Frankfurt: Protest gegen „Kopftuchdebatte“

Das „Frankfurter Forschungszentrum Globaler Islam“ (FFGI) organisierte am 8. Mai eine ganztägige Konferenz unter dem Titel „Das islamische Kopftuch – Symbol der Würde oder der Unterdrückung?“. Es war nach Beginn des Ramadan-Festes, was es Muslimen erschwert hat, sich daran beziehungsweise an den Protesten dagegen zu beteiligen.

Die Konferenz fand unter der Schirmherrschaft des hessischen Ministeriums für Soziales und Integration statt, was nochmals die politische – im Gegensatz zu einer vorgegebenen wissenschaftlichen – Dimension der Veranstaltung unterstreicht. Vertreten war auch das Landeskriminalamt Hessen in Gestalt ihrer Präsidentin Sabine Thurau. Susanne Schröter, die Leiterin des FFGI, hob hervor, dass ihr Institut eng mit dem Landeskriminalamt kooperiere. Also geht es doch um Sicherheitspolitik. Um das nochmals zu unterstreichen, war die Polizei mit mehreren Mannschaftswagen vor Ort und es gab strengste Eingangskontrollen zum Gebäude. Wir selbst wurden gebeten, uns von unserem Standort gegenüber dem Eingang in gut 40 Metern Entfernung ganz weg auf die andere Straßenseite zu bewegen, wo überhaupt kein Mensch unseren Protest wahrgenommen hätte.

Etwa 30 Protestierende, zumeist Muslima, mit und ohne Kopftuch, mussten wortwörtlich drei Stunden draußen im Regen verharren. Eine unter ihnen hatte bereits vor über drei Wochen ihre Teilnahme an der Konferenz schriftlich eingereicht (das war Bedingung für den Zutritt) und erhielt nur einen Tag davor die Absage. Interessant an dem Zusammenhang ist die Tatsache, dass ihr Professor genau das vorhergesagt hatte: Sie würde wegen ihres Namens nicht teilnehmen dürfen. Es hat sich mittlerweile herausgestellt, dass eine weitere Studentin mit arabischem Namen, die sich ebenfalls vor Wochen gemeldet hatte, ebenfalls keinen Zutritt erhielt. Das zeigt, welchen Wert auf einen realen und kontroversen Diskurs die Veranstaltenden haben! Außerdem ist es schier unverständlich, dass bei 700 Anmeldungen lediglich ein Raum mit nur 150 Plätzen zur Verfügung gestellt wurde. Man wollte offensichtlich unter sich bleiben.

In der Mittagspause kam Alice Schwarzer, eine der Rednerinnen, auf uns zugestürmt und fasste eine Muslima an, wogegen sie protestierte. Darauf sagte Schwarzer im verächtlichen Ton, sie dächte, nur Männer dürften sie nicht anfassen! Die gleiche Schwarzer hatte zuvor Maryam Hübsch, die einzige Rednerin, die sich gegen die Stoßrichtung der Veranstaltung positionierte, als „Hübschchen“ gegrüßt.

Verfälschung durch Auslassung

Unser Protest war laut und bunt. Wenn es nicht so geregnet hätte und es nicht die Zeit des Ramadans gewesen wäre, wäre er sicherlich größer gewesen. Aber es war Presse und Fernsehen da, viele Interviews wurden gegeben.

Ein Mann, der eine Muslima direkt als „Islamofaschistin“ anging, erhielt von uns eine Strafanzeige und musste von der Polizei abgeführt werden (weil er sich weigerte zu gehen).

Ich selbst durfte als Aktivist von „Aufstehen gegen Rassismus“ eine kurze Ansprache halten. Ich wies auf den Zusammenhang zwischen dem Namen des Zentrums „Globaler Islam“ und der imperialistischen Politik Deutschlands im Nahen Osten hin. Denn „Globaler Islam“, den es so gar nicht gibt, suggeriert „globale Gefahr“ auf die eine „globale Antwort“ erfolgen müsse.

Die Konferenz richtete sich ausdrücklich gegen die Ausstellung „Contemporary Muslim Fashions“ im Frankfurter Museum für Angewandte Kunst (die Freiheitsliebe berichtete), so Schröter in ihrem Eingangsstatement.

Die gesamte Konferenz wurde aufgenommen und steht (oder stand) als Livestream zur Verfügung. Ich habe daraus große Teile an dieser Stelle aufgeschrieben.

In Schröters Augen sei das Kopftuch eine „repressive Ästhetik“, so der Titel ihres Referats. Was als Freiwilligkeit anfange, ende mit Zwang. In ihrem Vortrag zeigte sie Beispiele für Freizügigkeit, was Frauenbekleidung anbelangt, in Hauptstädten wie Istanbul, Kairo oder Kabul in den 1950er bis 1970er Jahren und kontrastierte sie mit dem heutigen Straßenbild. Alles ohne die jahrzehntelangen imperialistischen Zerstörungen dieser Länder auch nur mit einem Wort zu erwähnen. Das nennt man Verfälschung durch Auslassung. Auf die sich radikal verschlimmernde wirtschaftliche Lage der großen Mehrheit der Bevölkerung ging sie in ihren Ausführungen nicht ein. Der Rollback in diesen Ländern sei „ausschließlich dem politischen Islam geschuldet“, der beispielsweise die breite und berechtigte iranische Revolution gehijackt habe (was stimmt – aber wie es dazu kommen konnte, erklärt sie nicht).

Der Rollback gegen Frauen durch alle herrschenden Klassen weltweit, ob islamisch geprägt oder nicht, ist für sie kein Thema! Sie erwähnt die Propaganda von mancher ultrakonservativen islamischer Organisation für das Tragen des Kopftuchs durch Schulmädchen und zieht Parallelen zu den Identitären (nicht aber zur rechten „Demo für alle“ oder der AfD mit ihren Forderungen nach Abschaffung jeglichen Sexualunterrichts). Ihre Rede schließt sie mit den Worten: „Wir reden nicht über die kopftuchtragende Frau, wir reden über ein System.“

Der Populismus der Alice Schwarzer

Als „Expertinnen“ in Sachen Kopftuch sprachen nach ihr Alice Schwarzer und Necla Kelek, die bekanntlich seit vielen Jahren gegen den Islam wettern.

