Ates Gürpinar

Das Polizeiaufgabengesetz kann alle treffen – Im Gespräch mit Ates Gürpinar

Die CSU will in Bayern ein Polizeigesetz durchsetzen, welches es ermöglicht Menschen ohne Grund zu inhaftieren, Chatverläufe zu verändern und Menschen präventiv zu inhaftieren. Dagegen regt sich in ganz Bayern großer Widerstand, wir haben mit Ates Gürpinar, Landessprecher der Linken in Bayern, über die Proteste gegen das Gesetz und die Chance dieses zu verhindern gesprochen.

Die Freiheitsliebe: Was genau ist das Ziel des bayrischen Polizeigesetzes?

Ates Gürpinar: Da ist zum einen die tatsächliche Veränderung: Die Polizei erhält Befugnisse, die bisher nur Geheimdiensten zustanden. Sie darf nun Menschen überwachen, die bislang nicht straffällig geworden sind. Sie darf Maßnahmen durchführen, obwohl keine konkrete Gefahr ausgeht. Für einige Punkte bedarf es nicht einmal eines Richters, der die Maßnahme genehmigen muss. Menschen, die nichts getan haben, können verbannt(!) werden, ihre Konten können gepfändet werden etc.

Zweitens ist da das größere Ganze: Söder gibt immer mehr den Grundsatz der Unschuldsvermutung auf. Es dreht sich langsam um: Alle können verdächtig sein. Dieses Gesetz ist das vierte innerhalb von 18 Monaten, was die Rechte des Einzelnen einschränkt: Es begann mit dem Bayerischen Integrationsgesetz Anfang 2017, ging über die sogenannte Unendlichkeitshaft Mitte letzten Jahres und endet nun mit dem Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetz und dem PAG in traurigen Höhepunkten. Dazu kommt, dass das PAG als Blaupause für andere Bundesländer gesehen werden soll. Dies hat eine Anfrage von unserem MdB Andreas Wagner nochmals bestätigt. Leider schließen sich dem nach und nach auch SPD und Grüne an, wenn man sich ähnliche Vorschläge in Niedersachsen oder Baden-Württemberg anschaut.

Drittens ist da die grundsätzliche taktische Idee, rechts gegen die AfD Stimmen zu sammeln. Ein alter Grundgedanke der CSU, der aber hier ein neues Ausmaß erreicht. Außerdem geht er schlicht nicht auf, im Gegenteil: Die Söder-Partei ist für die gegenwärtige Stärke der Rechten mitverantwortlich.

Die Freiheitsliebe: Welche Kritik habt ihr als Linke an diesem Gesetz?

Ates Gürpinar: Die Vermischung von geheimdienstlichen und polizeilichen Befugnissen ist höchst problematisch – ein Blick in die Geschichte sollte da genügen. Die bereits erwähnte Aufgabe der Unschuldsvermutung erwähnte ich bereits. Maßnahmen wie Aufenthaltsgebot, Verbannung oder Kontenzugriff bringen die Menschen unmittelbar in Existenzängste. Zunächst trafen Gesetzesverschärfungen die Schwächsten der Gesellschaft, so auch hier: Dass Geflüchtete sowie Migrantinnen und Migranten bereits bisher von ähnlichen Regelungen betroffen waren, hat zu wenige interessiert. Nun aber merken andere auf, da das Polizeiaufgabengesetz eben alle treffen kann.

Die Freiheitsliebe: Kritiker befürchten eine Entwicklung in Richtung Überwachungsstaat hältst du die Befürchtung für berechtigt?

Ates Gürpinar: Ja. Durch schwammige Begriffe in dem Gesetz ist quasi keine Grenze mehr vorhanden, die aufzeigt, wer nun überwacht werden kann. Von jedem Menschen könnte theoretisch Gefahr drohen, weil die drohende Gefahr eben unkonkret ist. Und diese Menschen können dann überwacht werden. Es gibt auch Eingriffsmöglichkeiten der Polizei, die absonderlich sind: So kann sie vorgeben, von einer dir bekannten Person an dich Nachrichten zu verschicken.

