Foto: Susie Knoll / SPD Saar

Iran: Maas spielt mit dem Feuer

Im Juli 2015 vereinbarten die USA, die EU, Großbritannien, Frankreich, Russland, China und Deutschland mit dem Iran, dass dieser alles Nuklearmaterial im Land ausschließlich zu friedlichen Zwecken verwenden sollte. Im Gegenzug dazu sollten die Sanktionen gegen den Iran schrittweise aufgehoben werden. International galt der „Joint Comprehensive Plan of Action“ (JCPoA) als großer Erfolg.

Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) überprüfte die Einhaltung der Vereinbarungen regelmäßig mit dem „weltweit robustesten Monitoring-Regime“ und bestätigte bis Ende 2018 in zwölf Berichten, dass sich der Iran an seine Verpflichtungen hielt.

Dann stieg die Trump-Regierung aus dem JCPoA aus und verkündete die „Politik des maximalen Drucks“. Die Eskalationsspirale nahm Fahrt auf. Auf Angriffe gegen saudi-arabische Ölanlagen, Tanker im Persischen Golf und westliche Militärstützpunkte im Irak, die dem Iran zugerechnet wurden, folgten US-Luftangriffe auf Stellungen der pro-iranischen Milizen und im Januar 2020 der Mord an dem iranischen General Soleimani durch eine US-Drohne. Im November 2020 wurde bekannt, dass Trump sogar beabsichtigt hatte, eine iranische Atomanlage zu bombardieren; Berater hatten ihn zuletzt davon abbringen können. Viele Beobachterinnen und Beobachter fürchteten, dass Trump als Wahlkampfclou noch einen Krieg gegen den Iran beginnen könnte. Zum Glück kam es nicht dazu.

Die Verschärfung der US-amerikanischen Sanktionen hatte allerdings da bereits zu Verwerfungen geführt: Der Ölmarkt brach ein, die Währung verfiel, Wasserknappheit, Stromausfälle, steigende Lebensmittelpreise, ein drastischer Mangel an Medikamenten und wachsende Korruption erschütterten den Iran. Rund 60 Millionen Iranerinnen und Iraner sind inzwischen auf staatliche Hilfen angewiesen. Bei sozialen Unruhen 2019 starben über 300 Menschen. Inzwischen ist die Zahl der gegenüber dem Iran verhängten US-Sanktionen auf über 1.500 gestiegen, der iranische Präsident Rohani schätzt den dadurch verursachten Schaden für sein Land auf 200 Milliarden US-Dollar. Im März 2020 kam die Covid-19-Pandemie dazu: Die Johns-Hopkins-Universität hat inzwischen mehr als 60.000 Todesfälle im Iran gezählt, die iranischen Behörden melden täglich 7.000 Neuinfektionen, Tendenz steigend.

Mitte 2019 begann die iranische Regierung damit, ihr wichtigstes Druckmittel gegen den „Wirtschafts- und Medizin-Terrorismus“ der USA zu nutzen, und startete ihren Anreicherungs-Countdown: Ein Jahr nach dem Ausstieg der USA aus dem JCPoA begann die iranische Atomindustrie, Uran über das im Vertrag festgelegte Limit von 3,67 Prozent hinaus anzureichern. Anfang 2021 meldete die iranische Atomenergiebehörde, man habe mit der 20-prozentigen Anreicherung begonnen und sei sogar schon in der Lage, 40 bis 60 Prozent zu produzieren. Der Countdown läuft: Uran gilt ab einem Anreicherungsgrad von 85 Prozent als atomwaffenfähig.

Wer den Iran wirklich davon abhalten will, sein Atomwaffenprogramm wieder aufzunehmen, muss dafür sorgen, dass das Land daraus auch Nutzen zieht. So war auch Außenminister Maas noch im Juni 2020 zu verstehen, als er gegenüber der Presse erklärte, es sei klar, dass der Iran sich derzeit nicht an das Nuklearabkommen halte. Auch wenn niemand wolle, dass der Iran irgendwann eine Atombombe bauen könne oder weiter in der Region zündele, werde man „dieses Ziel (…) jedoch nicht mit einem Wettbewerb erreichen, wer am lautesten Irans Verfehlungen auflistet und sich ansonsten nicht an der Suche nach einer Lösung beteiligt“.

Doch nur sechs Monate später, im Dezember 2020, nach der Abwahl von Donald Trump, knallte auch Außenminister Maas den Iranern die Tür der Diplomatie vor der Nase zu und stellte überraschend fest: „Eine Rückkehr zum bisherigen Abkommen wird nicht ausreichen. Wir haben klare Erwartungen an Iran: keine Nuklearwaffen, aber auch kein ballistisches Raketenprogramm, das die ganze Region bedroht. Außerdem muss Iran eine andere Rolle in der Region spielen.” Damit schwenkte er auf den Kurs von Donald Trump ein, der seine Politik immer damit begründet hatte, man wolle den Iran über den Verzicht auf Atomwaffen hinaus zu weiteren Zugeständnissen zwingen. Das iranische Außenministerium wies umgehend jede Ausweitung der Verhandlungen zurück. Man werde, was das Raketenprogramm betreffe, hinsichtlich der nationalen Sicherheit weder Kompromisse machen noch verhandeln.

