Machen Linke nur noch Identitätspolitik und Gendersternchen?

Der Vorwurf von Ralf Krämer und Sahra Wagenknecht ist bekannt: Linke kümmern sich heute zu viel um Identitätsfragen. Damit gingen „die selbstgerechten“ Linken Stück für Stück dem Untergang entgegen, so Wagenknecht.* Ähnlich argumentiert auch Ralf Krämer – ein wichtiger intellektueller Vertreter des Wagenknecht-Flügels in der LINKEN. Tatsächlich deuten sie den Umbruchprozess in der Linken gefährlich oberflächlich als Debatten um Identitätspolitik.

Dem möchte ich hier energisch widersprechen.

Linke Identitätspolitik oder Mainstream?

Die Debatte um Identitätspolitik wirkt wie aus der Zeit gefallen. Die „Identitätspolitiken“** der Frauen-, Schwarzen- und Homosexuellenbewegung für gleiche Rechte sind seit den 1970ern in der Linken und der Gesamtgesellschaft sehr präsent. Die vormals linke „Identitätspolitik“ ist heute Mainstream. Männer dürfen in der Ehe nicht mehr vergewaltigen, Homosexuelle dürfen offen miteinander leben und die rassistische Diskriminierung hat etwas abgenommen. Debatten über Gleichberechtigung der Geschlechter, zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft und Religion sind im Mainstream allgegenwärtig.

Die Kritik von Krämer und Wagenknecht ist immer da stark, wo sie die Widersprüche der liberalen Gleichstellungspolitik herausarbeitet. Heute wird viel über Quoten für gut verdienende Frauen in Aufsichtsräten debattiert, aber gleichzeitig werden Millionen Frauen als Mütter hart diskriminiert, so Krämer. Immer noch gehören alleinerziehende Mütter zu den ärmsten Teilen der Bevölkerung. Von echter Klassenpolitik würden Frauen und Menschen mit Migrationsgeschichte weit mehr profitieren als vom Gendersternchen oder dem Aufstieg einzelner auf der Karriereleiter. Die neuen Aufstiegsmöglichkeiten der Einzelnen machten die, teils krasse, Benachteiligung ganzer Gruppen unsichtbar.

Auf diese Leerstelle liberaler Gleichstellungspolitik weisen Krämer und Wagenknecht richtigerweise hin. Nur leider wiederholen sie die Fehler der Liberalen im Namen der sozialen Frage. Hinter der roten Fahne der Gleichheit sollen sich alle als Gleiche einordnen. Damit machen sie aber Ungleiche zu Gleichen. Dabei schwingt nicht zuletzt etwas 60er-Jahre-Nostalgie mit: Es soll doch bitte sein wie früher. Nur waren die linken Organisationen der 1970er von der männlichen Industriearbeiterschaft dominiert. Frauen und Menschen mit Migrationsgeschichte waren stark marginalisiert und das auch in linken Organisationen. Diese Zeiten gehören heute (erstmal) der Vergangenheit an. Dank besserer Ausbildung und besseren Jobmöglichkeiten werden sich Frauen und Menschen mit Migrationsgeschichte nicht einfach wieder dermaßen unterordnen (lassen). Dafür ist das Selbstbewusstsein und die Qualifikation vieler Frauen und Menschen mit Migrationsgeschichte längst zu groß. An ihnen führt kein Weg vorbei.

Die Veränderungen innerhalb der Arbeiter*innenklasse und die Aufstiegsmöglichkeit vormals völlig marginalisierter Teile der Gesellschaft stellen uns vor eine Situation, die weder einfach ist noch ohne Widersprüche. Im Gegenteil, die stärkeren Auseinandersetzungen um Fragen der Identität und der Klasse seit den 1970ern sind angesichts der neuen Umstände erwartbar. Nun kann sich die Linke dieser Aufgabe stellen oder unter dem Deckmantel der Identitätspolitik-Kritik in die Schützengräben von gestern begeben (und schmollen).

Unsoziale Milliennials oder Boomerfetisch Russland?

Die geschwundene politische Stärke der Industriearbeiterklasse trifft die Linke nichtsdestotrotz hart. Genauso erzeugt die Akademisierung der Arbeiterkinder und der Linken ab den 1970ern Spannungen. Sie verändert den Charakter der vormaligen Arbeiterparteien. Wagenknecht und Co. kaschieren diese Entwicklung mit einer Identitätsdebatte. Statt die Prozesse zu bearbeiten, behaupten Wagenknecht und Krämer pauschal, vor allem jüngere Linke würden sich weniger um soziale Fragen kümmern. Aber ist das so?