Schwarzers Thema war „Von Teheran bis Neukölln. Der Siegeszug des politisierten Islams, nicht zuletzt dank einer falschen Toleranz“. Zu Beginn ihres Referats gratuliert sie der Universität für ihren Mut, mit dieser Konferenz für das „Ende des Sprachverbots“ einzutreten – ganz so, also ob Deutschland von rückwärtsgewandten Islamisten beherrscht wäre. Sie geht noch weiter und gibt den Gegnern der Konferenz die alleinige Schuld dafür, Menschen in die Arme der Rechtspopulisten zu treiben! Konvertitinnen wirft sie vor, vor zu viel Freiheit zu flüchten. Dem im Jahr 1994 gegründeten Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) wirft sie „Zynismus“ vor, weil der Name an dem des Zentralrats der Juden angelehnt sei.

Der ZMD habe eine große Nähe zur Muslimbruderschaft, dem „Nest des politischen Islams“. Die Kopftuchdebatte heute vergleicht sie mit der Debatte über die Klitorisverstümmelung in den 1970er Jahren, wo auch argumentiert worden sei, es seien eben andere Sitten und ein anderer Glaube: Kulturrelativisismus, das Weigern, die Menschenrechte für alle gelten zu lassen, sei das. Sie unterstellt den islamischen Verbänden, „schariagläubig“ zu sein, mit ihnen solle man nicht in den Dialog treten, weil sie nicht die Millionen Muslime in Deutschland vertreten würden. Das Kopftuch sei die „Flagge des politisierten Islams“ und „den Männern, die das Kopftuch befürworten, empfehle ich, es selbst anzuziehen“, so ihr Schlusswort, womit sie die Bedeutung des Kopftuchs für Muslima einfach ins Lächerliche zog.

Aus dem Publikum meldete sich dann ein Vertreter des AStA. Dieser stellte fest, der „politische Islam“ sei eine enorme Gefahr, es seien ja „faschistische Ideologien“, und es stelle sich die Frage, mit welcher Strategie dagegen gefahren werden sollte. Worauf Schröter antwortet, auf der nächsten Veranstaltung des FFGI im Juni würden Bundespolitiker über die Sinnhaftigkeit des Dialogs mit dem politischen Islam debattieren, der ja auf allen Ebenen „sehr viel Geld“ für „sehr problematische Dinge“ erhalte.

Schwarzer dozierte: „Die Politik dialogisiert zu 90 oder 95 Prozent mit islamistischen Kräften und schiebt ihnen Millionen rüber.“ Der Islamismus als rechte und internationale Ideologie muss bekämpft werden, es sei „kurz vor zwölf“. Auf eine weitere Frage meinte Schwarzer: „Das ist erstaunlich, dass die dritte Generation weniger integriert ist als die zweite.“ Auf eine ganz besonders gehässige Breitseite gegen die Grünen antwortet Schwarzer, sie hätten „in den letzten Jahrzehnten bei der Verwischung zwischen Islam und Islamismus eine fatale Rolle gespielt haben … indem sie einen undifferenzierten ›Multikulturalismus‹ praktiziert haben.“ (Viel Klatschen im Publikum. Bis zu diesem Zeitpunkt gab es keinen Widerspruch zu allen vorgetragenen Thesen!)

Schröter ihrerseits lehnt den Begriff „antimuslimischer Rassismus“ ab, weil er als ein „Kampfbegriff benutzt werde, um die Debatte über den politischen Islam von vornherein zu delegitimieren … Und wenn man sich anschaut, wer diesen ›Terminus‹ verwendet, und wer auch den Parallelterminus der ›Islamophobie‹ verwendet, da sehen wir da solche Akteure wie Herrn Erdogan … der den Kampf gegen die vermeintliche Islamophobie und Islamfeindlichkeit in Europa betreibe, da sehen wir Herrn Khamenei aus dem Iran, der in die gleiche Richtung geht“.

Dann erwähnt sie Finkelkraut, der wegen des Vorwurfs des antimuslimischen Rassismus nicht mehr lehren dürfe, woraufhin Schwarzer das Mikro an sich nimmt und vom Antisemitismus spricht, der ein „dunkles Erbe in den islamischen Ländern“ sei und vom „politischen Islam befeuert wird“. Zum Schluss dieser Runde verurteilt aus dem Publikum die ehemalige Dezernentin für Integration, Nargess Eskandari, im Namen des Frankfurter Magistrats die Angriffe auf Schröter in aller Schärfe. „Natürlich“ müsse man eine Kopftuchdebatte führen, meint sie, sieht Parallelen zwischen der Ausstellung Contemporary Muslim Fashion und der Steinigung von Frauen (worauf Schröter demonstrativ klatscht) und stellt die Frage, wofür man sich 1945 von den Nazis befreit habe? (Hier gibt es doch Protest aus dem Publikum. Insgesamt ist Nargess’ Beitrag so verworren, rein grammatikalisch, dass man auch beim vierten Zuhören nicht erfassen kann, was sie überhaupt sagt – und das lag nicht an der undeutlichen Aussprache.)

Etwas später sagt Schwarzer: „Der international bestens vernetzte und organisierte Islamismus, der mit Milliarden Petrodollars arbeitet, ist weiter in der Offensive. Der Zustand der westlichen Universitäten … ist hoch beunruhigend. Also im Namen einer Imperialismuskritik und der Identitätspolitik und so weiter wird ein Kulturrelativismus gepredigt und es grassieren die Denkverbote. Nein, wir sind noch lange nicht am Ende der Strecke.“ (Lautes Klatschen)

„Geburtenjihad“ und „Wissenschaftsfreiheit“

Kelek, Vorstandsvorsitzende von „Terre des Femmes“, sprach sich in ihrem Beitrag für ein Kopftuchverbot bis zum 18. Lebensjahr aus.

Schröter selbst hat eine lange Tradition des Kampfs gegen den Islam. Im Rahmen des Politischen Salons der Konrad Adenauer Stiftung in Mainz am 26. November 2016 sprach sie von „Geburtenjihad“, also der von der AfD immer wieder propagierten These der „Umvolkung“ Deutschlands. Sie schränkt zwar ein, man solle zwischen dem Islam als Religion und dem politischen Islam unterscheiden, um diese Einschränkung mit ihrer Behauptung gleich wieder zu relativieren, der Islam habe ja in früheren Jahrhunderten mal eine positive Rolle gespielt, aber jetzt nicht mehr.

