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Exzellente Prekarisierung – FU Berlin will 31 Beschäftigten des Botanischen Gartens kündigen

„Exzellent“ – mit diesem Adjektiv schmückt sich Berlins Freie Universität (FU) gern. Und in mindestens einer Disziplin muss man der Hochschulleitung tatsächlich eine Spitzenreiter*innenrolle zuerkennen: Outsourcing.

Beim Botanischen Garten, der zur FU gehört, wurden die Beschäftigten bereits 2007 in eine 100prozentige Tochtergesellschaft verschoben. Der Tarifvertrag für Landesbeschäftigte (TV-L) gilt – anders als an der Universität – bei der „Betriebsgesellschaft für die Zentraleinrichtung Botanischer Garten und Botanisches Museum“ (BG BGBM) nicht. Die Beschäftigten verdienen bis zu 72 Prozent weniger als ihre Kolleg*innen, die noch bei der FU angestellt sind, für die gleiche Tätigkeit.

Solche Lohndrückerei ist im Land Berlin nicht untypisch. Die FU will nun aber ihre „Exzellenz“ unter Beweis stellen und einen Schritt weiter gehen: Am morgigen Mittwoch wird das Kuratorium der Hochschule darüber verhandeln, Reinigung, Technik und Besucherservice vom Botanischen Garten an Fremdfirmen zu übertragen. Für 31 Beschäftigte der BG BGBM würde das betriebsbedingte Kündigungen bedeuten. Betroffen wäre auch eine Reihe von Betriebsratsmitgliedern, darunter die Vorsitzende.

Die Universität weist jede Verantwortung von sich. In einer Unterlage aus der letzten Sitzung des Akademischen Senats wird die Berliner Regierung aufgefordert, „für eine angemessene Finanzierung des Botanischen Gartens Sorge zu tragen“.

Seit zehn Monaten verhandelt die Gewerkschaft ver.di mit der Universität, um eine Erhöhung der Löhne auf das Niveau des TV-L zu erreichen. Der Vorschlag weiterer Ausgliederungen kann nun als Reaktion auf die Forderungen der Lohnabhängigen interpretiert werden. „Es ist beschämend, dass das Präsidium der Muttergesellschaft Freie Universität Berlin derlei Maßnahmen als alternativlos darstellt“, so ver.di-Funktionärin Susanne Feldkötter in einer Erklärung.

Peter Lange, Kanzler der Universität, verfolgt diese Politik mit großem Elan. Aus gewerkschaftlichen Kreisen ist zu erfahren, dass Lange eine Unternehmensberatung engagiert habe, um den Garten von einer öffentlichen in eine private Einrichtung zu verwandeln. Die idyllische Atmosphäre, die zu einem Garten gehört, gilt deswegen nicht für die Beschäftigten. Weil 18 Stellen unbesetzt sind, arbeiten alle am Limit. Urlaubstage werden nicht gewährt, Überstunden nicht bezahlt.

Manches aus dem Tarifkonflikt klingt abenteuerlich: So soll die Unternehmensberatung einen Agenten in die Belegschaft eingeschleust haben. Die Initiative „Berliner Aktion gegen Arbeitsunrecht“ spricht gar von insgesamt 340.000 Euro Steuergeldern, die die FU in den letzten Jahren aufgewendet habe, um engagierte Betriebsräte loszuwerden. Scheinbar geht es weniger ums Geld und mehr ums Prinzip.

Bereits jetzt wird die Reinigung aus der Betriebsgesellschaft ausgegliedert. In der Technik sind Leiharbeiter*innen beschäftigt, „die teilweise sogar mehr verdienen als ihre bei der BG BGBM angestellten Vorgesetzten“, so Gewerkschaftssekretärin Jana Seppelt in einem Brief an den Akademischen Senat.

Universitäten in Deutschland stellen die Speerspitze der Prekarisierung dar. Unter den angestellten Wissenschaftler*innen arbeitet nur eine*r von zehn mit einem unbefristeten Vertrag. Befristung und Unsicherheit sollen nun auch auf das nichtakademische Personal ausgeweitet werden.

Doch nicht nur die Beschäftigten, sondern auch Studierende an der Universität sind unzufrieden. Am morgigen Mittwoch um 10 Uhr soll es Protest bei der Sitzung des Kuratoriums im Präsidiumsgebäude geben. Auch bei einem „Festakt für Lange“, der am Freitag Morgen in den Ruhestand verabschiedet werden soll, wird mit Störungen gerechnet.

Studentische Solidarität für einen Arbeitskampf erlebte die FU Berlin vor sechs Jahren. Damals wurde die Mensa blockiert, um die Beschäftigten des Studentenwerks zu unterstützen. Im Anschluss fand eine gemeinsame Vollversammlung von Arbeiter*innen und Studierenden statt. Gegen diesen neuen Vorstoss der Prekarisierung kann nur die Einheit von Arbeitenden und Studierenden helfen!

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Eine Antwort

  1. Genial. Vielleicht sollten wir das rektorat privatisieren. Die deppen gibt’s bestimmt auch zu Hartz iv Konditionen. Und danach privatisieren wir den Bundestag…oder ist dieser nicht schon längst in Hand von Lobbyisten? Also wenn es nicht bald knallt nenne ich mich offiziell „dumm“

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