Ich behaupte: Das Gegenteil ist richtig. Die jüngeren Linken kümmern sich mehr um soziale Belange als die Generation der 1960er und 70er Jahre. Didier Eribon zettelte bekanntlich die Klassendebatte in Deutschland an. Er schrieb darüber, dass sich die Linken ab den 1970ern mehr um außenpolitische Fragen als um Klassenfragen gekümmert hätten. Das trifft auf die Boomergeneration in Ost und West zu. Auch heute noch kümmern sich überproportional viele linke Bundestagsabgeordnete um außenpolitische Fragen. Jeder Antrag zu Russland erregt die Gemüter mancher Wagenknechtianer*in mehr als klassenorientierte Anträge.*** Für den Fokus auf Russland gibt es manche Gründe – nur sollte man dann weniger mit dem Finger auf andere zeigen.

Vorwärts nimmer, rückwärts immer? Kulturalisierung der Debattenkultur

Im Namen der sozialen Frage entwickeln Linke wie Wagenknecht eine regelrechte Obsession gegen das Gendersternchen. Das Schwinden der Arbeiter:innen in linken Organisationen reduzieren Wagenknecht und Krämer damit letztlich auf ein Sprach- und Kulturproblem. Dabei verabschiedete sich ein großer Teil der Arbeiterklasse von der Linken vor allem unter den neoliberalen Regierungen der Sozialdemokraten ab den 1980er bis 2000er Jahren – also lange, bevor es Gendersternchen gab. Warum reden Wagenknecht und Krämer nicht mehr über Gerhard Schröder und das Versagen der Sozialdemokratie, sondern über Gendersternchen?

Nun sind Sprach- und Kulturprobleme keine Kleinigkeiten. Die angelernte Sprache der Studierten trennt die Milieus und selbst die Arbeiterkinder von ihren Eltern. Diese Sprachbarrieren gehen durch linke Gruppen. Akademiker:innen verhalten sich dominanter, rechthaberischer und fahren anderen eher über den Mund. Wer das im Alltag nicht erlebt hat, kann das bei Didier Eribon oder Christian Baron nachlesen.

Vor allem Sahra Wagenknecht greift außerdem den Globalisierungs-Spin der Starsoziolog:innen Andreas Reckwitz, Cornelia Koppetsch und Thomas Piketty auf: Der „globalistischen“ liberalen Ober- und Mittelklasse steht die nationale Arbeiterklasse entgegen. Wer viel Geld verdient, kann sich liberale Ansichten und Weltoffenheit leisten. Wer wenig hat, denkt regional oder national, aber vor allem konservativ. Damit scheren Reckwitz, Koppetsch und mit ihnen Wagenknecht sämtliche Gesellschaftsklassen über einen Kamm: Die Arbeiter:innen und einfachen Angestellten sind in diesem Bild samt und sämtlich rückständig. Die Besserverdienenden – zu denen sie selbst zählen – sind fortschrittlich. Teils stimmt das Bild auch. Aber eben nur teilweise, so weist die AfD-Fraktion prozentual die meisten Abgeordneten mit Doktortitel auf. Trotz hoher Bildung vertreten sie rückständiges Gedankengut par excellence. Umgekehrt sind europaweit Menschen aus sozialen Berufen ohne Studium deutlich fortschrittlicher.

Während Reckwitz und Koppetsch keine Lösungen anbieten, scheint die Antwort von Krämer und Wagenknecht in kulturellen Schuldzuweisungen an andere Linke zu bestehen. Würde die Linke mit der Identitätspolitik aufhören, wäre alles wieder im Lot, so das Mantra. Letztlich behaupten sie, die Linke würde ihre alte Stärke erreichen, wenn sie allein dieselben linken Forderungen der letzten 40 Jahre wiederholen würde. Warum ist in den letzten 40 Jahren niemand auf diese Idee gekommen?