Manchen Jugendverbänden wie den Muslimischen Pfadfindern attestiert sie gute Arbeit, das seien Beispiele eines Islams also, „gegen den man nahezu gar nichts sagen kann, … der die Religion nicht zu hoch hängt, der keinerlei Ambitionen hat, irgendwo die Scharia einzuführen, der die Trennung zwischen Religion und Politik befürwortet, das alles gibt es, aber all diese Gruppen, diese Ausprägungen eines freundlichen, vielfältigen Islams sind ganz stark unter Druck fundamentalistischer Gruppierungen … und sind in Deutschland noch in der Minderheit.“ Antisemitismus sei ein Merkmal des islamischen Fundamentalismus. Man sieht, die Wissenschaft einer Schröter bemüht sich um „Ausgewogenheit“ und spricht in ihrem Grußwort von der „Verteidigung der Wissenschaftsfreiheit“ und davon, dass ihre Gegner ihre Forschung zum politischen Islam zu „diskreditieren“ versuchten, kippt aber sehr schnell in Vorurteile beziehungsweise schürt diese selbst.

Gute und schlechte Moslems

Als Gegenpart zu diesen beiden „Spezialisten“ sprachen dann nach der Mittagspause Dr. Dina El-Omari von der Universität Münster und Dr. Abdel-Hakim Ourghi von der Pädagogischen Hochschule Freiburg über alternative und historisierende Lesarten des Korans aus, anstelle einer literalen. Ihre Beiträge sind für sich genommen hochinteressant. Ziel sei es, den eigentlichen Geist oder Kern des Korans in unsere Zeit herüberzuretten, was nur gelingen kann, wenn man ihn in seiner Zeit und seinem Kontext situiert. Problem dabei ist, dass diese Beiträge ohne Bezug zu den im Kern rassistischen Vorträgen des Vormittags standen und letztlich als Munition für die Islamfeinde dienten, die partout zwischen „guten, modernen Moslems“ und „schlechten, rückwärtsgewandten Moslems“ angeblich unterscheiden wollen, um letztlich alle Moslems zu verunglimpfen. Auf ihre Exegese gehe ich daher nicht näher ein.

Erst im Rahmen des dritten Panels spricht endlich die Publizistin Khola Maryam Hübsch, Spoken Word Künstlerin, Mitglied der Ahmadiyya Muslim Jamaat, von 2001 bis 2006 und 2009 bis 2011 bundesweite Beauftragte für den interreligiösen Dialog, zum Thema „Unter dem Schleier die Freiheit: Was der Islam zu einem wirklich emanzipierten Frauenbild beitragen kann“.

Diese dritte Runde wird moderiert von einer Doktorandin Schröters, die zum Thema „Prävention von religiös begründetem Extremismus in der EU“ promoviert. Man sieht auch hier, wie das Thema „Sicherheit“ die ganze Debatte durchtränkt.

Hübsch beginnt ihren Vortrag mit der Beantwortung der (nicht nur von Muslimen gestellten) Frage, warum sie überhaupt an der Konferenz teilnehme und damit populistisch argumentierenden Islamkritikern Legitimität verleihe. Die Frage habe sie sich selbst gestellt, wenn vier von sieben Speakern sich vehement für ein verfassungswidriges Kopftuchverbot einsetzen und sechs von sieben die Meinung vertreten, das Kopftuch sei kein religiöses Gebot. Ob sie nur dafür eingeladen wurde, um Ausgewogenheit zu suggerieren? Aber man solle sich eben außerhalb der eigenen Bubbles bewegen und sich dem Diskurs stellen. (Klatschen)

Vorweg: Man dürfe nicht den Vorwurf des Rassismus benutzen, um Kritik zu verunmöglichen. „Kritik darf, kann und muss geäußert werden, selbstverständlich auch in Bezug auf Muslime.“ Aber welche Funktion habe eine Kritik? Muss die Forschung nicht auch die dominante Erzählung hinterfragen? Ist es nicht zu einfach, eine Kritik zu formulieren, die lediglich Mehrheitsmeinungen bestätigt? In einer Situation, in der eine bereits marginalisierte Minderheit pauschal diffamiert wird? Wie mutig ist es, eine Kritik zu äußern, die ohnehin von einer breiten Mehrheit geteilt wird? In einer Gesellschaft, in der die Muslimfeindlichkeit im Denken und Taten massiv zugenommen hat? Man denke an die über 1.000 islamfeindlichen Straftaten, die jährlich gemeldet werden.

Die geäußerte Kritik mag gerechtfertigt sein, das ist klar, aber es fehlt das Korrektiv gegenteiliger Beispiele. Der Vielfältigkeit der muslimischen Community wird nicht Rechnung getragen. Es ist die Gefahr eines einseitigen Diskurses von Stereotypen. Es gibt nicht nur die Frau, die zum Kopftuch gezwungen wird, es gibt auch die, die es ablehnt, weil sie sich vor Diskriminierung fürchtet, weil ihr Mann sie vorzeigbar haben möchte, und es gibt nicht nur die instrumentalisierte Mode, um eine „islamistische Propaganda“ zu promoten, es gibt auch das Bedürfnis muslimischer Frauen, sich modest zu bekleiden. Kopftuch als „politisches Symbol“, als „Flagge des Islamismus“, wie es Alice Schwarzer formuliert, um es dann mit dem Judenstern zu vergleichen?

Kolonialer Feminismus

Oder Necla Kelek, wenn sie erklärt: „Wenn sich Menschen freiwillig zu einem faschistischen System bekennen, kritisieren wir das doch auch.“ Sie erklären sich zu Retterinnen der muslimischen Frau, eine Hilfe, auf die wir gerne verzichten. Die White Saviours erklären die muslimischen Frauen zu unmündigen Opfern. Dazu passt es, dass Frau Schwarzer mich heute mit „Hübschchen“ angesprochen hat. Worauf ich antwortete: das „chen“ habe ich überhört. Und sie: Ach Sie waren so süß. Wundert es jemand, wenn Alice Schwarzer als alter weißer Mann wahrgenommen wird? Die „Befreiung der muslimischen Frau“ ist seit jeher ein zentraler Kern kolonialer Strategie. Es ist ein kolonialer Feminismus. Ein Feminismus aber, der beansprucht, der einzig wahre zu sein, ist übergriffig. Schlimmer noch: eine Weltreligion wird mit einem faschistischen System verglichen. Es hilft nicht, zwischen „Islam“ und „Islamismus“ zu unterscheiden, wenn alle Praktiken, die den Islam ausmachen, unter dem Label Islamismus subsumiert werden.

