen zu verschieben. 2009 [zur Zeit der iranischen Massenproteste, Anm. J.R.] gab ein israelischer Geheimdienstler mir gegenüber zu, ein möglicher Sieg der iranischen Grünen Bewegung wäre „Israels schlimmster Albtraum“, da er es dem Iran ermöglichen würde, aus seiner Isolation herauszubrechen und seine Macht weiter auszubauen.

Ein möglicher Sieg der iranischen Proteste 2009 wäre „Israels schlimmster Albtraum“ gewesen. By Hamed Saber, Flickr, licensed under CC BY 2.0.

Auch der Widerstand der Netanjahu-Regierung gegen den Iran-Nukleardeal hatte wenig mit den Einzelheiten des Abkommens zu tun und viel mehr damit, wie der Deal das Ende von fast vier Jahrzehnten US-amerikanischer Politik der Eindämmung des Iran bedeutete. Nachdem die Sanktionen aufgehoben wurden und der Iran sich auf den Weg der politischen Rehabilitation begab, erlagen die Vereinigten Staaten dem Aufstieg des Iran, anstatt sich darauf zu verpflichten, ihn umzukehren.

Angesichts dessen scheint ein Regime Change hin zu einer stabilen Demokratie im Iran für dessen regionale Rivalen keineswegs von Vorteil zu sein. Die Vorstellung, der Kronprinz von Saudi-Arabien – der sich dafür starkmacht, an einer absoluten Monarchie gäbe es nichts auszusetzen – sehne sich nach einer liberalen Demokratie im Iran, ist schlicht absurd.

Ein viel potenterer Rivale

Hätte der Iran eine echte Demokratie, die die Rechte der iranischen Bevölkerung respektiert und ihnen die Freiheit gibt, ihr volles Potenzial zu entfalten, dann würde die iranische Macht in der Region wohl weit über das hinausgehen, was sie durch die zaghafte Ausnutzung der regionalen Fehltritte der USA bislang erreicht hat.

Solch ein Iran wäre ein viel potenterer Rivale für Saudi-Arabien – ein Szenario, das Riad wohl kaum hervorbringen will.

Stattdessen ist das Streben nach einem Regime Change in Wirklichkeit womöglich ein Weg, um ein weitaus finstereres Ziel zu erreichen: ein Bürgerkrieg im Iran, der entweder zur Zerstückelung des Landes oder zumindest zu einem längeren Stadium lähmender Instabilität führen könnte. Während die Demokratisierung des Iran das regionale Gleichgewicht keineswegs zugunsten Saudi-Arabiens verschieben würde, täte ein Iran, der sich zu einem zweiten Syrien verwandelt, dies schon viel mehr.

Dies könnte auch die Unterstützung Saudi-Arabiens für die MEK-Terrorgruppe erklären. Riad versteht natürlich, dass die MEK keinerlei Rückhalt im Iran hat und dass die Aussichten, dass sie im Iran an die Macht kommt, sich nahe Null bewegen. Aus dieser Perspektive macht Riads Investment in die MEK keinen Sinn. Die MEK kann jedoch dabei helfen, den Funken zu einem inner-iranischen Konflikt zu legen – von diesem Standpunkt aus könnte Riads Investition in die Terrorgruppe sehr wohl ihren Zweck erfüllen.

Saudi-Arabien ist wohl nicht allein, was die Förderung von Instabilität im Iran als einen Weg anbelangt, das Machtgleichgewicht zum Nachteil des Iran zu verschieben. Der hochrangige israelische Mossad-Funktionär Haim Tomer erklärte kürzlich gegenüber der Jerusalem Post, Israel könne und sollte den Regime Change im Iran fördern, denn „selbst wenn der Regime Change nicht gelingt, ist es immer noch besser, die Iraner bekämpfen sich untereinander“.

Dies wäre gewiss nicht das erste Mal, dass Irans regionale Rivalen Instabilität im Land oder die Zerstückelung des Iran anstreben würden. Während des Iran-Irak-Krieges [Erster Golfkrieg, 1980-1988, Anm. J.R.] beklagte Saddam Husseins Außenminister Tariq Aziz bekanntlich das geopolitische Dilemma des Irak, neben dem viel größeren und viel mächtigeren Iran zu liegen.

„Es ist besser, fünf Irans zu haben, fünf kleine Irans, anstatt einen großen Iran“, erklärte er der Washington Post im Jahr 1981, als er Saddams Ziel klarmachte, den Iran zu zerstückeln, wie David Ottaway sich erinnert.

Dies ist möglicherweise nicht Trumps Ziel. Doch im Gegensatz zu Nordkorea wird es wahrscheinlich weitaus schwieriger sein, den Druck und die Pläne von Amerikas Verbündeten in der Region zu ignorieren.


Dieser Artikel von Trita Parsi erschien zuerst auf Middle East Eye und wurde von Jakob Reimann für Die Freiheitsliebe übersetzt.

Trita Parsi erhielt 2010 den mit $200,000 dotierten Grawemeyer Award for Ideas Improving World Order. Er ist ein preigekrönter Buchautor: ‚Treacherous Alliance – The Secret Dealings of Israel, Iran and the US‘, ‚A Single Roll of the Dice – Obama’s Diplomacy with Iran‘, sowie  Losing an Enemy – Obama, Iran and the Triumph of Diplomacy. Parsi ist Präsident des National Iranian American Council und gilt als einer der weltweit renommiertesten Iran-Experten.

Titelbild: kremlin.ru, CC BY 4.0 (bin Salman), User P388388, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0 (Kim), Gage Skidmore, Flickr, CC BY-SA 2.0 (Trump), World Economic Forum, Flickr, licensed under CC BY-NC-SA 2.0 (Rouhani), kremlin.ru, CC BY 4.0 (Netanyahu).

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