Soleimani-Attentat – Trumps Fake News und das Schweigen der Medien

Anfang des Jahres tötete US-Präsident Trump den iranischen General Qassem Soleimani, der nach Revolutionsführer Ali Khamenei als zweitmächtigster Mann im Land galt, auf dem Baghdad International Airport per Drohne – eine illegale, außergerichtliche Exekution. Der irakische Premierminister Adil Abd al-Mahdi enthüllte nun, dass Soleimani sich bei seiner Ermordung auf einer Friedensmission befand und überführt damit Trumps Aussage von den „bevorstehenden Angriffen“ der Lüge.

von Max Blumenthal

Die US-Regierung behauptet, den iranischen General Soleimani vor allem deshalb getötet zu haben, um „unmittelbar bevorstehende“ Anschläge zu verhindern, zu deren Planung er sich im Irak aufhielt. Eine dreiste Lüge, wie es der irakische Premier gestern klarstellte. Soleimani sei vielmehr – mit Wissen und Billigung Trumps – auf dem Weg zu bilateralen Friedensgesprächen zwischen Iran und Saudi-Arabien unterwegs gewesen, die die irakische Regierung vermittelt habe. Der Mord war also ein Attentat auf einen diplomatischen Emissär und gleichzeitig auch eine Sabotage des regionalen Friedensprozesses. Geht es noch schlimmer?

Über diese Meldung und die (fehlende) Berichterstattung dazu hat sich US-Journalist Max Blumenthal Gedanken gemacht. Die NachDenkSeiten haben seinen Artikel ins Deutsche übertragen.

Der irakische Premierminister enthüllt, dass Soleimani sich bei seiner Ermordung auf Friedensmission befand und überführt damit Trumps Aussage von den „bevorstehenden Angriffen“ der Lüge

Die Trump-Regierung behauptete, der iranische General Qassem Soleimani plane „unmittelbar bevorstehende Angriffe” auf US-Bürger, als er ermordet wurde. Diese Lüge wurde nun zerstört, aber nicht bevor unzählige Medienunternehmen sie der Öffentlichkeit weiterverbreiteten.

In einem verzweifelten Versuch, die Ermordung des iranischen Generalmajors Qassem Soleimani durch US-Drohnen zu rechtfertigen, berief sich US-Außenminister Mike Pompeo darauf, dass die Regierung eine „nachrichtendienstliche Einschätzung“ vorgenommen habe, wonach Soleimani in der Region „aktiv“ an einem Angriff auf amerikanische Interessen arbeitete, bevor er getötet wurde.

Präsident Donald Trump begründete seine schicksalhafte Entscheidung, den iranischen General zu töten, in einer noch deutlicheren Sprache und erklärte, dass Soleimani „unmittelbar bevorstehende Angriffe“ auf diplomatische Einrichtungen und Personal der USA im Nahen Osten plante. „Wir haben letzte Nacht Maßnahmen ergriffen, um einen Krieg zu stoppen“, so Trump. „Wir haben nichts unternommen, um einen Krieg zu beginnen.“

Trumps zweifelhafte Begründung für ein unbestreitbares kriminelles Attentat wurde in den großen Medien wiederholt – oft ohne jegliche Skepsis oder Debatte.

Bei einer Pressekonferenz des US-Außenministeriums am 3. Januar, bei der Reporter endlich die Möglichkeit hatten, Beweise für die Behauptung einer „unmittelbaren“ Bedrohung einzufordern, bekam ein US-Beamter einen Wutausbruch: „Jesus, müssen wir erklären, warum wir diese Dinge tun?”, bellte er die Presse an.

Nur zwei Tage später, als der irakische Premierminister Adil Abdul-Mahdi vor dem Parlament seines Landes sprach, wurde Trumps Rechtfertigung für die Ermordung von Soleimani als zynische Lüge entlarvt. Abdul-Mahdi zufolge hatte er vorgehabt, Soleimani am Morgen des Todes des Generals zu treffen, um über eine diplomatische Annäherung zu diskutieren, die der Irak zwischen dem Iran und Saudi-Arabien vermittelte.

Abdul-Mahdi sagte, Trump habe sich – während er bereits das Attentat plante – noch persönlich bei ihm für die Bemühungen bedankt und so den Eindruck erweckt, der iranische General könne sicher nach Bagdad reisen.

Soleimani war nicht in Bagdad eingetroffen, um Angriffe auf amerikanische Ziele zu planen, sondern um die Deeskalation mit Saudi-Arabien zu koordinieren. Er wurde also tatsächlich auf einer Friedensmission getötet, die eine politische Distanz zwischen der Golfmonarchie und Mitgliedern der von den USA geführten Anti-Iran-Achse, wie Israel, hätte schaffen können.

Die katastrophalen Folgen des Mordes an Soleimani erinnern an die Ermordung von Mullah Akhtar Muhammad Mansur, einem Taliban-Führer, der ein friedliches Ende der US-Besetzung Afghanistans aushandeln wollte. Mansurs Tod führte schließlich dazu, dass die Hardliner unter den Taliban, die einen totalen militärischen Sieg über die USA anstelle einer Verhandlungslösung anstrebten, an Einfluss gewannen, dies löste eine Zunahme der Gewalt im ganzen Land aus und machte damit die Hoffnung auf Verhandlungen zum US-Truppenabzug zunichte.