Was ist „Islamismus“? Was „politischer Islam“? Ist das Kreuz ein Symbol des politischen Christentums? Sind das nicht Griffe in eine rhetorische Trickkiste? Natürlich geschieht es immer wieder, dass er politisch instrumentalisiert wird. Aber wir sollten nicht der Logik autokratischer Regime folgen. 1,8 Milliarde Menschen sind Muslime. Ist es nicht Zeit, die Deutungshoheit wiederzugewinnen? Die fehlende Trennung zwischen Staat und Religion in großen Teilen der islamischen Welt ist in der Tat ein Problem. Die Neutralität des Staates ist notwendige Prämisse für Religionsfreiheit. 90 Prozent auch der hochreligiösen Muslime in Deutschland bekennen sich laut Bertelsmann-Untersuchung im Jahr 2015 zur Demokratie. 90 Prozent der Hidschabis tragen das Kopftuch aus religiösen Gründen und nicht aus politischen, und auch nicht wegen der Erwartung von Männern aus der muslimischen Community, laut einer Studie des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge 2009. 2004 nahmen 64 moslemische Verbände Stellung, dass das Kopftuch ein religiöses Symbol ist. Warum wollen die Islamkritiker es zu einem politischen Symbol machen?

Damit übernehmen sie doch die Lesart der Extremisten. Was ist mit der jüdischen Kippa oder der christlichen Haube? Neutralität bedeutet, dass keine Religion bevorzugt oder benachteiligt wird. Kopftuchverbote, auch für Kinder, sind verfassungswidrig, wie der wissenschaftliche Dienst des deutschen Bundestags 2017 bestätigte. Ein Großteil des Publikums klatschte, als gesagt wurde, der Islam müsse sich zum Grundgesetz bekennen. Aber es steht in unserem Grundgesetz, dass wir Minderheiten geschützt werden sollten.

Das krampfhafte Bemühen, das Kopftuch nicht als religiöses Gebot zu sehen, führt dazu, dass eine ansteigende Anzahl von Laien Muslimen erklären wollen, wie sie ihre Religion zu verstehen haben. Es gibt eine Vielfalt an Exegesen, wie wir heute Morgen gehört haben. Aber muss die Entscheidung nicht den Gläubigen selbst überlassen bleiben? An dieser Stelle führt Maryam Hübsch mehrere Stellen im Koran auf, die auf ein Kopftuchgebot hinweisen. So oder so sei es nicht die Aufgabe von Behörden oder Gerichten oder Andersgläubigen über religiöse Pflichten zu richten. Andererseits existiert in etwa der Hälfte der sogenannten islamischen Länder eine Strafe für Apostasie, den Abfall vom Glauben, und in manchen droht Frauen, die den Schleier nicht tragen, eine Strafe. Gerade hier müssen wir zwischen Religion und ihren Auslegungen und Politik unterscheiden.

Im Koran gibt es keine Stelle, in der weltliche Strafen für Apostasie aufgeführt werden. (Hier könnte man einwenden, dass nicht nur in arabischen Ländern, sondern auch im mittelalterlichen christlichen Europa Staat und Kirche zumindest eng miteinander verflochten waren.) Hier folgen weitere Exegesen des Korans, wonach Menschen nicht das Recht haben, sich als Sittenwächter über andere zu erheben. Ein Argument der Verbotsbefürwörter ist, das Kopftuch sexualisiere Frauen und erkläre Männer zu Triebwesen, die sich nicht kontrollieren könnten, wenn sie das Haar von Frauen sähen. Vielleicht wird diese Ansicht von manchen vertreten, es ist nicht die meine. Und es ist gefährlich zu meinen, der Islam vermittle dieses Menschenbild. Während des Monats Ramadan wird von allen Muslimen erwartet, 16 Stunden lang auf ihre Grundbedürfnisse zu verzichten.

Die weltweite #metoo-Bewegung zeige, wie falsch die Behauptung ist, dass ausgerechnet das Kopftuch Frauen sexualisiere. Man sehe die ganze Zeitschriftenindustrie mit ihren Vorgaben zur Optimierung der eigenen sexuellen Attraktivität, während Männerzeitschriften Frauenkörper als zu konsumierende Waren darstellen. Mädchen werden von frühester Kindheit erzogen, den männlichen Blick zu bedienen. Dieser Umstand ist mitverantwortlich für Selbstzweifel, Depressionen und Essstörungen. So gesehen müssten wir sehr vieles verbieten. Germanys Next Top Model gehörte dazu, gegendertes Spielzeug und vieles mehr. Ist es so schwer zu verstehen, dass das Kopftuchtragen ein Akt der Emanzipation sein kann, diesem Blick nicht dienen zu wollen? Frauen, die sich an gängigen Schönheitsnormen orientieren, sind ebenso wenig pauschal als Opfer eines kapitalistischen Patriarchats zu verstehen, wie Frauen, die sich für das Kopftuch entscheiden, pauschal als fremdgesteuerte Opfer einer „Männerreligion“ zu betrachten sind.

Ist es nicht ein antifeministischer Akt, die freie Entscheidung einer Muslima, ihre Spiritualität durch ihre Kleidung zum Ausdruck zu bringen, zu problematisieren und ihr zu unterstellen, sie sei nicht selbst in der Lage, über patriarchalische Strukturen nachzudenken? Es gibt auch den Fundamentalismus einer auf das Diesseits fixierten Weltsicht. Religion als Beziehung zu Gott kann als befreiend erlebt werden. Auch die Männerkleidung in der Berufswelt lenkt vom eigenen Körper ab. Der Anspruch der Gleichstellung wird konterkariert, wenn muslimischen Frauen der Zugang zum Arbeitsmarkt erschwert wird. Die Spiritualität von Menschen infragezustellen, bedeutet, ihre Identität infragezustellen. Wir müssen zusammenkommen im Kampf für die Gleichheit von Frauen.

Zwang und Glaube?

