Annette Groth mit dem Knesset-Mitglied Hannen Zoabi und der Bundestagsabgeordneten Inge Höger - Quelle: Linke BW

Die Wahlen in Israel werden die Situation nicht verbessern – Im Gespräch mit Annette Groth

Am Dienstag stehen in Israel Wahlen an, bei denen erstmals alle arabischen Parteien und die israelische Linke vereint antreten werden. Wir haben über diese Entwicklung, die notwendigen Veränderungen in Israel, die Hoffnung auf Frieden, sowie über den ökonomischen Druck mit Annette Groth, Bundestagsabgeordnete der Linken und Teilnehmerin der Free-Gaza-Flotte im Jahr 2010, gesprochen. Zuvor hatten wir bereits Interviews mit dem israelischen Professor Moshe Zuckermann und dem ehemaligen Mitglied des Zentralrats der Juden in Deutschland, Rolf Verleger, geführt.

Die Freiheitsliebe: Am Dienstag stehen in Israel Wahlen an, glaubst du, dass sich etwas verändern wird?

Annette Groth: Ich kann es nur hoffen, ich bin allerdings nicht sehr optimistisch. Teilweise wird der Wahlkampf sogar in unseren Medien ausgetragen, was wir an der hohen Zahl an Antisemitismusartikeln in unseren Medien sehen. Der schlimmste Artikel erschien in Die Zeit, wonach 1,5 Milliarden Muslimen indirekt Antisemitismus unterstellt wurde. Was mir Hoffnung gibt, ist die Vereinigung der arabischen Parteien und der Linken um die kommunistische Partei, die nach derzeitigen Schätzungen 15 Sitze erhalten könnte. Wer allerdings das Rennen macht, ist nicht sicher: Der Zionistische Block, die Likud oder eine noch rechtere Partei, wie die von Liebermann, der gesagt hat, man solle die Palästinenser köpfen, die sich gegen den Siedlungsbau stellen. Sowas macht mich fassungslos, wie auch das Schweigen zu dieser Aussage.

Die Freiheitsliebe: Du hast gerade schon Liebermann angesprochen, wieso regt sich da kein Widerstand?

Annette Groth: Mir fehlen da glatt die Worte, dass es gegen diese Äußerung bislang keinen Aufschrei gab. Ich las neulich einen sehr interessanten Artikel eines jüdischen Philosophen, der sich mit dem Schweigen der deutschen Intellektuellen zu Israel auseinandersetzt. So hat z.B. Habermas ein Interview gegeben, in dem er gefragt wurde, wieso er und andere sich zu Israel nicht äußern. Darauf hat er geantwortet, dass „das einem Deutschen seiner Generation nicht zusteht.“ In dem Artikel wird auch zu Günter Grass und seinem Gedicht „Was gesagt werden muss“ und dem anschließenden medialen Bashing Stellung genommen. Es darf nicht sein, dass wir zu Unrecht, wie Siedlungsbau oder dem Gazakrieg, schweigen. Diese Mauer des Schweigens ist mir schon während des letzten Gazakriegs aufgefallen.

Die Freiheitsliebe: Du sprichst die EU an, die ein Assoziierungs-Abkommen mit Israel hat.

Annette Groth: Ich war am vergangenen Wochenende auf einer Veranstaltung des palästinensischen Frauenvereins, gemeinsam mit Felicia Langer und Abi Melzer. Felicia meinte, dass wir alle laut gegen das Unrecht protestieren müssten. Diese Meinung teile ich, bin aber auch der Überzeugung, dass ohne ökonomischen Druck keine Änderung der israelischen Politik zu erwarten ist. Darum setze ich mich auch für die Suspendierung des EU-Assoziierungsabkommens mit Israel ein, so wie 63 Parlamentarier*innen des Europäischen Parlaments und zahlreiche Unterstützungsgruppen in ganz Europa. Artikel 2 dieses Abkommens verpflichtet alle Vertragspartner zur Einhaltung der Menschenrechte. Bislang hat die EU aufgrund schwerer Menschenrechtsverletzungen in Sri Lanka vor etlichen Jahren ein Assoziierungsabkommen mit diesem Land ausgesetzt.

Die Freiheitsliebe: Welche Maßnahmen siehst du denn auch innerhalb Deutschlands, um Aufklärungsarbeit zu leisten und vielleicht auch den ökonomischen Druck zu erhöhen?

