Hass: Von der Macht eines widerständigen Gefühls

Als jemand, der mit aggressiver Metal-Musik aufgewachsen ist, hat mich immer schon irritiert, dass Hass ständig negativ besetzt und als Erklärung für ziemlich alles Übel der Welt herangezogen wurde – wie Krieg, Rassismus oder Faschismus. Umso erfreuter war ich, als ich von Seydas Buch hörte, welches Hass von einer völlig anderen und viel differenzierteren Seite betrachtete.

Im Gegensatz zur weit verbreiteten Vorstellung von Hass als etwas rein Destruktives und Impulsives, unterteilt die Autorin Hass in verschiedene Kategorien, wobei sie die Kategorie des „strategischen Hasses“ besonders positiv hervorhebt. Hass, der nicht einfach explodiert und dann verpufft, sondern der sich lange und zäh halten kann, und für politische Ziele als treibende Kraft verwendet werden kann. Als Beispiele nimmt sie den Hass der kolonialisierten Völker auf ihre Kolonialherren, und zitiert dabei aus Büchern wie „The Black Jacobins“ von C. L. R. James, über den revolutionären Krieg der schwarzen Sklaven in Haiti gegen die französischen Unterdrücker. Sie zeigt dabei, wie gesund und inspirierend dieser Hass für die ehemaligen Sklaven war.

Ein weiterer für mich wichtiger Aspekt ist die Dämonisierung des Hasses durch die herrschende Klasse als etwas Unzivilisiertes und Unaufgeklärtes. Sie meinten damit vor allem den Hass ihrer Untertanen auf die Obrigkeit, insbesondere von kolonialisierten Völkern – was sie wiederum als Rechtfertigung heranzogen, diese Völker „zivilisieren“ und ihnen mit Gewalt Vernunft beibringen zu müssen. Die Gleichsetzung von Hass mit Unaufgeklärtheit wurde aber nicht nur bei kolonialem Rassismus, sondern auch zur Rechtfertigung von Antisemitismus herangezogen. Die christliche (Neues Testament) Version von Gott wird als vergebend und gütig dargestellt und der jüdischen Version davon (Altes Testament) gegenübergestellt, die rachsüchtig und rücksichtslos ins Bild kommt. Ich denke dabei an die Sintflut oder den vollständigen Genozid durch Gottes Volk an der ursprünglichen Bevölkerung von Jerusalem. Auf diese Weise wurde die vermeintliche Überlegenheit des christlichen Glaubens gegenüber dem „unzivilisierten“ Gott der Juden behauptet.

Gleichzeitig mit der Dämonisierung des Hasses der unterdrückten Völker wird auch der alltägliche Hass in der westlichen Gesellschaft geleugnet. Während jeder Widerstand gegen die Besatzung Palästinas von den Medien als „Israel-Hass“ bezeichnet wird, spricht man bei israelischen Aggressionen immer nur von „Vergeltungsschlägen“, und stellt diese als rational und gerecht dar.

Ein weiteres wichtiges Kapitel war die Erzählung der Autorin von einem evangelischen Gottesdienst, der im Zeichen der Opfer des Nationalsozialismus stand. Auch wenn sie sich darüber erfreut zeigte, dass der Widerstand gegen den Nationalsozialismus in dieser Predigt gewürdigt wurde, ärgerte es sie, dass zum Schluss Gott darum gebeten wurde, jedwede Art von Hass und Gewalt zu verdammen. Statt Hass auf Unterdrückung und Menschenverachtung als etwas Gesundes und Befreiendes zu sehen, wurde der Hass der Widerstand leitete mit dem Hass der Unterdrücker gleichgesetzt und verdammt. Ich selber habe mich schon etliche Male Fantasien hingegeben, in denen ich voller Hass mich an den Tätern im Dritten Reichs grausam räche und empfand dabei immer Erleichterung und Freude. Die vorherrschende Meinung, dass Hass nur die Seele zerfrisst und krank macht, ist falsch und versucht gesunde menschliche Gefühle zu verdammen und so Widerstand im Keim zu ersticken.

Zum Abschluss möchte ich noch ein Zitat aus dem Buch bringen, das ihre Aussage auf den Punkt bringt: „Mich interessiert ein Hass, der das was Menschen entfremdet und entwürdigt angreift. Ein Hass, der Zärtlichkeit hervorbringt!“

Die Besprechung von Richard lederer, erschien zuerst in der neuen Linkswende

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