Alice Schwarzer – Bild David Paenson

Frage eines Mannes: „Danke für die neuen Sichtweisen … Es schwingt aber ziemlich viel Aggressivität in Ihrem Vortrag durch. Wieviel Patriarchat ist doch mit dem Tragen des Kopftuchs verbunden?“ Frau: „Gibt es in der Ahmadiya-Gemeinde einen Zwang zum Kopftuch? Oder dagegen, einen Freund zu haben usw.?“ Frau: Wenn es keinen Zwang im Glauben gibt, wie kann es ein Gebot zum Kopftuchtragen geben? Und zu Alice Schwarzer als Ältere Frau, ziehen Sie sich nicht in der Rolle des kleinen Mädchens hoch?“ (Ohs und Lachen)

Hübsch: „Zwang und Glaube? Eine gute Frage. Es gibt auch Mitglieder der Ahmadiya, die nicht das Kopftuch tragen. Wie frei die Frau in ihrer Entscheidung ist? Dazu gibt es nur wenige empirische Untersuchungen, eine habe ich zitiert: für 90 Prozent der Hidschabis ist es ein religiöses Gebot. Und das mit der Aggressivität, ist es nicht der typische Vorwurf älterer weißer Männer gegenüber jungen Frauen, wenn sie ihre Meinung sagen?“ (Viel Klatschen)

Kelek: „Ist das Kopftuchtragen in der Ahmadiya-Gemeinde Voraussetzung für ein Amt? Und was ist mit der Sittenpolizei Amuni?“ Mann: „Ehrenmord ist sehr verbreitet in der Ahmadiya-Gemeinde. Welche Rolle spielen dabei die Khalifen? Darf eine Frau aus dieser Gemeinde einen Sunniten heiraten?“ Frau: „Ok, dass sich Frau Hübsch unter ihrem Kopftuch wohlfühlt, aber schlecht ist es, dass sie in diesem Land Integrationsbeauftragte war. Wie kann das sein, dass an diesen Verein so viel Geld fließt? Wie lange wollen wir zugucken, dass unsere Kinder vor die Hunde gehen?“ (einiges Klatschen)

Frau: „Zu jedem Ihrer Sätze könnte ich eine Gegenrede halten. Sie halten sich für eine Feministin, was ist mit der jungen Frau, die von ihrem eigenen Bruder ermordet wurde, ’nur weil sie wie eine Deutsche leben wollte‘? Ist das nicht auch ein bissel rassistisch? Ich bin für das Selbstbestimmungsrecht, aber wäre es nicht an der Zeit, dass alle Frauen das Kopftuch ablegen aus Solidarität mit jenen Frauen, die zum Tragen gezwungen werden? Und nicht nur woanders, sondern auch hier in Europa?“ (schreit sie!) (viel Klatschen)

Hübsch: „Das Thema Ehrenmord ist nicht das Thema heute, ich gehe trotzdem darauf ein. Was der Khalif dazu sagen würde? Er würde das klar als unislamisch benennen, wie alle großen Gelehrten auch. Ehrenmorde haben nichts mit Religion zu tun. Das ist ein Beispiel dafür, wie alles vermischt wird, Religion, patriarchalische Strukturen, Kultur. Auch bei der Ahmadiya genauso. Es gibt 50.000 Mitglieder der Ahmadiya in Deutschland, wir sind seit vielen Jahrzehnten hier verankert, und in der ganzen Zeit gab es ein, zwei oder höchsten drei Ehrenmorde, und das von Gemeindemitgliedern, die aus sehr konservativen, bäuerlichen Gebieten stammen und einer patriarchalischen Struktur anhängen. Die Rolle der Gemeinde ist es, darauf hinzuweisen, dass das unislamisch ist. Ob Frauen austreten können? Klar, die Ahmadiya ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, als erste muslimische Gemeinschaft in Deutschland. Diesen Status bekommt man nur, wenn Transparenz herrscht. Für einen Austritt bedarf es nur eines informellen Schreibens. Frauen in Ämtern? Die Gemeinde vertritt den Wert, dass das Kopftuch ein religiöses Gebot ist. Wie in allen Organisationen oder Parteien sollen die Amtsträger die Werte der Gemeinschaft vertreten. Solidarität und Integration? Ja, volle Solidarität und gegen jeglichen Zwang. Diese Solidarität drücke ich damit aus, dass ich Position beziehe. Sie kann aber nicht darin bestehen, dass wir uns alle gleich machen. Auch wenn ein Messer benutzt wird, um andere Menschen umzubringen, heißt es doch nicht, dass ich kein Messer verwenden darf, um Butterbrot zu schmieren. (Klatschen) Integration? Ich bin Deutsche, warum soll das nicht gehen? (Klatschen) Wir leben im Jahr 2019 in einer freien Gesellschaft, und es Zeit, dass auch Frauen mit Kopftuch Positionen einnehmen können.“

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Rede Necla Kelek, Vorstandsmitglied von Terre des Femmes und Mitbegründerin der Initiative Säkularer Islam. Thema: „Petition. Den Kopf frei haben. Kinderkopftuchverbot in der Schule und Ausbildungsstätten“. Terre des Femmes kämpft gegen Frauenunterdrückung. Wir haben mehrere Referate, z.B. eins gegen weibliche Genitalverstümmelung, eine gegen häusliche und sexualisierte Gewalt, weitere gegen Frauenhandel und Prostitution, und das Referat gegen Gewalt in der Ehe, in dem ich besonders engagiert bin, Referate zu Zwangsverheiratung, zu Ausbeutung weiblicher Arbeitskraft, zu Flucht und Frauenrechte. Was uns in letzter Zeit beschäftigt, ist das Tragen vom Kopftuch. Es ist zu einem weltweiten Phänomen geworden, eins mit politischem Anspruch. Nicht alle bei uns waren für diese Petition. Es war eine knappe Mehrheit.“ (Es wäre interessant, die Gegenargumente zu erfahren, die führt sie aber nicht auf.)

„Denn wir sind überzeugt, dass das Tragen des Kopftuchs gerade bei Kindern eine Menschenrechtsverletzung ist. Das soll in der Öffentlichkeit für alle Personen unter 18 Jahren verboten sein. [Was ist zu Hause?] Ein Kind soll ein Recht auf Kindheit haben. [Militärdienst mit 17 Jahren?] Warum 18? Weil ein Kind vorher keine eigenen Entscheidungen treffen kann. Jeder soll sich in Kitas und sonstigen Ausbildungsstätten unabhängig vom Geschlecht entwickeln können. [Hosen für alle?] Ich wurde in einer säkularen Türkei geboren, wo das Kopftuch keine Rolle spielte. [Weil es ja verboten war, sehr zum Verdruss von Millionen Muslima!] Das war für die Bevölkerung ein erster Schritt zur Befreiung vom Patriarchat.“

