Blockupy 2015 - Foto: Daniel Kerekes

Die Regierungsfalle – Nein zur Troika heißt nein zu Rot-Rot-Grün

In einer Koalition mit SPD und Grüne kann die Linkspartei nur verlieren – sie müsste sich von den Positionen trennen, die sie ausmacht: Friedenspolitik und soziale Gerechtigkeit. Wer glaubt in Zusammenarbeit mit den Erfindern von Hartz IV genau dieses überwinden zu können, lebt in einer Traumblase. Die Linkspartei muss sich bekennen, die absolute parlamentarische Mehrheit anzustreben und gleichzeitig eine klare Absage an Rot-Rot-Grün und Austeritätsparteien erteilen.

Schauen wir uns die potentiellen Koalitionspartner der Linken (PDL) doch einmal genauer an. Die Grünen: Im Bürgerkrieg in der Ukraine haben die Grünen eine Position eingenommen, die fast so kriegstreiberisch ist, wie die ihrer grünen Verwandten, der Bundeswehr. Selbst die CDU vertrat weniger kriegerische Positionen. Zusammen mit der SPD führten sie 1999 gegen Serbien den ersten Angriffskrieg in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Die ehemaligen 68er der Grünen chillen heute lieber im gehobenen Bildungsbürgertum-Ambiente und haben mit linker Politik fast gar nichts mehr am Hut. Durch die Agenda 2010 haben sie in Kooperation mit den Sozialdemokraten die schlimmsten Gesetze gegen Erwerbstätige verabschiedet, die dieses Land seit seiner Gründung gesehen hat. Gemeinsam mit der SPD haben sie die Vermögenssteuer abgeschafft, den Spitzensteuersatz gesenkt und den Finanzmarkt für Hedgefonds und andere widerliche Bankengeschäfte geöffnet. Die Rot-Grüne Regierung hat in ihrer Regierungszeit unter Schröder weder den Kohleausstieg fix gemacht, noch den Atomausstieg. In Hessen koalieren die Grünen mit der CDU, in Hamburg haben sie mit ihr koaliert.

Die SPD hat in ihrer Geschichte viele Verbrechen gegen die Arbeiterklasse begangen. Von der Zustimmung zu Kriegskrediten 1914, der verratenen Revolution 1919, dem radikalen Erlass Willy Brandts bis hin zu Hartz IV. Und nicht zu vergessen, das erst kürzlich verabschiedete Tarifeinheitsgesetz von Andrea Nahles, das kleine Gewerkschaften ausschaltet. Oder die Vorratsdatenspeicherung, die der tolle (ohne) Maas da fabrizierte? Man muss nicht die Geschichtsbücher bemühen, um Gründe zu finden, warum SPD, Grüne und Linke nicht koalieren sollten. Alleine die aktuelle Tagespolitik macht aus der SPD eine Partei, die klar gegen die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung handelt.

Die Linkspartei ist im Vergleich zu anderen linken Parteien in Europa tendenziell parlamentsorientierter. Nicht wenige Teile der Partei drängen in Regierungsverantwortung, unter anderem weil sie 40 Jahre lang in der DDR keine andere Politik kannten. Und trotzdem gibt es, vor allem unter jungen AktivistInnen der Linken, starke Orientierungen auf soziale Kämpfe und Proteste. Zudem gibt es weitere Mitglieder in der Partei, die diese an der Seite der Klassenauseinandersetzung sehen wollen. Die PDL soll demnach nicht einfach ein Wahlverein sein, der wie andere alle vier Jahre zur Wahl steht, sondern eine Mitmachpartei: Erst wenn Menschen selbst aktiv werden, lässt sich die Gesellschaft verändern. Diese Position sollte gestützt werden und wird auch von den Bundesvorsitzenden der Linken Katja Kipping und Bernd Rixienger getragen.

Hamburg (8,5%) und Bremen (9,5%) haben gezeigt, dass mit lokaler Verankerung in sozialen Bewegungen, gesellschaftlichen Auseinandersetzungen und einem klaren Bekenntnis zu roten Haltelinien gute Wahlergebnisse erzielt werden können. Mit einem Programm, das nicht auf „Regierung um jeden Preis“ aus war, hat die Linke die besten Ergebnisse in Westdeutschland erzielt. In Hessen hat die Linke die Taktik der roten Haltelinien sehr erfolgreich eingesetzt: Obwohl der gesellschaftliche Druck, eine Rot-Rot-Grüne Regierung zu bilden, immens war, hat die Linke in den Verhandlungen ihre Positionen klar gemacht, hinter die sie nicht fallen würde: keine Entlassungen im öffentlichen Dienst, keine Kürzungen in der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die Verhandlungen sind letztendlich an SPD und Grünen gescheitert, denn diese konnten nicht von ihrer arbeiterInnenfeindlichen Politik ablassen.