Das einzig „Originelle“ ist lediglich die Forderung nach mehr gesellschaftlichem Konservatismus in der Linken in punkto Geschlechterfragen, Klimaschutz, Nationalstolz, Migrationspolitik und Rassismus. Der linke Rettungsanker und lichte Gegenpol zur Identitätspolitik liegt laut Wagenknecht in etwas mehr Sozialkonservatismus. Folgerichtig besteht ihre ganze Strategie darin, für eine andere – etwas konservativere – linke Kultur zu werben. Damit befördern sie aber genau die Kulturalisierung der Debatten, die sie an der Identitätspolitik so sehr kritisieren. Nicht nur das, auch ihr Ziel ist unrealistisch. Wer die Debatte so aufzieht, provoziert am Ende viel eher die Spaltung der Linken und verspielt damit die Chance auf breitere Mehrheiten. Auf der einen Seite stünde eine stark gealterte Boomer-Linke. Auf der anderen eine jüngere Linke aus Akademiker:innen und sozialen Berufen, denn eine linksnationale Strategie dürfte die neu hinzugewonnene junge linke Generation fast gänzlich verprellen. Das ist keine Kleinigkeit. Lange schien es, als hätte die Linke in Deutschland keine größere Zukunft. Seit den Sozialprotesten 2004/05 und der Gründung der LINKEN ist davon keine Rede mehr.

Liberale US-Debatten nicht einfach übernehmen!

Es ist kein Zufall, dass konservative und rechte Vordenker wie Ulf Poschardt oder Alexander Gauland den Spin der volksfernen abgehobenen Linken nach Kräften unterstützen. Letztlich profitiert die Rechte von der Kulturalisierung der Debatten und einer Spaltung der Linken. Linke sollten entweder der Kulturalisierung von Debatten entgegentreten oder eine übergreifende linke Kultur (wieder-)entwickeln.

Zudem sollte die Linke nicht ungeprüft Debatten aus dem US-Kontext übernehmen oder sich Deutungsmuster von Liberalen wie Reckwitz zu eigen machen. Wenn über den Niedergang linker Parteien geredet wird, ist meist die Sozialdemokratie gemeint. Nun verallgemeinern Reckwitz, Piketty und Wagenknecht einfach die sozialdemokratischen Niederlagen auf alle linken Kräfte.

Das gilt genauso für ihre liberalen oder linksliberalen Gegenspieler. Wer nur die Demokratie als Leerformel feiert und den sozialen Gehalt der Demokratie vergisst, verdrängt zugleich, wer die Demokratie erkämpfte: Das war auch in Deutschland 1918 die Arbeiterbewegung – gegen die Liberalen. Die bloße (grünliberale) Proklamation von Vielfalt und sprachlicher Genauigkeit sind noch lange keine Strategie.

Gerade im akademischen Raum gibt es die Tendenz, Diskriminierungsverhältnisse nur zu addieren, ohne über eine gesellschaftliche Durchsetzungsperspektive nachzudenken. Über das hehre Ziel geht einigen Linken im akademischen Elfenbeinturm der Blick für die teils konservativen gesellschaftlichen Realitäten und die nötige Klassenpolitik verloren. Auch Moral braucht Strategie. Wollen ist nicht gleich Können. Ohne gemeinsames Ziel wird das schwer: Ein Haufen unterschiedlicher Grüppchen mit reinen Teilinteressen wie die zersplitterte Mosaiklinke oder die Multitude sind eher eine politische Diagnose als ein linkes Rezept. Nur sieht es bei Wagenknecht kaum anders aus. Eine positive Ersatzidentität für den verlorenen linken Arbeiterstolz und die Fortschrittserzählung kann auch sie nicht bieten. Wenn die Ideen fehlen, simuliert wenigstens der innerlinke Streit etwas Profil.

Ihre Strategie zielt voll und ganz auf die ältere Generation. Das ist in einem alten Land wie Deutschland keine abwegige Kurzfrist-Strategie – nur wie viel Zukunft und Erfolg hat die Anrufung der Vergangenheit? Ihre hehre Anrufung des goldenen Sozialstaats der 1970er war das Ergebnis eines Klassenkompromisses. Den kündigten die Herrschenden auf – nicht die Linken oder die Arbeiterklasse. Daher kommt er durch die bloße Anrufung nicht zurück.

Besser Umbruch als Abbruch

Die Linke befindet sich in einem historischen Umbruchprozess. Letztlich ist der vermeintliche Konflikt über die Identitätspolitik ein alter Konflikt, der schon das Werk von Karl Marx durchzieht. Marx forderte in seinem Kommunistischen Manifest zweierlei: Die Kommunisten sollten die am weitesten vorwärtstreibende Kraft und gleichzeitig Ausdruck der ganzen Arbeiterklasse sein. Nun ist die Klasse wie das Volk hier und da konservativ und manche Forderungen der Linken wirken avantgardistisch. Wer die Gesellschaft verändern will, muss nach vorne preschen und gleichzeitig möglichst viele mitnehmen. An diesem Spannungsverhältnis zu scheitern, ist leicht. Das macht Wagenknecht ebenso vor wie manche kleine Grüppchen mit wahlweise visionären oder eben verrückten Ideen, die sie teils zu Recht kritisiert.