Jetzt zeigt sie Beispiele für Fraueninitiativen im 20. Jahrhunderts in verschiedenen Teilen der arabischen Welt, auch Nassers Ablehnung des Kopftuchzwangs. „Nun, seit 1979 versuche das iranische Regime, die Welt zu islamisieren. Ihre Fahne dabei ist das Kopftuch, mit dem im Namen der Religionsfreiheit versucht wird, den öffentlichen Raum zu besetzen. [Interessant die Hervorhebung des Irans und nicht von Saudi Arabiens, Rüstungspartner Deutschlands.] Der Gerichtsprozess der angehenden Lehrerin Fereshta Ludin um ihre Anstellung als Lehrerin ist mehr als ein Stück Stoff, es geht um Religion, Freiheit, Apartheid (sic!), und Selbstbestimmung. Ich habe mir genau den Koran angeschaut. Das Kopftuch sollte auch dazu dienen, den sozialen Status der Frauen gegenüber den Sklaven zu dokumentieren, um sich Respekt zu verschaffen. Sklavinnen durften ihren Kopf nicht bedecken. Es handelt sich also, so meine Interpretation, um eine archaische Konvention zur Erhaltung der  Sittlichkeit. Sexuelle Gewalt muss eine ständige Bedrohung dargestellt haben. Heute in unserer Demokratie haben wir statt des Kopftuchs Gesetze gegen sexuelle Gewalt. Sie zwingen den Mann unter Strafandrohung zu Selbstdisziplin. Hier wird also nicht die Frau, sondern der Mann einer Einschränkung unterworfen. Die Sitte wurde eingeführt, um die Frau vor undisziplinierten Männern zu schützen.“ [Und warum haben sie ausgerechnet Männer eingeführt?]

„Frauenraub, Frauentausch, Frauenkauf und gar die Blutrache und der Umgang mit Sklavinnen werden auch nicht als religiöse Pflicht akzeptiert. Die Scharia war politisches Instrument der jeweiligen herrschenden Meinung. Die Scharia reduziert die Frau, so sehe ich das, auf ihre Sexualität. Die Frau galt als verführerisch und teuflisch. Der Mann ist öffentlich, die Frau auf die Privatsphäre verbannt. Sie gehört ihm. Der Frau wird Vernunft abgestritten, das ist mit unserem heutigen Grundgesetz unvereinbar. [Und wie hat das GG die Frauen bisher geschützt?] Das muslimische Kopftuch ist nicht mit dem Kreuz und der jüdischen Kippa gleichzusetzen. Im Gegensatz zu diesen, die eine Beziehung zu Gott symbolisieren, symbolisiert das Kopftuch die Reduzierung der Frau auf ihr Geschlecht. Daher lehne ich die Forderung nach Entfernung der Kreuze aus den Schulen ab. Wenn die Kopftücher verbannt sind, dann kann man nachträglich ein Kopftuch als Symbol an die Wand anbringen. (Klatschen) Als Demokratinnen und Demokraten dürfen wir nicht einen Fußbreit von den Grundrechten abweichen. In fast allen muslimischen Ländern gibt es ein die Frau einschränkendes Familienrecht. Wenn hier fünf- oder achtjährige Mädchen Kopftuch tragen, führen wir doch solche Familienstrukturen mit ein. Sie kann nicht mehr am Sportunterricht wie ihr Bruder teilnehmen, usw. Die wichtigste Selbstentdeckung, welchem Beruf sie nachgehen möchte, wird ihr vorenthalten. Natürlich hat auch der Bruder weniger Rechte. Auch eine emanzipierte Lehrerin oder Richterin mit Kopftuch transportiert ein bestimmtes Frauenbild. Welche geistige Gesinnung trägt sie unter ihrem Kopftuch? Ich meine hier Feministinnen. Unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit wird versucht, eine andere Gesellschaftsform zu etablieren, in der die Frauenunterdrückung eine Selbstverständlichkeit ist. Denn nur mit der Unterdrückung der Frau kann sich der Islam überhaupt Islam nennen. Das ist die Scharia-Struktur. (Klatschen) Ich selbst trage Kopftuch zu bestimmten Anlässen, wenn ich bete z.B. und der Besuch eines Grabs wäre für mich ohne Kopftuch undenkbar. Es gibt also viele Möglichkeiten, seine Religion frei auszudrücken. Hinter Frau Hübsch stehen 1,8 Milliarden Menschen und 50 islamische Länder.“

Fragen: Frau Referadi vom Zentralrat der Muslime: „Ich wundere mich über Ihre vielen Vorurteile und Unterstellungen. Sie unterstellen mir, dass ich das Kopftuch nicht für Gott, meinen Schöpfer, trage, sondern für meinen Mann oder andere Männer. Sie können gar nicht beurteilen, was in meinem Herzen ist. Sie werfen bedeckten Frauen Verdummung vor. (Unruhe im Publikum) Ich habe doch Medizin studiert.“

Frau: „Kann das Kopftuch nicht auch emanzipatorisch umgedeutet werden? Welche positive emanzipatorische Auswirkung erhoffen Sie sich von Ihrer Petition? Ist sie nicht reine Symptombekämpfung? Siehe die Studie in Frankreich.“

Frau: „Ich habe lange Jahre als Unternehmensleiterin Führungskräfte und Managerinnen gecoacht, Frauen mit und ohne Kopftuch. Wie kommen Sie zu der Einschätzung, dass eine Frau Kopftuch trägt, weil sie sich nicht traut? Sie bringen das immer wieder mit Sklaverei in Verbindung. Aber im Koran steht da keine einzige Verbindung zwischen Kopftuch und Sklaverei. Und wo ist der Beweis, dass Sklavinnen keinen Kopftuch tragen durften?“

Kelek: „Ich komme gar nicht auf die Idee, dass Sie unterdrückt sind, ich kenne Ihre Motive nicht. Darüber würde ich gerne länger mit Ihnen sprechen, warum Sie sich für das Kopftuch entschieden haben. Ich rede nicht von Individuen, sondern vom gesellschaftlichen Rahmen. Dank der römisch-griechischen Tradition können wir dieser Frage nachgehen. Was erwartet Allah von einer muslimischen Frau? Zu Frankreich habe ich eine ganz andere Studie, die belegt, es gab keinen Aufschrei gegen das Verbot. Mädchen legen das Kopftuch beim Betreten der Schule ab und ziehen es nachher wieder an. Die Schule ist nur ein Ort des Lernens, und nicht des Benehmens. In muslimischen Familien steht Allah über der Bildung. Warum haben wir so wenige Physikerinnen? Als Kind habe ich mit sexistischen Symbolen nichts zu tun. Der Staat muss diese Kinder schützen. (Klatschen) Wenn der Staat all diese Fähigkeiten wie Feinmotorik usw. Kindern nicht beibringt, was seine Pflicht ist, ist das rassistisch.“ (Klatschen)

Mann: „Frage zur Petition. Die Religionsmündigkeit beginnt mit dem 14. Lebensjahr. Wie bewerten Sie die Tatsache, dass in Frankreich immer mehr Muslima katholische Schulen besuchen, die vom Kopftuchverbot ausgenommen sind, statt die Regelschule zu besuchen?“ [Gute Frage!]

