Die AfD entwickelt sich immer weiter nach Rechts – Im Gespräch mit Sebastian Friedrich

Am kommenden Wochenende findet in Bremen der Parteitag der Alternative für Deutschland statt, der maßgeblich über die Zukunft dieser Partei mitentscheiden wird. Wir haben mit dem Publizisten Sebastian Friedrich, dessen Buch „Der Aufstieg der AfD. Neokonservative Mobilmachung in Deutschland“ grade erschienen ist, über die Entwicklung der AfD gesprochen.

Die Freiheitsliebe: Am kommenden Wochenende findet der Parteitag der AfD statt, was erwartest du davon?

Sebastian Friedrich: Sehr wahrscheinlich wird der Parteitag dem Kompromissvorschlag der Parteispitze folgen und die Satzung ändern. Statt wie bisher drei Parteisprecher wird dann bis Ende des Jahres eine Doppelspitze die Partei führen. Ich gehe davon aus, dass Bernd Lucke und Frauke Petry zur Doppelspitze gewählt werden. Der Parteitag wir aller Voraussicht nach dem vereinbarten Waffenstillstand an der von Machtkämpfen zerrütteten Parteispitze folgen, schließlich finden in wenigen Wochen in Hamburg Wahlen statt und auch in Bremen wird im Mai gewählt. Nach den Wahlen in Bremen stehen erst einmal keine weiteren Wahlen an. Es kann angesichts der jüngsten heftigen Auseinandersetzungen innerhalb der Partei davon ausgegangen werden, dass der Machtkampf dann neu entfachen wird. Ob Lucke dann Ende des Jahres wirklich zum alleinigen Parteivorsitzenden gewählt wird, ist keineswegs ausgemachte Sache.

Die Freiheitsliebe: In deinem Buch „Der Aufstieg der AfD“ beschreibst du einen Rechtsruck der Partei in den letzten Monaten, woran machst du das fest?

Sebastian Friedrich: Die Rechtsentwicklung läuft schon seit mehr als einem Jahr. Sie zeigt sich etwa an der Themenerweiterung im Rahmen der Landtagswahlkämpfe im Sommer letzten Jahres. Es wurde ein rechtskonservatives Familienbild propagiert, Volksabstimmungen gegen Moschee-Bauvorhaben gefordert und in rassistischer Weise gegen sogenannte Grenzkriminalität Stimmung gemacht. Es war vor allem Bernd Lucke, der die Partei strategisch nach rechts ausgerichtet hat. Das wird sowohl aus parteiinternen Rundschreiben Luckes deutlich, in denen er etwa kurz nach der Bundestagswahl plötzlich das Thema Islam entdeckt hat. Ich stütze mich vor allem auf Einschätzungen und Informationen ehemaliger Parteimitglieder, die ich für das Buch interviewt habe. Demnach habe Lucke etwa geplant, Thilo Sarrazin einzubinden.

Die Freiheitsliebe: Welchen Einfluss haben rechtskonservative antifeministische Kreise in der Partei?

Sebastian Friedrich: Diese spielten von Anfang an eine erhebliche Rolle. Zwar hat sich die Partei im Verlauf deutlich nach rechts entwickelt, doch bereits an der Gründung waren rechtskonservative bis christlich-fundamentalistische Zusammenhänge beteiligt. Ich führe in meinem Buch aus, dass die AfD von Beginn als Bündnis konzipiert war, das das Spektrum rechts der Union zu einen versuchte. Es waren keineswegs nur National-Neoliberale, die die Partei gründeten, sondern auch Rechtskonservative, wie zum Beispiel Beatrix von Storch samt ihrem Kampagnen- und Initiativennetzwerk Zivile Koalition. Zentrales Thema des Netzwerks ist neben einer marktradikalen Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, die im Kern mit den Forderungen der national-neoliberalen Volkswirte übereinstimmt, die Familienpolitik inklusive Ablehnung von „Gender Mainstreaming“. Auch Frauke Petry, die im sächsischen Landtagswahlkampf eine Drei-Kind-Familienpolitik und einen Volksentscheid gegen Abtreibung forderte, war bereits Landesbeauftragte für Sachsen in der Wahlalternative 2013, bevor es die AfD überhaupt gab. Bei den rechten Protesten gegen den Bildungsplan 2015 in Baden-Württemberg sind ebenfalls AfD-Mitglieder beteiligt.

Die Freiheitsliebe: Ist ihr Einfluss durch die Wahlsiege im Osten gewachsen?