Die Freiheitsliebe: Gibt es eine Möglichkeit das Gesetz zu verhindern und wie sieht diese aus?

Ates Gürpinar: Die Mehrheit im Landtag, die darüber am 15. Mai beschließt, steht erst einmal. Die Söder-Partei regiert mit absoluter Mehrheit und Söder ist bereits ein bisschen zurückgerudert. Alles Weitere würde als Schwäche ausgelegt werden.

Es entwickelt sich allerdings eine außerparlamentarische Bewegung, die seit TTIP und CETA in Bayern nicht zusammengefunden hat – ich nehme sogar an, dass sie größer werden könnte. Wir gehen kommenden Donnerstag auf die Straße und erwarten da locker eine fünfstellige Zahl an Demonstrierenden. Diese werden den Druck aufrechterhalten und wieder in das Parlament reintragen: Wir haben schließlich Landtagswahlen. Bis auf DIE LINKE wollen alle mit der CSU koalieren, ihre absolute Mehrheit kippt. DIE LINKE kann mit der Mehrheit der Menschen darauf achten, dass die koalitionswilligen Grünen und die wankelmütige SPD nicht den Weg ihrer Kolleginnen und Kollegen aus BaWü bzw. Niedersachsen gehen und für ein bisschen Macht ein solches Gesetz dann doch mittragen. Auch als Korrektiv ist eine starke LINKE so entscheidend.

Und natürlich bleibt der juristische Weg. Wir werden in Karlsruhe dagegen klagen, wir prüfen gegenwärtig, ob auch auf europäischer Ebene eine Klage möglich ist. Aber ich halte den juristischen Weg immer für einen defensiven, daher erwähne ich das erst am Ende. Mit den Menschen geht mehr, hier könnten wir endlich nicht nur die Verfassung verteidigen, sondern auch offensiv für mehr Freiheit für die Menschen streiten.

Die Freiheitsliebe: Ihr plant also mit einem Bündnis breite Proteste gegen das Gesetz, wer ist alles beteiligt?

Ates Gürpinar: Es sind über siebzig Gruppen und Verbände beteiligt. Von Gewerkschaften, Studierendenvertretungen, Fußballfangruppen, Mehr Demokratie und attac hin zu den Umweltverbänden und den Parteien ist das Bündnis immer breiter geworden. Wir rocken mit Motorradclubs – ich hörte sogar, dass es einen ‚nackten Block‘ geben soll. Der Kampf gegen dieses Gesetz hat auch in kleineren Städten Bayerns schon zu vierstelligen Zahlen bei den Demos geführt, daher bin ich zuversichtlich, dass dies anhält.

Die Freiheitsliebe: Was können Menschen außerhalb Bayerns tun um euch zu unterstützen?

Ates Gürpinar: Macht in den kommenden Tagen und Wochen darauf aufmerksam und besucht uns auch gern kommenden Donnerstag. Dieses Gesetz wird als Blaupause für andere Länder dienen. Bleibt also auch wachsam, was bei euch passiert. Wenn wir allerdings in Bayern den Rechtsruck stoppen können – eine LINKE im Landtag wäre ein Hinweis darauf -, dann wäre das ein großartiges Zeichen. Auch da ist jede Hilfe willkommen. Die CSU hat vor nichts so viel Angst wie vor einer LINKEN im bayerischen Landtag.

Die Freiheitsliebe: Danke dir für das Gespräch.