Die mediale Aufmerksamkeitslogik bläst die absurdesten Forderungen groß auf. Wer sie beachtet, adelt sie nur. Wer das Gendersternchen ins Zentrum der Klassendebatte rückt, macht auch nur Symbolpolitik. Andersrum gilt aber auch: Wer die Linke wegen Wagenknecht für unwählbar hält, dem ist die Bekämpfung sozialer Ungleichheit offenbar nicht so wichtig. Wagenknecht steht exemplarisch für einen Teil der mehrheitsfähigen Linken. Es ist besser, mit ihr und ihren Anhänger:innen in einer schlagkräftigen Partei zu streiten, als einsam Recht zu haben. Auch wer Verbindungen der Klassen nur postuliert, tigert selbstgewiss im Blätterwald. So oder so gilt es Spannungen auszuhalten und die Widersprüche der Zeit nicht zu vertiefen.

Ich gebe ehrlich zu, das ist nicht viel. Die Umbrüche der linken Klassenpolitik sind weit weniger erforscht als die Rechten. Das macht auch meine Überlegungen hier unzureichend. Aber manchmal ist es besser, weiter den normalen linken Everyday-Job zu tun als das Falsche. Der Kampf gegen soziale Ungleichheit und die Formierung der Klasse ist Maulwurfsarbeit. Die Idee des einfachen, gradlinigen Fortschritts wie sie Hegel mit seinem Weltgeist beschrieb, gehören der Vergangenheit an. Man muss sich den Weltgeist als stolperndes Wesen vorstellen.

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* Die Veröffentlichung des Buches von Sahra Wagenknecht ist mit dem Bundesparteitag der LINKEN auf das Frühjahr verschoben worden.

** Es ist leider unklar, was Krämer oder Wagenknecht unter Identitätspolitik verstehen. Klar ist, dass Anliegen der Frauen-, Schwarzen-, Homosexuellen- und migrantischen Bewegung gemeint sind. Diese Unklarheit ist eine zentrale Schwäche.

*** Gemäß der antiimperialistischen Theorie konzentriert sich die Kritik eher am Imperialismus des eigenen Landes. Das ist richtig – nur beißt sich das mit der etwas nationalen Schlagseite und dem Fokus auf die im Land lebende Arbeiterklasse. Dieser Widerspruch der Leninschen Imperialismustheorie in den Metropolen lässt sich nicht ohne weiteres auflösen.

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3 Antworten

  1. Es tut mir ja leid, lieber Janis, aber ich bin von deinem Text total enttäuscht. Du hattest angekündigt, eine Antwort auf meinen Text auf Freitag.de zu liefern, und zwar eine, die ernsthafter ist als die m.E. ziemlich unterirdische Replik von Sabine Skubsch (die ich dort auch kommentiert hatte). Das löst du aber nicht im Mindesten ein. Vielleicht deshalb lieferst du nicht mal einen Verweis auf meinen Text, so dass die Leser:innen selbst prüfen könnten, was ich tatsächlich schreibe. Denn du kritisierst nicht, was ich schreibe, sondern ein Bild, das du selbst malst und einem „Wagenknecht-Flügel“ zuschreibst, und das mit meinem Text herzlich wenig zu tun hat.

    Mich einfach in die Schublade „intellektueller Vertreter des Wagenknecht-Flügels“ zu stecken, finde ich auch nicht in Ordnung. Ich würde mich so nicht bezeichnen und einordnen. M.E. ist Sahra Wagenknecht eine wichtige Persönlichkeit der LINKEN ist und ich teile viele ihrer Einschätzungen, aber nicht alles und jedenfalls nicht jede ihrer Äußerungen. Jedenfalls habe ich in dem Text meine Auffassung aufgeschrieben und nicht die eines „Wagenknechtflügels“.