Sebastian Friedrich: Auf jeden Fall. Die Wahlsiege bestätigten die die rechtskonservative und antifeministische Linie. Im entfesselten Machtkampf der vergangenen Wochen wurde deutlich, wie stark die Rolle der drei Landesverbände innerhalb der Partei ist. Die jeweiligen Fraktionsvorsitzenden in den Landtagen, Frauke Petry in Sachsen, Björn Höcke und Thüringen und Alexander Gauland in Brandenburg, scheinen sich in ihren kritischen Statements in Richtung Lucke eng miteinander abgestimmt zu haben.

Die Freiheitsliebe: Hat diese Entwicklung auf die Position der Partei zu Migration?

Sebastian Friedrich: Wie in allen Themenfeldern ist auch hier eine Verschiebung nach rechts festzustellen. Im Gegensatz zur Anfangszeit wird mittlerweile stark an antimuslimischen Rassismus angeknüpft. Auch in der Einwanderungspolitik werden liberal erscheinende Positionen zunehmend aufgegeben. Allerdings speisten sich die ursprünglichen Forderungen der AfD aus der allgemeinen Tendenz, Einwanderung in zugespitzter Form hinsichtlich der Verwertbarkeit zu beurteilen. Diese auf Nützlichkeitskriterien basierenden Argumentation wird mehr und mehr ersetzt durch die Variante des kulturellen Rassismus, der einen Kampf der Kulturen heraufbeschwört.

Die Freiheitsliebe: Hältst du die Einschätzung für richtig, dass die AfD ein Sprachrohr der Pegida ist?

Sebastian Friedrich: Das Problem ist grundlegender. Neben Pegida gibt es unzählig viele rassistische Proteste gegen Flüchtlingsunterkünfte. In Baden-Württemberg wird gegen eine relativ fortschrittliche Bildungspolitik mobilisiert, die sexuelle Vielfalt im Lehrplan verankern möchte. Die AfD ist eine Art parlamentarischer Arm für die verschiedenen rechten Mobilisierungen, die zusammen genommen den Charakter einer rechten sozialen Bewegung haben. Hinzu kommt eine rechte Medienlandschaft, in der Zeitungen wie die Junge Freiheit und Internetseiten wie Politically Incorrect und blu-News die rechten Entwicklungen begleiten. All das zusammen betrachtet ergibt das Bild eines übergreifenden rechten Projekts. Daher würde ich die AfD eher als allgemeine parlamentarische Variante eines sich formierenden Rechtsblocks sehen. Pegida ist neben anderen rechten Mobilisierungen entsprechend für die Straße und die Popularisierung und Radikalisierung der rechten Positionen zuständig, die die AfD aufgreifen kann.

Die Freiheitsliebe: Abschließend müsste man aus deiner Perspektive gegen die AfD demonstrieren?

Sebastian Friedrich: Kurzfristig scheint es mir durchaus wichtig, sich Pegida auf der Straße entgegen zu stellen und zu versuchen, die Aufmärsche zu verhindern. Der rechten sozialen Bewegung muss bestmöglich die Gelegenheit genommen werden, dass sich eine gemeinsame rechte Identität entwickelt. Die kulturelle und identitäre Wirkung solcher Aufmärsche nach innen darf nicht unterschätzt werden. Daneben müssten mittel- und langfristige Strategien entwickelt werden. Wir müssen uns mit den Themen auseinandersetzen, an die AfD, Pegida und Co. anknüpfen. Das heißt nicht, dass „Sorgen“ und „Ängste“ ernst genommen werden müssen, wohl aber müssen sich Linke fragen, warum auf Solidarität und Kooperation basierende Perspektiven so sehr in den Hintergrund gerückt sind.

Die Freiheitsliebe: Danke dir für das Interview

Am 20. Januar erschien bei Bertz + Fischer das Buch »Der Aufstieg der AfD. Neokonservative Mobilmachung in Deutschland«. Sebastian Friedrich geht darin den Fragen nach: Wie ist der schnelle Aufstieg der AfD zu erklären? Wer sind die Akteure und was sind ihre Ziele? Welche Entwicklung hat die Partei bisher genommen und wohin steuert sie? Wer wählt und unterstützt die AfD? Sebastian Friedrich analysiert das Bestreben der AfD, das traditionell gespaltene Spektrum rechts von der Union zu einen – denn Rechtskonservative, National- Neoliberale, Rechtspopulisten und Neue Rechte finden hier ihren Platz. Als rechte Sammlungspartei hätte die AfD denn auch Chancen, sich dauerhaft im Parteienspektrum zu verankern. Gelingt ihr das, erhöht sich die Gefahr eines gesellschaftspolitischen Rollbacks und einer weiteren Radikalisierung des neoliberalen Kapitalismus. Mehr Informationen und Bezugsmöglichkeiten zum Buch auf der Seite des Verlags (http://www.bertz-fischer.de/product_info.php?products_id=453).

