Trotz der Auswüchse des (neoliberalen) Turbokapitalismus, welche immer mehr Menschen trotz Hochkonjunktur in Deutschland zu spüren bekommen, kommt die Partei DIE LINKE und andere linksgerichtete Parteien hierzulande bei Wahlen nicht ganz von der Stelle. An dieser Stelle ein paar streitbare Vorschläge, wie es besser werden könnte – auch außerparlamentarisch.
Zur Diskussionskultur
In diversen Gremien werden Streitigkeiten in den sozialen Netzwerken oder in den Medien offen ausgetragen. Sei es zwischen Katja Kipping und Sahra Wagenknecht, sei es zwischen Jugendverbänden mit der Mutterpartei oder zwischen einzelnen linksgerichteten Parteien. Man könnte beispielsweise meinen, dass Parteien wie eine linksextremistische MLPD die Partei DIE LINKE zum Hauptgegner schlechthin auserkoren hat. Böse formuliert: Als gänzlich Fremder könnte man manchmal meinen, die Linken sei genug mit sich selbst beschäftigt und der Wähler störe dabei nur. Dafür wurde eure Partei nicht gegründet!
Versteht mich nicht falsch: Diskussionen sind essentiell wichtig für eine lebendige Demokratie, auch innerparteilich, und sollten ausgetragen werden. Schlimm wird es, wenn persönliche Fehden in den Medien ausgetragen werden. Derjenige, der dann garantiert gewinnt, ist der politische Gegner. Also: Wer Solidarität fordert, sollte diese sich auch selber zu Herzen nehmen.
Die Sache mit den Strömungen
Betrachten wir das ganze doch mal anders am Beispiel der Partei DIE LINKE: Wo gibt es – im Vergleich mit anderen 10%-Parteien so eine Vielfalt unterschiedlicher Strömungen? Vielfalt ist doch keine Begrenzung sondern ein Gewinn – gerade im Zeitalter der zunehmenden gesellschaftlichen Individualisierung. Vor Jahren las ich in der Kommentarspalte einer Onlinepublikation den in etwa folgenden Satz: „Pack‘ sieben Linke in einen Raum und es kommen sieben unterschiedliche linke Strömungen heraus.“ Diese Aussage trifft es auf den Punkt. Das linke Lager besteht aus unterschiedlichen Strömungen – Gott sei Dank!
Vergesst nicht, dass wir alle gleiche Ziele haben: Soziale Gerechtigkeit, Frieden, Bekämpfung der Fluchtursachen, etc. pp. Wie heißt es so schön? Viele Wege führen nach Rom!
Der Sprachstil
Ich durfte mehrfach bereits in diversen linken Publikationen lesen, dass die Arbeiter nicht mehr erreicht werden können. Im gleichen Text wurden ferner Begriffe wie Imperialismus, Revisionismus, Akkumulation – inklusive der Voraussetzung, man kenne diese – feuchtfröhlich verwendet. Dabei rede ich nicht nur von (partei)internen Schriften, sondern von Werbematerialien. Wie sollen bitte Leute diese Texte verstehen und für linke Bewegungen gewonnen werden, wenn ebendiese aus einem nicht-akademischen Umfeld kommen? Wer in Vollzeit arbeitet hat oftmals weder die Muße noch die Kraft sich durch einen Wald der Fachbegriffe zu kämpfen.
Derzeit lässt sich – wohl auch deswegen – feststellen, dass die Partei DIE LINKE einen Wandel in ihrer Wählerschaft erlebt. Sozioökonomisch benachteiligte Bevölkerungsgruppen, umgangssprachlich die „kleinen Leute“ genannt, werden weniger, während das Milieu der Urbanen und akademisch Gebildeten zunimmt. Dies machte sich u.a. bei den Wählerwanderungen der letzten Wahlen deutlich.
Auf dem hohen Ross
Ich selber habe bereits jede Menge andere Linke unterschiedlicher Couleur kennen gelernt. Darunter waren welche, deren Fachwissen und Expertise ich unglaublich schätze – leider betrifft dies nicht ihr Verhalten in Diskussionen und Meinungsaustäuschen. Bei einer von ihnen abweichenden Meinung wurde manche lauter und beleidigend; die andere Meinung denunziert. Ein konstruktiver Austausch sieht anders aus und brachte in diesen Situationen niemanden weiter.