Inzwischen ist klar: Das von Maas geforderte „Nuklearabkommen Plus“ entspricht weitgehend dem „Verhandlungsangebot“, mit dem auch Joe Biden nach seiner Wahl in den Ring gestiegen ist. Hatte er noch im Wahlkampf immer wieder angedeutet, er wolle zurück zum JCPoA, ließ er im Januar seinen Außenminister Blinken erklären, Washington sei noch weit entfernt von einem Wiedereintritt in das Atomabkommen. Statt einem Zeichen der Entspannung gab es von den USA Ende Februar erstmal einen Luftangriff auf pro-iranische Milizen in Syrien, einen Warnschuss Richtung Teheran sozusagen.

Währenddessen signalisiert Irans Präsident Ruhani weiterhin, der Iran wolle die Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde weiterführen und am Atomwaffensperrvertrag festhalten. Erst letzte Woche bekräftigte er den Willen Teherans, zum Stand von 2018 zurückzukehren: Der Iran werde seine Verpflichtungen aus dem Abkommen wieder vollständig erfüllen, wenn die USA ihre Sanktionen gegen den Iran aufheben. Eine große Chance also, die der Westen umgehend ergreifen sollte. Aber den deutschen Außenminister schert heute sein Geschwätz von gestern nicht mehr und er stimmt laut ein in den Wettbewerb, wer den Iran am lautesten anklagt.

Die Hardliner in Washington fordern von Biden, die Sanktionen nicht aufzuheben, weil das Washington als schwach erscheinen ließe. Biden spielt auf Zeit und Heiko Maas hilft fleißig, Öl ins Feuer zu gießen. Die Folge ist, dass die Hardliner im Iran, die nicht verhandeln wollen, an Boden gewinnen. Die kooperationswilligen Ansprechpartner stehen vor dem hungernden Volk mit leeren Händen da. Deutschland hat ohne Not seine Rolle als Vermittler aufgegeben.

Den USA mag es in ihre Schurkenstaat-Doktrin passen, wenn sich bei den Präsidentschaftswahlen im Juni die fundamentalistischsten Kräfte im Iran durchsetzen, weil die sich viel besser als Feindbild zur Legitimation der eigenen Kriegs- und Rüstungspolitik eignen, als prinzipiell gesprächsbereite Politiker. Aber für das iranische Volk, das unter dem brutalen Regime der Mullahs ebenso ächzt wie unter der Geißel der Sanktionen, ist das Ganze eine Katastrophe.

Wenn die SPD demnächst mit Abrüstungs- und Friedensparolen für sich wirbt, sollten wir nicht vergessen, welche desaströse Rolle ihr Außenminister in diesem traurigen Stück gescheiterter Abrüstungspolitik gerade spielt, indem er sich ohne Not zum Regime Change-Büttel der USA macht und Deutschlands Renommee als ehrlicher Makler für ein bisschen Beifall aus Washington verzockt.

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4 Antworten

  1. An den Autor:

    Der Iran hat auch mit „moderaten“ Politikern wie Rohani Gewalt und Terror in der Region verbreitet besonders durch die Unterstützung der Hisbollah Hamas und den Houthis. Das Atomdeal war wirklich schlecht da manche Punkte nur ein paar Jahre gelten würde.

    Durch die Sanktionen hat der Iran weniger Möglichkeiten bekommen den Terrorismus zu unterstützen. Das Meiste Geld das der Iran durch den Handel bekommen würde, würde er sicher sowieso zur Waffenherstellung und Terrorismus nutzen.

    Man muss die Illusion aufgeben das der Iran ein friedliches Land werden kann, solange die Terrormullahs an der Macht sind, die daran glauben das Allah ihnen dabei helfen wird Israel zu vernichten. Diesen Glauben werden diese Islamisten wohl nie aufgeben.

  2. Die Linken nehmen in der Regel keinerlei Rücksicht auf die alltägliche Realität des unterdrückten Lebens unter einer brutalen Diktatur im Iran, die bei der Hinrichtung von Dissidenten, Künstlerinnen, Feministinnen und Menschenrechtsaktivistinnen nur von China übertroffen wird. Wann werden sich sie Linken bedingungslos mit den sozialen Kämpfen im Iran solidarisieren – etwa mit den mutigen Frauen, die 2018 massenhaft öffentlich ihren Hijab abnahmen, um so gegen die patriarchalen Zwänge ihrer Gesellschaft und ihres Regimes zu protestieren, oder mit den Massenprotesten vom Januar 2020?

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