Im Ostteil Deutschlands tickt die Zeit anders: Hier war die Linke an einigen Landesregierungen beteiligt. Das Ergebnis war eine Realpolitik, die konträr zum Programm stand: Privatisierung des Wasserleitsystems in Berlin, Entlassungen im öffentlichen Sektor, Privatisierungen von Wohnraum, Preiserhöhung bei Bus und Bahn. Als Ergebnis verlor die Linkspartei massiv an Zustimmung unter der Bevölkerung. Die Linke Berlin verlor zwischen den Bundestagswahl 2009 und den Landtagswahlen 2011 8,5 Prozent (20,2 auf 11,7). In Brandenburg ist die Linke seit 2009 Teil der Regierungskoalition. 2009 erreichten die demokratischen Sozialisten noch 27,5 Prozent. Bei den Wahlen 2014 waren es dann 18,6 Prozent. Zwischen 1998 und 2002 gab es Rot-Rot in McPomm. Das Ergebnis? Ein Fall von 24,4 auf 16,4 Prozent. Natürlich sind Wahlergebnisse nicht alles, aber sie sind ein guter Indikator dafür, ob eine Partei das erfüllt, was sie den Menschen verspricht bzw. ihre Arbeit glaubwürdig ist. Ähnliche Schicksale sind auch anderen Linksparteien in Europa widerfahren: In Spanien koalierte die Izquierda Unida in einigen Regionalparlamenten mit der sozialdemokratischen PSOE. Die Quittung waren schlechte Wahlergebnisse.

Wer jetzt auf Rot-Rot-Grün setzt, setzt auf ein erlahmendes Parteileben

Regierung im Wartestand wäre das Ergebnis, wenn die Linke als Mehrheitsbeschafferin für Rot-Grün agieren würde. Für soziale Bewegungen in Deutschland ein fatales Signal, denn die Linke spielt eine wichtige Rolle in der Mobilisierung und Organisierung von bundesweiten Protesten wie Blockupy oder Stop G7. Wenn die Partei Teil einer Koalitionsregierung ist, könnte sie nicht gleichzeitig Proteste gegen sich selbst unterstützen und organisieren. Ähnlich wie die SPD Gewerkschaften und Gewerkschafter stets zum stillhalten unter sozialdemokratischen Regierungen bat, würde es der Linken ergehen. Die richtige Antwort muss hier sein, sich noch intensiver in die sozialen Proteste und Klassenkämpfe einzubringen. Der Streik im Sozial- und Erziehungsdienst sowie die Zusammenarbeit mit der GDL waren gute Ansatzpunkte, die die Partei verallgemeinern muss.

Wenn Linke regieren, sind sie auch an der Macht? Diese Frage ist wohl die Kernfrage, um eine Antwort zu Rot-Rot-Grün zu geben. Ein Abschreckendes Beispiel findet man in Italien. „Die Rifondazione Comunista, das italienische Pendant zur deutschen LINKEN, war das Prunkstück der europäischen radikalen Linken. Sie war maßgeblich an den Protesten gegen den G8-Gipfel in Genua, an der Sozialforumsbewegung und an den Protesten von Gewerkschaften beteiligt. Bei den Wahlen 2006 errang sie über fünf Prozent und kam ins italienische Parlament. Unter dem Druck, lieber das »kleinere Übel« gegenüber Berlusconi zu ermöglichen, trat sie in eine »Mitte-Links«-Regierung ein. Sie konnte nichts beeinflussen, stimmte, um die Rückkehr Silvio Berlusconis zu verhindern, allem zu, einschließlich Krieg in Afghanistan, Rentenkürzungen und Lohnsenkungen, und verschwand bei der darauffolgenden Wahl 2008 im Nichts.“ Die italienische Linke ist, auf gut Deutsch, im Eimer. Ursprünglich suchte sie einen Mittelweg zwischen Stalinismus und Sozialdemokratie: radikale Veränderung ohne in der Sackgasse der Diktatur zu enden. Doch schlussendlich verwandelten sich die kommunistischen Parteien in neoliberale Parteien. In Italien wurde aus der Kommunistischen Partei die Demokratische Partei. Eine deutsche Linkspartei, die Hartz IV nicht mehr konsequent bekämpft und kein Ankerpunkt für soziale Kämpfe ist, würde mit hoher Wahrscheinlichkeit das gleiche Schicksal ereilen.

Die eigentliche Macht in einer bürgerlichen Gesellschaft liegt außerhalb der Parlamente: Unternehmen kontrollieren die Produktion, Medien die Berichterstattung, die Bürokratie die Politik. Der Staatsapparat besteht aus Karrierebeamten, die die eigentliche Politik machen. Jeder der einmal im Rat einer Stadt saß weiß, wie viel Macht bereits diese kleinen Verwaltungsbeamten innehaben. Die Linkspartei hätte somit in der Regierung nur einen äußerst begrenzten Spielraum. Und deshalb muss die Hegemonie der Herrschenden dort angegriffen werden, wo sie gebrochen werden kann: Auf der Straße. Parlamentsfraktionen sind dafür äußerst hilfreich. Wie sagte schon Lenin: Parlamente sind wie Misthaufen. Man muss sich bemühen oben zu stehen, damit die Leute einen besser hören können, aber man darf nicht in ihnen versinken.

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Eine Antwort

  1. NEIN zur Troika heißt überhaupt nicht mehr dieses System wählen zu gehen. Behaltet eure souveräne Stimme und geht zu Demos und schreit eure Wut aus eurer Seele.

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