Annette Groth: Auf der Internationalen Tourismus Börse (ITB) war kürzlich eine Podiumsdiskussion zum Tourismus in Israel und Palästina. Dort sagte eine Reiseveranstalterin von „Biblischen Reisen“, dass 90 % der Reisende in das Gebiet nichts über den Nahostkonflikt wissen. Ich kann mir das kaum vorstellen. Aber ich sehe die Reiseveranstalter in der Pflicht, über die Konfliktsituation aufzuklären. Viele scheinen nicht zu wissen, dass z.B. Betlehem in Palästina liegt und nicht zu Israel gehört.

Darüber hinaus müsste man auch die Berichte von Menschenrechtsorganisationen wie zum Beispiel von Amnesty International zu Palästina und Gaza viel mehr bekannt machen. Da unser Grundgesetz Waffenlieferungen in Konfliktsituationen verbietet, fordern wir Linke ein sofortiges Ende dieser Lieferungen an Israel, sowie ein Aussetzen der technischen Zusammenarbeit zur Entwicklung von Waffen, wie z.B. Drohnen. Israel ist neben USA und Großbritannien der dritte Staat, der Drohnen auch im Krieg einsetzt und an der Spitze aller Drohnenexporte weltweit steht.

Neulich hat Stephen Hawking den Besuch einer Tagung in Israel verweigert und wollte damit ein deutliches Zeichen seines Protestes gegen die israelischen Menschenrechtsverletzungen setzen.
Und das ist auch notwendig bei einer Regierung von Liebermann und Nethanyahu, die Häuser und Olivenbäume abreißen sowie Unschuldige inhaftieren lassen.

Die Freiheitsliebe: Du hast gerade Liebermann und Nethanyahu angesprochen, viele deutsche Politiker*innen sind der Meinung, dass eine Regierungsablösung durch den Zionistischen Block (Sozialdemokratie und Zentrum) die Situation verbessern würde. Siehst du das auch so?

AAnnette Groth: Wenn linke Israelis von der kommunistischen Partei die Regierung stellen würden, dann sähe es vielleicht besser aus. Bei allen anderen israelischen Parteien sehe ich das nicht. Aufgrund der schwierigen sozialen Lage in Israel und der hohen Kosten z.B. für Miete sind viele Israelis äußerst unzufrieden. Die Frustration nimmt auch zu aufgrund des langen Militärdienstes, die viele Israelis dazu bringen auszuwandern. Gleichzeitig nimmt die Anzahl der Hardliner zu, die sich immer schärfere Maßnahmen gegen die Palästinenser wünschen.

Die Freiheitsliebe: Abschließend, wann wird auch in Deutschland ein Antrag ins Parlament zur Anerkennung Palästina als Staat eingebracht?

Annette Groth: Unser Antrag wird bald kommen und ich kann nur hoffen, dass dieser die Debatte diesbezüglich anstößt und Deutschland wie viele andere Länder Palästina als Staat anerkennt. Auch der Beitritt Palästinas zum Internationalen Gerichtshof könnte zu einer Verbesserung der Situation führen, da es Strafverfolgung für diejenigen ermöglicht, die nachweislich Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen begangen haben. Ich bin der Meinung, dass man von allen Seiten Druck auf die israelische Regierung ausüben muss, um die Menschenrechtssituation für die Palästinenser entscheidend zu verbessern, um die Blockade Gazas aufzuheben und um die Administrativhaft, eines der schlimmsten Verbrechen, zu verbieten. Das sind nur einige Punkte, die ich hier anspreche. Die BDS-Kampagne (Boykott, Deinvestition, Sanktionen) wächst in vielen Ländern und gewinnt auch hier immer mehr Anhänger*innen. Dass BDS auch in der Politik Beachtung findet, zeigt eine Anfrage der Grünen. Deren Abgeordneter Volker Beck hat tatsächlich gefragt, ob BDS antisemitisch sei. Die Antwort der Bundesregierung auf diese Frage war ein Nein!

Die Freiheitsliebe: Wir danken dir für das Interview!

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2 Antworten

  1. Dass Groth zum antisemitischen Flügel der Linken gehört, wird nicht erwähnt. Dabei kam auf diesem Blog schon gutes über die Antideutschen über ihre Negierung jeglichen linken Denkens. Dass der latente Antisemitismus von Groth und Co. auch nichts mit linkem Denken zu tun hat, wird dann aber nicht erwähnt. Wie passt das zusammen?

    1. Wie soll denn die Linke bitte antisemitisch sein? Und was hat Annette Groth denn antisemitisches gesagt/getan, dass du sie so einordnest?

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