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2 Antworten

  1. Hätte man schon vor Monaten, also ca halbes Jahr intensiver zum Thema berichtet und hätte die LINKE Partei mobilisiert, wäre richtig Bewegung in die Sache gekommen. Genug Infofutter war da.Politiker und Organisationen hatten weit vorher Wind von der Sache bekommen! 30.000 in München waren nicht schlecht, aber hätte mehr sein können. Die vier kleineren Demos vor München waren klägliche Zahlen, genau wie die Anzahl der Demos. Den von der LINKEN gerühmten grossen Widerstand oder Erfolg sehe ich hier nicht. Möglichkeit nutzen mit Hilfe der LINKEN auch bundesweit zu koordinieren und mobilisieren ist nicht passiert. Ausser in Bayern lief nichts bemerkbares. Wird lieber wie auch auf freiheitsliebe endlos von LINKE palavert. Was bringt das jetzt noch zu demonstrieren und auf ein mal ein Interview wie das hier zu machen, kurz bevor das Gesetz wahrscheinlich durchkommt? In NRW tut sich bis jetzt schon mal garnichts zum Thema. Da mein Kommentar zum PAG NRW Beitrag von Mossavat nicht mehr ergänzen ging: Herr Kerekes, Mossavat schrieb den Beitrag eben nicht zwei Monate vor meinem Kommentar, sondern nur einen, hinkte daher dennoch nach. Sie sollten mal genauer lesen ;-) Auch die lustige Reisewarnung von März auf freiheitsliebe ist wie vieles hier inaktuell. Man kann in Bayern schon seit ziemlich einem Jahr Personen für drei Monate und ohne Anklage in Vorbeugehaft nehmen! Nicht erst ab diesem Sommer.Sind sogenannte Gefährder für freiheitsliebe Rechercheure etwa keine Personen? In Zukunft besser recherchieren, danke.