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5 Antworten

  1. Egal wie man zu PEGIDA oder der AfD stehen mag; Eines muss allen Demokraten dennoch klar sein, das verfassungsgemäße Demonstrationsrecht gilt für alle Bürger dieses Landes. Selbst dann, wenn einem die Positionen der Demonstrierenden nicht gefallen! Wer das nicht respektiert, hat nichts in einer Demokratie verloren!

  2. Hinsichtlich Genderismus hat die AGD recht, denn ein wenig ungesund für Frauen, Mütter und Kinder scheint Gender Mainstreaming schon zu sein. Zum Beispiel das Negieren bedeutsamer und dem Mann überlegener weiblicher Eigenschaften mit der Folge, dass häufig der Body nur noch wichtig wird. Vergessen der für Sprach- und Kognitiventwicklung wichtigen frühkindlichen Mutterbindung infolge des frühen flüssigkeitsgekoppelten Hörens des Foeten im Mutterleib (Muttersprache nicht Vatersprache!). Probleme durch Cortisolausschüttung (gefährliches Stresshormon) und Schlafmangel mit entsprechendem Wachstumshormonmangel von Krippenkindern mit Hippocampusminderung (Lernmaschine des Gehirns).
    Erschreckende Zunahme von Depressionen auch bei Kindern und Jugendlichen.
    [siehe „Kinder – Die Gefährdung ihrer normalen (Gehirn-) Entwicklung durch Gender Mainstreaming“ in: „Vergewaltigung der menschlichen Identität. Über die Irrtümer der Gender-Ideologie, 4. erweiterte Auflage, Verlag Logos Editions, Ansbach, 2014: ISBN 978-3-9814303-9-4]

  3. Wo ist das Problem, wenn sich eine neue konservative Partei gründet? Sie sind keine NeoNazis, es sind „christliche Sozialisten“ – insofern paßt die Afd zum links-grünen Mainstream.

    Was wirklich in Deutschland fehlt ist eine Partei der FREIHEIT und VERANTWORTUNG!

    Merke, der Unterschied zwischen „rechts“ und „links“ ist irreführend; es gibt nur den Unterschied zwischen „frei“ und „unfrei“. Und gemessen an dem Kriterium ist von der AfD auch nichts zu erwarten. Wenngleich sie nationalliberale Töne anschlägt; das ist allerdings in der Entwicklung verständlich – in F, E und I gibt es so etwas längst: es ist das Aufbegehren gegen das „politische Projekt“, das in den vollständigen Sozialismus führt.

    Also, man kann die AfD durchaus kritisieren. Aber es ist eine demokratische Partei. Und insoweit stehen ihr deshalb die gleichen Rechte zu, wie den Altparteien. Wer das in Abrede stellt, desavouiert sein undemokratisches, totalitäres Denken!

  4. Passt nicht gerade zur Überschrift, aber ich möchte dieses Video hier trotzdem nochmal reinstellen, da mich es immer noch wundert, warum es so wenig verbreitet ist.

    Der ehemalige Spiegel Journalist Harald Schumann redet Klartext und prangert die Interne Pressefreiheit in Deutschland an.

    Schumann: “… das ist in der deutschen Presse Gang und Gäbe, dass Chefredakteure oder Resortleiter ihren Untergebenen sagen, wie sie zu denken haben. Dass Vorgaben gemacht werden, was sie recherchieren dürfen und was nicht, und dass viele junge Kollegen daran gehindert werden überhaupt kritische Journalisten zu werden weil ihre Vorgesetzten das gar nicht wollen.”

    Interviewer: “Sie nehmen ausdrücklich die ÖR-Anstallten nicht aus, warum?”

    Schumann: “Weil ich genügend Kollegen aus ÖR-Anstallten kenne, die mir genau solche Geschichten berichtet haben und mir das hundertfach bestätigt haben. Insofern, die sind da nicht aus zunehmen.”

    https://www.youtube.com/watch?v=d1ntkEbQraU

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