Ich habe erfahren dürfen, dass ich mit einer respektvollen und wertschätzen Diskussion selbst Konservative und andere Rechte eher erreichen und ggf. zum Nachdenken anregen kann (Im klassischen Sinne gehört der Konservatismus zur politischen Rechten, wird aber aufgrund der negativen Assoziation zur NSDAP von vielen Konservativen vermieden). Eine Verwandte, welche des Öfteren (unbewusst) rassistische Äußerungen von sich gegeben hat, erhielt von mir Denkanstöße, ihre Position zu überdenken: „Nein, nicht alle Schwarze sind arbeitsfaule Asylanten, mittlerweile sitzen Afrodeutsche im Bundestag.“ „Ja, es hat seine guten Gründe, warum so viele Geflüchtete Mobiltelefone haben.“ Etc. pp. Es ist in der Tat unglaublich nervenaufreibend und anstrengend (und gelingt mir auch nicht immer), aber es lohnt sich oft: Zum meinem Erstaunen teilte mir diese Person Monate später mit, dass sie jede Menge Kleidungsstücke an Flüchtlinge gespendet hat. Ich biete diesen Leuten keine offenkundige Verurteilung, sondern eine Reflexion an über die von ihnen getätigten Aussagen.
Kurz: Viele Leute, die wir erreichen könnten, wollen keinen Oberlehrer mit erhobenen Zeigefinger oder gar einen, der sie beleidigt (Gabriel: „Das Pack“). Warum sollen sie dann zu uns kommen? Holen wir die Leute von dort ab, wo sie stehen. Zeigen wir ihnen, dass eine neoliberale und rassistische AfD keine Alternative ist, sondern dass wir die Alternative sind, welche alle Menschen gleichermaßen am Leben teilhaben lassen möchte!
Die DDR-Keule
Was auch mir lange Zeit einen Einstieg bei der Linken unmöglich erschienen lies, ist die vorangegangene Epoche des sogenannten „Realsozialismus“. Auch ich stellte DIE LINKE und andere Parteien mit der DDR bzw. der SED gleich. Meines Erachtens liegt es daran, dass DIE LINKE bislang nicht in der Lage ist, dieses Thema ausreichend zu kommunizieren. Und dabei finden sich alleine schon so einige schlagfertige Argumente auf der Homepage. So wird u.a. mitgeteilt: Ehemalige Mitglieder der Blockparteien der DDR finden sich auch in anderen Parteien, vor allem der CDU und der FDP, an die auch deren Vermögen überging. Das scheint aber kein Thema der politischen Auseinandersetzung zu sein. Tatsache ist, dass mehr als 95% der ehemaligen SED-Mitglieder nicht mehr Mitglied der PDS geworden sind.
In der DDR gab es nicht nur die SED, sondern auch andere Parteien, die so genannten „Blockflötenparteien“, welche die damalige verheerende autoritäre Politik mitgetragen haben: Die Christlich-Demokratische Union Deutschlands und die Demokratische Bauernpartei Deutschlands, beide aufgegangen in der CDU sowie die Liberal-Demokratische Partei Deutschland und National-Demokratische Partei Deutschlands, beide aufgegangen in der FDP. Erst kurz vor der Wende fingen diese Parteien an, auf Distanz zur SED zu gehen. Warum wird dies nicht in den Debatten verwendet, wenn die DDR-Keule von Leuten aus eben diesem Umfeld kommt?
Das DIE LINKE sich massiv gewandelt hat, lässt sich auch an vielen Abgeordneten feststellen. So waren beispielsweise Sahra Wagenknecht und Anke Domscheidt-Berg selber Repressionen in der DDR ausgesetzt.
Unterschiedliche Baustellen, die alle wichtig sind
Ab und an hatte ich den Eindruck, als wenn unter Linken und (potentiellen) Wählerinnen und Wähler ein Wettstreit darüber herrsche, welches Thema nun das wichtigste sei.
Ich bedauere dieses Konkurrenzdenken und halte eine gewisse Solidarität für geboten, welche jedem Menschen, der eine Baustelle beackern will, gelten sollte.
Ob es ein Kampf ist gegen Ausbeutung, Rassismus und/ oder Hasskriminalität, ob es eine Solidarisierung gegenüber der LGBTIQ-Gemeinde (d.h. Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender etc.) ist, ob es eine Bekämpfung der Umweltverschmutzung und der Ressourcenvernichtung ist oder ob es ein Einstehen für soziale und/ oder feministische Werte ist. Allesamt haben sie ihre Berechtigung.
2 Antworten
Im ersten Teil ein sehr guter, mir voll aus dem Herzen sprechender Beitrag, den ich vielen Linken hier im Netz empfehlen möchte. I, zweiten Teil, wenn es um die DDR-Vergangenheit geht, tauchen die Schwächen des Nicht-Reflektierens und Nichtwissens auf, die aber etwas mit dem Geburtsjahrgang des Autors, 1990, zu tun haben mögen. Dennoch ein wichtiger Text zum Nachdenken.
Siehe auch:
“Eine neue linke Sammlungsbewegung: Was muss sie leisten?”: https://wipokuli.wordpress.com/2018/02/15/eine-neue-linke-sammlungsbewegung-was-muss-sie-leisten/
Grüße