Frau: „Es wurde behauptet, das Kopftuch stelle auch einen Schutz für Frauen dar. Aber in islamischen Ländern werden Frauen mehr sexuell belästigt als in europäischen Ländern. 90 Prozent der Frauen in Ägypten werden auch mit Kopftuch belästigt. Wie erklärt sich, dass viele Frauen mit Kopftuch enge Jeans tragen, sodass man sogar ihre Slips sieht? Im Koran steht, dass sie ihre Körperteile bedecken sollen. (Klatschen) Was ist das, wenn das nicht politisch begründet ist?“ (Lachen und Klatschen)

Iranerin: „Ich bin 100 Prozent mit Ihnen einverstanden mit dem Kopftuchverbot. Aber es braucht auch Aufklärung. Welches Programm haben Sie in Gesellschaft und Bildung? Ein Verbot allein bringt nichts. Ich habe eine Frage an Frau Hübsch: Wo ist die Grenze bei den Religionsgeboten? Kommt nach dem Kopftuch die Genitalverstümmelung und Polygamie?“

Kelek: „Warum nicht das 14. Lebensjahr? Das war ein Thema bei der Formulierung. Aber wir sind nach langer Debatte zum Schluss gekommen, dass ein 14-jähriges Kind nicht in der Lage ist, sich zu entscheiden. Bis zum 18. Lebensjahr lebt es in den Familienstrukturen und wird dort sozialisiert. [Und was ist, wenn es so sozialisiert wird, die verbietende Gesetzgebung zu hassen?] Es geht auch um Ausbildungsstätten. Denn nur mit einer guten Ausbildung kann ich ein selbstbestimmtes Leben leben. [Mit Kopftuch kann man sich nicht ausbilden lassen?] Wer soll denn für mich sorgen, wenn ich mich darauf verlasse, ich mache einfach Schule und heirate mit 18. Viele Eltern legen Wert auf eine streng religiöse Erziehung. Und diese Mädchen sollen eine Alternative erfahren können. Was ich mir erhoffe? Ich denke, dass die Signale, die von der Regierung und uns Frauenrechtlerinnen ausgehen, klar sein sollten. [Signale zur Erhöhung des Militäretats beispielsweise?] Wie Dina und Abdel-Hakim darlegten, haben wir mittlerweile eine aufgeklärte Exegese. Das gehört unbedingt zu einem Begleitprogramm.

Maryam Hübsch: „Genitalverstümmelung? Ist absolut unislamisch. Da gibt es sogar Fatwas dagegen von hoher Stelle.“

Ingrid König, jahrelang Schulrektorin, Autorin von „Schule vor dem Kollaps“, in dem sie These vertritt, es finde keine Integration mehr an den Schulen statt. Thema: „Kopftücher und islamische Normen in der Grundschule“. „Ich habe während meines ganzen Berufslebens schwerpunktmäßig mit Kindern mit Migrationshintergrund gearbeitet, zuletzt an meiner Schule betrug die Quote fast 100 Prozent. Ca. 70 Prozent sind Muslime. In den 70er Jahren spielte Religion – es waren Kinder aus jugoslawischen Familien – keine Rolle. Auch bei Festen nicht. Da brachte jeder was und man hörte nicht: „Igitt, kein Schweinefleisch!“ [Sagt sie mit kreischender Stimme.] Es war alles sehr bunt gemischt. In meinem Klassenzimmer hing ein Kreuz, was für mich nicht akzeptabel war. Erst im Jahr 2000 tauchte das Problem auf, als eine junge Frau kam und sagte, ihre Tochter würde nicht schwimmen gehen. Ihr Mann hätte das verboten. Sie selbst war in Deutschland aufgewachsen, hatte einen Cousin aus Afghanistan geheiratet. Als Taxifahrer würde er die verdorbene deutsche Jugend sehen, daher seine Entscheidung. Wir haben lange mit den Eltern gesprochen, auch dem Vater angeboten, einer Schwimmstunde beizuwohnen. Danach hieß es dann, das Mädchen dürfe doch mitschwimmen. Dann gab es das Problem mit einer ägyptischen Familie. Die Mutter wohnte dem Unterricht bei und alles war entspannt: ‚Sie schwimmen ja nur.‘ [Höhnisches Gelächter im Hintergrund.] Es war alles zu bewältigen, weil die Eltern mit Fragen auf mich zugingen. Seit 4,5 Jahren hat sich die Atmosphäre geändert. Von sich aus möchten die Kinder von anderen Religionen erfahren, untereinander und im Ethikunterricht. Aber mittlerweile gibt es Mobbing unter Schülern und gar Rassismus, wegen Hautfarbe oder weil sie dem Hinduismus mit seinen vielen Göttern angehören. Mittlerweile beschweren sich manche Kinder, dass sie morgens müde seien, weil sie zum Gebet aufgeweckt würden, oder manche Eltern wollen Lehrkräften nicht die Hand schütteln, manche Frauen erzählen mir im Vertrauen, andere Familien würden sie angehen, weil sie sich nicht muslimisch genug kleiden würden, auch arabische Lehrkräfte wurden angegangen. Das Fasten während der Schulzeit war auch ein Problem. Kinder erzählen anderen, was haram sei. Nun zum Kopftuch. Manche hatten ein ganz langes Kopftuch, das sehr im Weg stand auf dem Klettergerüst. Klassenfahrten? Da bringt man einfach ein Attest. Mädchen finden es selbstverständlich, dass sie ihren Brüdern gehorchen müssen. Manche werden mit 12 Jahren verlobt und nach der Schulpflicht verheiratet. Kurze Zeit später sind sie Mütter. Kopftuchverbot für Kinder? Da kann ich nur ja sagen. Ich habe kein einziges Kopftuchmädchen (sic!) gesehen, das sich frei bewegen kann. Der Anfang muss für alle gleich sein [sagt sie wütend] und das geht nicht, wenn wir so viele Religionen und auch Rassismus in die Schulen bringen.“ (Klatschen)