  2. Gibt es den „demokratischen Rechtsstaat“ mit den funktionierenden Gesetzen und der Gewaltenteilung, den angebliche Reichsbürger, Staatsverweigerer, Träumer, Aussteiger und Querulanten nicht anerkennen würden? Wurde der Machtmissbrauch der Herrschenden tatsächlich abgeschafft?
    Das Deutsche Reich wäre nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht untergegangen, vgl. https://www.bundestag.de/presse/hib/2015_06/-/380964 , wodurch wir in Deutschland offenbar alle Reichsbürger sind. Vom Bundesverfassungsgerichts halte ich nichts. Es suggeriert die Pflicht der Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns des Rechtsstaatsprinzips, aber bietet selbst eine unvorhersehbare Erfolgsquote im Bereich von 0,2 bis 0,3 %, vgl. https://www.amazon.de/Das-Recht-Verfassungsbeschwerde-Rüdiger-Zuck/dp/3406467237 . Die Organisationsstrukturen des kaiserlichen Obrigkeitsstaates– verstärkt durch Zuschnitte der deutschen Justizorganisation auf den nationalsozialistischen Führerstaat – blieben bis heute erhalten. Die neue Gewaltenteilung des Grundgesetzes steht nur auf dem Papier. Ihre praktische Umsetzung durch die Neugestaltung des Staatsaufbaus hat bis heute nicht stattgefunden, siehe http://www.gewaltenteilung.de/#9 . Die Sklavenhalter-Mentalität bzw. das Interesse an Nazi-Methoden sind auch nicht einfach weg, auch wenn uns das Herrschende weismachen wollen.
    In diesem Sinne kommt in Bayern offensichtlich das härteste Polizeiaufgabengesetz / Polizeigesetz seit 1945- https://netzpolitik.org/2018/ab-sommer-in-bayern-das-haerteste-polizeigesetz-seit-1945/ . Mit dem neuen § 89 Bundeskriminalamtgesetz sind Grundrechte nun auch ab 25.05.2018 eingeschränkt, u.a. auch die körperliche Unversehrtheit (Folter, Tötung?), vgl. z.B. https://newstopaktuell.wordpress.com/2018/05/09/alarm-einschraenkung-der-grundrechte-ab-25-mai-2018/ . Seehofer will die totale Überwachung- https://www1.wdr.de/daserste/monitor/sendungen/seehofers-plaene-100.html . Die Bundesregierung will freies Wissen filtern, vgl. https://blog.wikimedia.de/2018/05/02/danke-aber-das-reicht-nicht-nouploadfilter/ .
    Es existiert bereits eine Zensur, siehe https://youtu.be/EuTkZky2ygs . Kritische Journalisten (und Angehörige) erhalten bereits Morddrohungen, siehe https://www.youtube.com/watch?v=nncRYQB6ugw . Ich wurde auch von mehreren Trollen bedroht, bald abgeholt zu werden. Einschüchterungsmaßnahmen, Folter in Geheimgefängnissen (Black Sites), Eindringen in Rechnersysteme u.ä. wurde offenbar den Gesetzen vorauseilend heimlich schon gemacht, vgl. Leaks, z.B. unter http://staatenlosinfo.com/ssl zur Geheimorganisation „Sonnenstaatland“.
    Wenn Herrschende immer mehr auf Unterdrückung abzielende Bestimmungen durchsetzen, kann man sich denken, was gemacht wird bei bereits bestehenden diktaturähnlichen Verhältnissen:
    Rechtsbrüche und Rechtsbeugungen sind systemkonform, vgl. http://www.odenwald-geschichten.de/?p=1740 . Der positive Sinngehalt der einschlägigen Gesetze wird in den Köpfen der zuständigen Beamten derart deformiert wird, dass vom ursprünglichen Gesetzeszweck so gut wie nichts davon übrig bleibt (vgl. http://web.wengert-gruppe.de/wengert_ag/news/2003/SteuerstrafverfinDeutschland.pdf ). Grundsätzliche Methode aller Gerichte, Behörden und Petitionsausschüsse bei ihren Entscheidungen über Gesuche Betroffener ist die Verfälschung und Ignorierung des wahren Sachverhalts und die Ignorierung oder Verdrehung des maßgeblichen Rechts, vgl. http://unschuldige.homepage.t-online.de/ . Gerichte und Behörden bedienen sich bereits der medizinischen Diagnostik, um „Querulanten“ als Kranke hinzustellen und auf diese Weise „unschädlich“ zu machen. Weiteres zur missbräuchlichen Andichtung der Querulanz z.B. unter https://sites.google.com/site/psychiatrisierung56zpo/michael-kohlhaas-querulanten-noergler-quengler , http://www.antizensur.de/justizskandal-in-bayern-maul-halten-sonst-droht-die-zwangseinweisung/ .
    Unter http://www.sgipt.org/lit/sonstige/FDRSDuPO.htm wird auch von Seiten der Psychologie bestätigt, dass Verbrechen aufgrund einer unwissenschaftlichen Diagnostik begangen werden.
    Das laufende Mobbing, also willkürliche Machtausübung, geht auch auf Kosten der Gesundheit der Gemobbten (vgl http://www.stern.de/wissen/mensch/neue-studie-mobbing-schadet-der-gesundheit-ausser-man-mobbt-selbst-2110066.html ).
    Die schikanierten Leute wollen den menschenfeindlichen Verhältnissen entgehen und sich abkapseln, z.B. als Selbstverwalter, weil sie nicht als Sklaven behandelt werden möchten. Das laufende Mobbing durch herrschende ist auch gesundheitsschädlich. Manche scheinen sich als Reaktion zu bewaffnen (Plan und Ursache).
    Bürgerbeteiligungen wie die Zulassung von Volksentscheiden und die Errichtung von Bürgergerichten (https://www.change.org/p/strafbarkeit-von-rechtsbeugung-wiederherstellen-b%C3%BCrgergerichte-einf%C3%BChren ) wären zur Gewaltenteilung dringend notwendig, weil sich das System nicht an Bürgerrechten, sondern an der Selbstgefälligkeit der Regierenden und anderer Herrschenden ausrichtet, vgl. https://www.youtube.com/watch?v=y5FiOrJClts&list=PLRLt57BRPAiIeMjbWe7aLekCzTyAkEycJ , https://www.gruene-bundestag.de/parlament/bundestagsreden/2009/juli/jerzy-montag-achtung-der-grundrechte.html und https://www.youtube.com/watch?v=dgsNB8JKDd8. Auch sollte die Rechtsprechung größtenteils der elektronischen Datenverarbeitung überlassen werden, weil sich die unzähligen Gesetze und die Gesetzeslücken füllende Rechtsprechung kein Amtsträger merken kann und der Bürger im Internet die Rechtslage erforschen und feststellen kann, dass der schon Kindern suggerierte Glaube an das funktionierende Rechtssystem nicht der Realität entspricht (anschauliches Video unter https://youtu.be/AKl0kNXef-4 ).
    Weiterverbreitung, auch Abänderung erwünscht.

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