Nach der Ermordung von Soleimani hat das irakische Parlament beschlossen, alle US-Truppen aus dem Land zu vertreiben und der iranische Groß-Ayatollah Ali Khamenei schwor „empfindliche Rache“ an den „Verbrechern, die ihre Hände mit dem Blut Soleimanis und der anderen Märtyrer befleckt haben“, zu üben.

Trump twitterte seinerseits eine Litanei gangsterähnlicher Drohungen, kündigte an, iranische Kulturstätten zu zerstören, wenn Iran Vergeltung üben wurde, und drohte dem Irak Sanktionen „wie nie zuvor“ an, sollten die US-Truppen ausgewiesen werden.

Trumps verräterisches Attentat hat die USA näher als je zuvor an einen Krieg gegen ein Land herangeführt, das militärisch mächtiger ist als jeder Gegner, mit dem es seit dem Koreakrieg konfrontiert war. Und wie bei der gescheiterten US-Invasion im Irak beruhte Washingtons Casus Belli für die Auslösung dieses Konflikts auf gefälschten Informationen, die von Regierungsbeamten an Amerikaner verkauft wurden, und auf nachgiebigen Hauptstadt-Medien, die als Megaphon fungierten.

Mit der Behauptung „bevorstehender Angriffe“ hat die Trump-Regierung die Warnung von Condoleeza Rice aus dem Jahr 2003 im Wesentlichen neu aufgelegt: „Wir wollen nicht, dass der rauchende Colt ein Atompilz ist.“ Damals griffen die USA einen souveränen Staat an, um Massenvernichtungswaffen zu beseitigen, die nicht existierten. Dieses Mal wurde der zweitwichtigste iranische Regierungsmitarbeiter getötet, um Terroranschläge zu verhindern, die nie geplant waren. Und die Beamten der Trump-Regierung wussten nur zu genau, dass sie lügen.

Tatsächlich schlug Pompeo Trump bereits vor einigen Monaten die Ermordung von Soleimani vor – lange bevor Angriffe „unmittelbar bevorstanden“. Nach dem Mord an dem General gab ein US-Regierungsbeamter gegenüber der New York Times bekannt, dass die NSA die Kommunikation zwischen Irans oberstem Führer, Ayatollah Ali Khamenei, und General Soleimani abgefangen habe, nach der der Ayatollah noch keine Pläne des Generals für einen Angriff gebilligt habe.

Aber die schlagenden Beweise, dass Trumps Rechtfertigung für die Ermordung von Soleimani eine gigantische Lüge ist, hat nicht das gleiche Medieninteresse hervorgerufen wie die Lüge selbst.

Am 3. Januar verbreiteten gleich drei CNN-Reporter die Desinformationen der Trump-Regierung über Soleimani und behaupteten ohne eine Spur von kritischer Distanz, er plane „gezielte Angriffe auf US-Interessen, einschließlich US-Personal“.

Nachdem die Geschichte veröffentlicht worden war, wandte sich der Chefreporter von CNN, Jim Sciutto, an eine andere offizielle US-Quelle, um sein inzwischen diskreditiertes Stück Kriegspropaganda zu „bestätigen“. Nach der Logik von Sciutto muss es wahr sein, wenn mehr als ein US-Beamter etwas sagt.

Sciutto ist nicht irgendein gewöhnlicher außenpolitischer Reporter. Während der Obama-Ära nahm er eine Stelle als Stabschef an der US-Botschaft in Peking an und stellte sich in den Mittelpunkt des aufziehenden Kalten Krieges zwischen Washington und China. Sciutto, der jetzt wieder am Nachrichtenpult von CNN sitzt, gibt sich gerne als wilder Kritiker von Trump aus und versorgt das Pentagon und das Außenministerium mit zuverlässigen stenografischen Diensten.

Kein Präsident in der jüngeren Geschichte wurde vom Hauptstadt-Pressekorps so verachtet wie Trump. Fast alles, was er sagt, stößt auf Verachtung und Misstrauen, auch wenn er die Wahrheit sagt.

Wenn Trump und seine Regierung aber versuchen, die Öffentlichkeit gegen einen vermeintlichen Bösewicht in den Krieg zu locken, reagiert die Speerspitze der Medien mit reflexhaftem Vertrauen und zuckt die Achseln, wenn die Lüge am helllichten Tag aufgedeckt wird.


Dieser Artikel von Max Blumenthal erschien zuerst auf The Grayzone und wurde von den NachDenkSeiten ins Deutsche übersetzt.Die Freiheitsliebe bedankt sich bei allen Beteiligten für ihre großartige Arbeit – connect critical journalism worldwide!

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Eine Antwort

  1. Es wäre wirklich mal eine schöne Geste von Twitter, wenn sie Trump-Posts gar nicht online stellen würden. Stattdessen eine kurze Meldung – wie die der GEMA auf Youtube – mit dem Hinweis, dass der Inhalt gegen geltendes Recht verstieße…

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