Verfassungsrechtler aus dem Publikum: „Ich würde im Hinblick auf das Kinderkopftuch nochmal die Frage aufgreifen, die nicht nur die Frau König betrifft, aber sie hat es am Ende angesprochen, wonach das Kinderkopftuchverbot ja zu befürworten sei. Ich habe den ganzen Tag heute das Problem, dass ich den Eindruck habe, hier wird teilweise in einer Parallelgesellschaft gelebt, was das Grundgesetz anbelangt. Frau Kelek hat vorhin gemeint, wir müssten das Grundgesetz achten, aber sie versteht überhaupt nicht, dass das Kopftuch vom Grundgesetz gefordert ist. 2015 hatten wir eine klare Feststellung vom Bundesverfassungsgericht, dass das Kopftuch in der Schule nicht nur sein kann, sondern sein darf, auch bei einer Lehrerin. Deshalb bin ich insgesamt im Hinblick auf die Veranstaltung und die Initiative ›Säkularer Islam‹ in letzter Zeit ziemlich erstaunt und habe das als Verfassungsrechtler zum Anlass genommen, an einer Publikation zum Thema ›Islamkritiker und Grundgesetz‹ mitzuwirken. Sie leben zum Teil in der Parallelgesellschaft. Was vor dem Hintergrund des Grundgesetzes hier für ein Unsinn erzählt wird, nicht nur hier, sondern insgesamt von der Initiative Säkularer Islam. [„Frage!!“, wirft eine Frau rein.] Hier ist ein absolutes Ungleichgewicht, Sie leben jenseits des Grundgesetzes teilweise.“

Kinderbeauftragter der Stadt Frankfurt (Sachsenhausen/Oberrad): „Warum wird sich jetzt so viel beschwert? Wir haben eine ganz klare UN-Kinderrechtsnovelle [König macht an dieser Stelle ausschweifende Bewegungen mit ihren Händen], die von der Bundesrepublik unterschrieben wurde, wir haben Kinderschutzgesetze. Warum wird nicht gesetzliche Hilfe gefordert, wenn es so ist, wie ich es selbst erlebt habe, dass Jungen und Mädchen in Schulen einschlafen und beim Unterricht nicht mehr mitkommen, weil sie aus irgendwelchen Gründen – in diesem Alter vom Islam nicht gefordert – aufgrund historischer Gegebenheiten Ramadan mitmachen. Kinder haben in diesem Land Rechte. Und ein islamisches Kind hat dasselbe Recht wie ein deutsches Kind (sic!). Sowohl zum Schwimmen zu gehen als auch [fängt an zu schreien] zum Fußball … wie es im Schulgesetz steht. Fordern Sie an Ihrer Stelle die Durchsetzung des Gesetzes ein!!“ (Klatschen)

Frau aus Berlin: „Seit 15 Jahren wiederholt sich das immer wieder. Frauen und Jungen werden verheiratet. Entweder eine analphabetische Mutter, eine sprachlose Mutter, oder ein sprachloser Mann, der immerhin seine Frau schlägt, kommt dazu. Haben Sie festgestellt, dass die Kinder auch misshandelt werden? Wenn ja, was machen Sie dann? Rufen Sie dann die Polizei?“

König: „Also das ist das Einzige, wo ich ich Sie beruhigen kann. Ansonsten muss ich dem Kinderschutzbeauftragten sagen, dass sich ansonsten kein Mensch interessiert dafür, wenn ein Kind nicht in die Schule geht oder sonst irgendwas. Die Sozialrathäuser sind völlig überlastet. Und sind froh, wenn ein Kind nicht missbraucht, geschlagen, oder hungern muss. Alles andere, hat mir eine sehr erfahrene, sehr fleißige, sehr engagierte, aber mittlerweile am Rande ihrer Kraft stehende Sozialarbeiterin gesagt, mit den Fällen hätte sie genug zu tun, aber bei Misshandlungen, da kommt jemand und zwar sofort. Und die Kinder werden gehört, und ja, was dann so folgt, dazu müsste man noch darüber sprechen. Jemand kommt sofort, und es lassen sich sogar Kinder in der Grundschule in Obhut nehmen. Das hatte ich mein ganzes Leben nicht, aber in den letzten Jahren sagen sie der Betreuung, ›Wir gehen nicht nach Hause, Ich gehe nicht nach Hause, ich gehe heute nicht nach Hause, ich schlafe auf Ihrem Schrank, das ist mir egal, aber ich gehe nicht nach Hause.‹ Aber da kommt gleich jemand vom Jugendamt.“ [Frau erhebt Widerspruch (nicht hörbar)]

König: „Ich kann nur von den Kindern meiner Schule erzählen. [Frau im Hintergrund erntet Zustimmung.] Ich habe nur aus meinem Berufsleben erzählt. Die Schule war früher ein Hort, in dem es um Bildung ging, und jetzt stehen andere Dinge im Vordergrund.“

Veranstaltung zu Ende.

Moderatorin: „Die Zwiegespräche können Sie gerne vor der Tür weiterführen … Danke schön, Frau Schröter, dass Sie die Konferenz initiiert haben (Heftiges und langes Klatschen) und an das Präsidium (heftiges Klatschen) … vielen Dank auch an das Ministerium für Soziales und Integration für die Schirmherrschaft … Danke an Sie für ihre Kommentare, Fragen und Anregungen … und an alle Referentinnen und Referenten …“

Schröter: Ruft das gesamte helfende Team rein „bitte alle hinstellen“. Abschlussfoto. „Danke schön an euch alle! … Die meisten von ihnen haben ehrenamtlich gearbeitet. [Die Ausbeutung an Unis wäre auch mal ein Thema.] Der größte Dank an Oliver Betrand, der bis in die Nacht gearbeitet hat (frenetischer Beifall und Pfiffe) …“

Kelek: Bitte denkt an die Petition!

Ein Artikel von David Paenson, Aktivist bei Aufstehen gegen Rassismus


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Eine Antwort

  1. „Was ist mit der jüdischen Kippa oder der christlichen Haube?“

    Man könnte auch fragen: Was ist mit dem jüdischen Kopftuch („Tichel“)? Es gibt zahlreiche jüdische Frauen, die aus religiösen Gründen Kopftücher tragen. Aber komischerweise wird DAS im öffentlichen „Diskurs“ praktisch nie erwähnt.

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