1928 wird Ernesto „Che“ Guevara als Sohn eines Plantagenbesitzers in Argentinien geboren. 200 Familien aus Großgrundbesitz, Handel, Industrie und Politik besitzen dort praktisch alles, während die Masse in Armut dahin vegetiert.
Unter den indianischen Wanderarbeitern wütet die Tuberkulose. In den Kohlegruben sterben die Arbeiter gewöhnlich mit 30, die Lungen von Kohlestaub zerfressen.
Che wächst in einem kritischen Elternhaus auf. In einem Liebesbrief an eine Tochter aus reichem Hause schreibt er mit 17: „Die Summe des Elends ist zu groß, die Schuld dieser Klasse in die du hineingeboren bist, ist zu groß, als das ich sein könnte, sein möchte wie sie: Ich verspüre diese Schuld manchmal nachts als einen Alpdruck.
Der Duft Deines Körpers kann nicht aus meiner Phantasie die Anklage verdrängen, die von dem Elendsgestank ausgeht, der aus den Slums herausdampft: Reichtum; nein, ich will keinen Teil daran haben. Ich will keinen Teil daran haben, dass diese Ungerechtigkeit fortbesteht.“
Als Medizinstudent reist er mit einem Freund auf einem Motorrad durch fast alle Länder Mittel– und Südamerikas. Das Tagebuch, das er auf dieser Reise geführt hat, ist jetzt verfilmt worden.
Che erlebt, wie US-Konzerne riesige Mengen an Rohstoffen und Profiten aus dem Kontinent ziehen und Regierungen ein- oder absetzen, wie es ihnen gefällt. Die Länder bleiben unterentwickelt und abhängig.
Die einheimischen Herrscher verprassen ihren Reichtum oder schaffen ihn ins Ausland. Überall rebellieren Menschen, doch meistens ersetzt am Ende nur eine Clique die andere.
1955 trifft Guevara in Mexiko den kubanischen Rechtsanwalt Fidel Castro, der seine Heimat von dieser Knechtschaft befreien will. Che ist begeistert: „…in diesem Kampf gab es nur Sieg. Ich teilte seinen Optimismus. Es war unausweichlich, mit dem Jammern aufzuhören und mit dem Kampf zu beginnen.“
Im Dezember 1956 stechen Castro und Guevara mit 80 weiteren Kämpfern in Richtung Kuba in See.
Die Wirtschaft der Insel gehört praktisch den USA: Die US-Beteiligung an der Telefon- und Elektrizitätsversorgung übersteigt 90 Prozent, bei den Eisenbahnbetrieben macht sie die Hälfte aus, in der Rohrzuckerproduktion 40 Prozent. Zucker macht 80 Prozent aller kubanischen Exporte aus. Das Pro-Kopf Einkommen war seit 50 Jahren nicht gestiegen.
Zwei Jahre Kampf genügen, um das Regime des Diktators Batista zu besiegen. Am Ende besteht die Streitmacht der Revolutionäre aus 800 Mann und zivilen Einheiten von etwa 2200.
Die Bauern unterstützen die Revolutionäre passiv, auch die Arbeiter bleiben weitgehend ruhig. Die Leitung des Kampfes liegt in den Händen der Guerilla-Führung, deren Kern aus Intellektuellen besteht.
Batistas Regime ist so wenig verwurzelt und so korrupt, dass sich keine Hand dafür rührt, als Castro und Guevara in Havanna einmarschieren. Selbst die Regierung der USA glauben nicht mehr an Batista.
Als wichtiger militärischer Führer übernimmt Che leitende Funktionen. Er wird Präsident der Nationalbank, Leiter des Instituts für Agrarreform und wichtiger Vordenker der „neuen Gesellschaft“.
Die neue Regierung will Kuba aus seiner Abhängigkeit befreien, modernisieren und industrialisieren. Aber selbst wenig radikale Maßnahmen der Regierung wie eine milde Landreform gehen den USA zu weit.
Amerikanisches und kubanisches Kapital wird von der Insel abgezogen. Dann verhängt die US-Regierung eine komplette Wirtschaftsblockade, um das Regime in die Knie zu zwingen.
Eine eigenständige nationale Entwicklung gegen den Druck der USA und in deren unmittelbarer Nachbarschaft ist unmöglich. Die kubanische Führung sieht keinen anderen Weg als die Annäherung an die Sowjetunion.
Castro erklärt sich 1961 plötzlich zum „Marxisten-Leninisten“. Die Führung der UdSSR sieht die revolutionäre Insel vor der Haustür der USA als Trumpf im Kampf der Supermächte. Sie nutzt die kubanische Wirtschaft zum eigenen Vorteil.
Guevara ist entsetzt. Die Sowjetunion fordert Lebensmittel und Rohstoffe, fördert aber die industrielle Entwicklung auf Kuba nicht. Für Zucker zahlen die Sowjets nur Weltmarktpreise. 1963/64 muss sich die Regierung eingestehen, dass die Abhängigkeit vom Zucker so groß ist wie eh und je.
Noch unter Ches Regierung versucht man, durch Rationierung von Lebensmitteln und Textilien Geld für die Industrie vom Lebensstandard der Arbeiter abzuknapsen. Mit Appellen an die soziale Verantwortung und die sozialistische Moral versucht Guevara, die Opferbereitschaft der Arbeiter zu erhöhen. Schließlich greift das Regime mehr und mehr auf Zwang und Autorität zurück.
Kuba steckt in einer Sackgasse. Jetzt treten Ches Stärken und Schwächen klar hervor.
Seine Stärke liegt in seiner revolutionären Überzeugung und in seinem Tatendrang. Während Castro versucht, den Spielraum des Landes zu erweitern, indem er Spannungen zwischen der Sowjetunion und China ausnutzt, will Che die Revolution ausbreiten.
