In diesen Tagen begeht Indien seinen 70. Geburtstag. 70 Jahre nach Ende der britischen Kolonialherrschaft ist das Land die größte Demokratie der Welt, es ist eine aufsteigende Wirtschafts- und Militärmacht, das auf dem Weg ist vom mächtigen regional zu einem global player zu werden. Doch noch immer ist der Subkontinent Schauplatz von dramatischen politischen, wirtschaftlichen und sozialen Konflikten, die die indische Gesellschaft prägen. Neben tiefgreifender ökonomischer Armut leidet das Land mit der immensen Größe und einem fast unaufhaltsamen Bevölkerungswachstum an Unterdrückung und Diskriminierung bestimmter sozialer Klassen. In kaum einem anderen Staat spielen Gesellschaftsschichten eine solche Rolle wie in Indien, uralte sozio-kulturelle Sitten legen die Zugehörigkeit im religiös-begründeten Kastensystem fest. Trotz seiner landesweiten Abschaffung bildet es das Fundament der indischen Gesellschaft, bis heute.
So ist Indien ein Land voller Kontraste, kulturellem Reichtum und wirtschaftlichen Aufschwung, atemberaubender Natur, aber auch heilloser Korruption, Verarmung und sozialer Ausgrenzung. Eines der drängendsten Probleme sei in diesem Kontext auch genannt: Gewalt. Ausgerechnet das Land des Menschen, der der Inbegriffs für Friedfertigkeit darstellte, Mahatma Gandhi, ist gewaltdurchzogen. In der ARTE-Dokumentation „Indien – Gewalt im Lande Gandhis“ kommen Menschen zu Wort, die – wenn nicht selbst – in ihrem unmittelbaren Umfeld die rohe Gewalt erfahren haben. Besonders Mädchen und Frauen werden tagtäglich Opfer von Gewalt und (Massen-) Vergewaltigungen. Gewalt als gesellschaftliches Instrument ist nicht nur in Indien tief in der Gesellschaft verwurzelt, es ist auch ein fundamentales Strukturmerkmal, das das facettenreiche Land mit einer Vielzahl an Religionen und Ethnien „zusammenhält“. Indien ist berüchtigt für die Gewaltexzesse gegen Mädchen und Frauen, es ist aber auch bekannt für Korruption und mangelnde Aufklärungsbereitschaft, wenn es darum geht, die Täter entsprechend zu bestrafen, sagt die indische Menschen- und Frauenrechtsaktivistin Teesta Setalvad. Eine flächendeckende Emanzipation von der sozialen Ungleichheit ist durch das Kastensystem praktisch unmöglich, zu starr geregelt sind die Rollen jedes Einzelnen in diesem System.
Dabei soll auch die staatlich-geförderte Gewalt gegen religiöse Minderheiten nicht unerwähnt bleiben. Über 180 Millionen der 1,2 Milliarden Inder*Innen sind Muslime, die insbesondere im Zuge des übergreifenden Hindu-Nationalismus Opfer von Pogromen werden. Einer, der für diese Exzesse mitverantwortlich ist, sitzt nun in Neu-Delhi, der Hauptstadt Indiens: Premierminister Narendra Modi, ehemals Gouverneur des westindischen Bundesstaates Gujarat, verkörpert diesen religiösen Nationalismus, urteilt der politische Beobachter und Menschenrechtsanwalt, Colin Goncalves. ARTE befragt Expert*Innen aus Politik, Wirtschaft, Religion und spricht mit Opfern von Vergewaltigungen und Pogromen. Ein Versuch, mit deren Analysen und Erlebnissen das Phänomen der Gewalt im Lande Gandhis zu ergründen. Indiens Vielfalt wird auch in der vierteiligen Doku-Reihe „Zoom auf Indien“ deutlich, in der Fotografen das Wort haben und bildstark von einem hin- und hergerissenen Land erzählen. Die Videos sind in dieser Reihenfolge über folgende Links zu erreichen:
- https://www.youtube.com/watch?v=7JGK7TGdqsk „Zoom auf Indien – Soziale Ungleichheit“
- https://www.youtube.com/watch?v=_6Lxj2VmNGc „Zoom auf Indien – Aufbruch in die Moderne“
- https://www.youtube.com/watch?v=o9QfKDceh2Q „Zoom auf Indien – Persönliche Erinnerungen“
- https://www.youtube.com/watch?v=n5RrNlWB29g „Zoom auf Indien – Das Unfertige Land“