    Ich habe dabei in meinem Text sehr sorgfältig formuliert, um Missverständnissen und Fehlinterpretationen möglichst wenig Raum zu geben. Das nützt natürlich wenig, wenn die Repliken sich gar nicht auf das beziehen, was ich geschrieben habe, sondern auf Unterstellungen und Interpretationen, die sie mir ohne Beleg zuschreiben. Das Feld dafür erweitert sich noch sehr, wenn man sich dabei auf alle möglichen zusammengerührten angeblichen Auffassungen eines „Wagenknecht-Flügels“ bezieht. Es gibt keine einzige Aussage von mir in dem Text, die du konkret kritisierst, so wie ich sie geschrieben und gemeint habe, keine einzige.

    Ich will nur auf einige Unterstellungen eingehen. Das fängt schon mit der Überschrift an (die aber vielleicht nicht von dir ist). Jedenfalls hab ich und ich denke hat auch Sahra nie behauptet, es machten „Linke nur noch Identitätspolitik und Gendersternchen“. Ok., in der Tat spreche ich mich dafür aus, den Kampf für gemeinsame Interessen ins Zentrum linker Politik zu stellen, auch um dabei auch rassistische, sexistische und andere gegen bestimmte Gruppen gerichtete Haltungen und Verhaltensweisen zurückzudrängen. Zu behaupten, dabei ginge es um 60er-Jahre –Nostalgie (da war ich kleines Kind) und Unterordnung von Frauen und Menschen mit Migrationsgeschichte, finde ich ziemlich schräg und unfreundlich.

    Dann behaupte ich angeblich „pauschal, vor allem jüngere Linke würden sich weniger um soziale Fragen kümmern“. Ist es irgendwie zu viel verlangt, bitte das zu kritisieren, was ich tatsächlich behaupte? Vielleicht soll es sich darauf beziehen: „Überhaupt wird im jüngeren (und mittelalten akademischen, vom „cultural turn“ der Geistes- und Sozialwissenschaften, Poststrukturalismus und Postmoderne beeinflussten) linken Milieu die Bedeutung von Diskursen und Symbolpolitik gegenüber materiellen sozialen Verhältnissen und unmittelbaren Erfahrungen notorisch überschätzt.“ Das ist aber eine ziemlich andere Aussage. Das mit dem angeblichen „Boomerfetisch Russland“ ist auch Stuß und wäre höchstes akzeptabel als Antwort auf Vorwürfe z.B. eines angeblichen „Antirassismus-Jugendfetisch“. Sowas hab ich und hat m.E. auch Sahra aber nicht geschrieben.

    „Warum reden Wagenknecht und Krämer nicht mehr über Gerhard Schröder und das Versagen der Sozialdemokratie, sondern über Gendersternchen?“ – die nächste schräge Unterstellung. Ich schreib gar nichts von „Gendersternchen“ und mir – und auch Sahra – muss niemand etwas über Schröder, den Neoliberalismus und das Versagen der Sozialdemokratie erzählen als Grund für die Abwendung eines großen Teils der Arbeiterklasse von der Linken. Allerdings von der Sozialdemokratie, es erklärt nicht unbedingt die zunehmende Distanz von der LINKEN. „Würde die Linke mit der Identitätspolitik aufhören, wäre alles wieder im Lot, so das Mantra.“ – auch das behauptet niemand, soweit ich wüsste. „Forderung nach mehr gesellschaftlichem Konservatismus in der Linken in punkto Geschlechterfragen, Klimaschutz, Nationalstolz, Migrationspolitik und Rassismus“ – noch so ein Quatsch, in dem ich mich nicht wiederfinde und der nur dazu dient, sich einer inhaltlichen Diskussion der realen Fragen zu entziehen.

    Zum Schluss: „hehre Anrufung des goldenen Sozialstaats der 1970er (…) kommt er durch die bloße Anrufung nicht zurück.“ Auch das behauptet m.E. niemand, ich jedenfalls nicht. Weder dass der „golden“ war – allerdings besser als manche angeblich besonders linke Kritiker:innen behaupten – und erst recht nicht, dass er durch Anrufung zurückkäme. Was noch nicht mal das Ziel ist, weil es selbstverständlich um mehr geht und um einen Sozialstaat, der den heutigen veränderten Bedingungen und Anforderungen gerecht wird. Also wirklich, wie soll so eine ernsthafte Diskussion möglich sein, die vielleicht sogar weiter führen könnte?

    EDIT Freiheitsliebe, hier Ralfs Text: https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/gemeinsam-fuer-eine-bessere-zukunft-kaempfen

    Und Replik von Sabine Skubsch https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/anachronismen-ueberwinden

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