Er greift die UdSSR an, weil sie bereit ist, auf Aufstände zu verzichten, um das Gleichgewicht mit den USA zu halten. 1965 klagt Guevara die sozialistischen Staaten an, „Komplizen der Ausbeuter“ zu sein.
Obwohl die UdSSR keine von ihnen unabhängige Befreiungsbewegung tolerieren will, beharrt Che: „Wir können nicht aufhören, unser Beispiel zu exportieren.“ Sein Motto „Schafft zwei, drei, viele Vietnams“ wird von der Studentenbewegung aufgegriffen, die sich im Westen während des Kriegs der USA gegen die vietnamesische Befreiungsbewegung entwickelt.
Guevara versucht, aus seinen Erfahrungen in Kuba ein Drehbuch für andere Revolutionen zu machen. In Bolivien zeigen sich die Schwächen dieser Idee. Dort will Che das Fanal für den Aufstand der Unterdrückten in ganz Südamerika setzen. Er scheitert kläglich.
1966/67 fängt Guevara mit einigen kubanischen Mitstreitern an, ein Guerilla-Lager in Bolivien aufzubauen und Kämpfer um sich zu sammeln. Auf Bolivien fällt die Wahl eher zufällig. Der Ort spielt in Ches Theorie keine große Rolle.
Guevara meint, dass ein Revolutionär nicht auf die Bedingungen für eine Revolution warten müsse, sondern diese selbst durch seine Tat schaffen könne. Die Guerillas sollten einfach in einem begrenzten Gebiet mit ihrem „heldenhaften Kleinkrieg“ beginnen.
In diesem Kleinkrieg würden dann Bastionen der Partisanen entstehen. Der Kampf würde die Diktatur zwingen, sich ohne Maske in ihrer Brutalität zu zeigen und so die Gesellschaft offen in Herrscher und Beherrschte polarisieren. Die Reihen der Partisanen könnten dann durch Bauern aufgefüllt werden. Immer weitere Gebiete würden unter die Kontrolle der Aufständischen geraten – bis zum endgültigen Sieg.
Doch die bolivianischen Bauern haben kein Interesse an Ches Kampf. Die bolivianische Regierung ist lange nicht so wurzellos und schwach wie es das kubanische Regime unter Batista gewesen war.
Die Partisanen bleiben völlig isoliert. Regierungstruppen mit Unterstützung aus den USA können immer mehr Kämpfer umbringen. Nach einem Jahr ist der Kampf endgültig verloren: Am 9. Oktober gerät Che mit seinen Guerilleros in einen Hinterhalt. Er wird gefangen und später erschossen.
Hätte die Geschichte anders ausgehen können?
Während des bolivianischen Abenteuers streikten die dortigen Minenarbeiter – unabhängig von Guevaras Guerillakampf. Sie waren schon 1952 die Vorkämpfer einer Revolution gewesen.
Che hätte sein Ziel der nationalen Befreiung mit den Klassenkämpfen der Arbeiter verbinden können, die immer wieder auf dem Kontinent aufflammten. 1969 regierten Arbeiter für eine kurze Zeit die argentinischen Städte Cordoba und Rosaria.
Ende der 1960er Jahre wehrten sich auch in Chile immer mehr Arbeiter. Das war 1970 die Grundlage für einen gefeierten Wahlsieg einer Koalition von Sozialdemokraten, Sozialisten und anderen unter Führung von Salvador Allende.
Doch für Che lag das Zentrum des Kampfes auf dem Land. Das bedeutete zwangsläufig, dass der Träger der Revolution nicht die städtische Arbeiterklasse, sondern die Bauern – die allerdings von städtischen Intellektuellen geführt werden sollten – sein würden.
Guevara hatte seit den 1950er-Jahren immer wieder Texte von Karl Marx studiert. Er teilte mit Marx eine grundsätzliche Feindschaft gegenüber Ausbeutung und Unterdrückung.
In seiner Politik wich Che aber von Marx Grundüberzeugung ab, das die Befreiung vom Kapitalismus nur das Werk der Arbeiter selbst sein könne.
Guevara meinte, das revolutionäre Potenzial erwachse aus der absoluten Armut und der Schärfe der Unterdrückung. Es brauche nur die Entschlossenheit der Tat, genügend Mut und die richtigen Ideen der Partisanen, um die Bauern mit zu reißen, zu erziehen und auf den richtigen Weg zu führen.
Anders als auf Kuba konnten Ches Elan und seine Opferbereitschaft in Bolivien die Selbstaktivität der Arbeiterklasse nicht mehr ersetzen.
Der Beitrag erschien im Linksruck.
Eine Antwort
Scheint ein älterer Artikel zu sein, denn einige biographische Sachverhalte sind falsch: Che’s Eltern entstammen zwar der Oberschicht und der Vater hat auch mal eine Plantage besessen, diese aber heruntergewirtschaftet. Die Eltern trennten sich und der Vater, der nicht mit Geld umgehen konnte, war zeitweise auf die finanzielle Unterstützung des kubanischen Staates angewiesen. Die Sache, Che hättensich nicht auf die Arbeiterklasse gestützt, ist ein alter Hut. Che wollte das kubanische Modell nach Bolivien exportieren und ist damit gescheitert. Er bezahlte das mit seinem Leben. Das es zu keiner Zusammenarbeit mit der Arbeiterklasse in Bolivien kam, liegt auch an der KP dieses Landes, die Che jede Unterstützung verweigerte. Soweit, so kurz
Che hätte anläßlich seines 50. Todestages eine bessere Würdigung verdient…