Gewinner und Verlierer in Covid-19 Großbritannien

Wir sitzen nicht alle im selben Boot. Covid-19 ist nicht der große Gleichmacher, der alle zusammen bringt, sondern eine weitere Krise, die die Risse in einer sowieso schon ungerechten Gesellschaft vertieft. Bosse und Banker greifen weiterhin die Profite ab, ohne Rücksicht auf das Ausmaß des menschlichen Leids. Teile der Reichen werden reicher, obwohl zeitgleich hunderte Millionen normale Menschen in die Armut gedrängt werden.

Firmengiganten nutzen lieber Lücken im Urlaubszeit- und Kurzarbeitsgesetz aus, als ihren immensen Reichtum anzugehen, um Gehälter zu zahlen. Zusätzlich werden Arbeiterinnen und Arbeiter gefeuert, während die Bosse erbarmungslos nach neuen Wegen suchen, die Profite in die eigenen Taschen zu stecken.

Amazon ist ein gutes Beispiel dafür. Der Online-Versand hat für den Konzern geboomt und damit den Nettoumsatz weltweit um 26 Prozent auf 62 Milliarden Pfund (rund 69 Milliarden Euro) gesteigert. Milliardär und Gründer Jeff Bezos gab damit an, dass dies die „Anpassungsfähigkeit und Widerstandfähigkeit des Amazon-Geschäftsmodells“ zeige wie nie zuvor, aber es sei auch die schwerste Zeit, die wir jemals durchstehen müssten.

Dabei sind die Zeiten für Bezos gar nicht so schlecht, sein persönliches Vermögen stieg rasant um 30 Prozent in den letzten zwei Monaten – auf 121 Milliarden Pfund (134,5 Milliarden Euro). Seine Profite steigen, weil die Firma einige Preise während einer Pandemie angehoben hat und die Belegschaft zwingt, unter gefährlichen Bedingungen zu arbeiten.

Für die ehemaligen Amazon-Angestellten Emily Cunningham und Maren Costa bietet sich aber ein ganz anderes Bild. Die beiden wurden im April gefeuert, weil sie eine Petition organisiert haben, in der sie verbesserte Sicherheits- und Gesundheitsstandards forderten und argumentierten, dass der Betrieb während der Pandemie besser eingestellt werden sollte.

„Ich bereue nicht, mich mit meinen Kolleginnen und Kollegen gewehrt zu haben“, sagte Costa.

„Es geht um Menschenleben und die Zukunft der Menschheit. In dieser Krise müssen wir dafür aufstehen, woran wir glauben, Hoffnung haben und von unseren Firmen und Arbeitgebern ein Mindestmaß an Anstand fordern, der in dieser Krise bisher fehlt.“

Während Bezos seine stetig wachsenden Berg an Geld zählt, verkündete Amazon in den USA letzte Woche, dass es die „Krisen-Sonderzahlung“ von 2 US-Dollar pro Stunde und doppelte Überstunden für alle Beschäftigten von Amazon zum Ende des Monats einstellen werde.

GEWINNER – Hedgefonds

Die großen Hedgefondsbonzen reiben sich gerade freudig die Hände beim Anblick der Möglichkeiten, während dieser Krise stinkreich zu werden.

Hedgefonds sind private Anlagefirmen, die auf die Entwicklung von Anteilen, Schulden, Rohstoffen und Währungen wetten. Im Zeitraum von nur drei Wochen hat der superreiche Hedgefond-Manager und wichtigster Tory, der Geldgeber Crispin Odey, einen Gewinn von 115 Millionen Pfund eingefahren (rund 128 Millionen Euro).

Der Hedgefond Citadel hat 43 Millionen Pfund durch den Zusammenbruch von Easyjet durch Fixgeschäfte eingefahren – sie haben Anteile „auf pump“ gekauft, sie sofort verkauft und später zu einem niedrigeren Preis zurückgekauft. Eine Analyse des Evening Standard legt nahe, dass Hedgefonds in etwa 1,48 Milliarden Pfund (rund 1,65 Milliarden Euro) allein durch Fixgeschäfte eingesteckt haben.

Zeitgleich haben die Bosse von Easyjet einen Kredit in Höhe von 600 Millionen Pfund (rund 667 Millionen Euro) von der Regierung eingeholt und Tausende Arbeiterinnen und Arbeiter in den Zwangsurlaub geschickt. Die Firma nimmt Staatshilfen an, obwohl sie ihren Anteilseignerinnen im März noch 171 Millionen Pfund (rund 190 Millionen Euro) ausgezahlt hat.

GEWINNER – Lieferservice

Die Kontaktsperren sind besonders gute Nachrichten für Firmen, die Entspannung zuhause anbieten. TV- und Filmanbieter boomen gerade – Netflix fuhr 365 Millionen Pfund (rund 405 Millionen Euro) mehr im ersten Quartal 2020 ein als noch in 2019.

Essensliefer- und Abholdienste profitieren auch – ihre Umsätze stiegen um 8,7 Prozent. Firmen wie Deliveroo und JustEat können ihren Gewinn teilweise auch deshalb weiter steigern, weil sie auf fürchterliche Arbeitsbedingungen setzen. Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer werden als „selbstständig“ kategorisiert, um ihnen Kündigungsschutz, Krankengeld, Urlaubsansprüche und Arbeitslosengeldansprüche vorzuenthalten. Deliveroo berichtete, dass im März 3.000 neue Restaurants sich ihrem Service angeschlossen hätten. Wenn die Lockerungsmaßnahmen für Restaurants und Kneipen weiter so schleppend vorangehen, könnten die Lieferservice-Apps auf einer wahren Goldgrube sitzen.

GEWINNER – Big Pharma

Der Wettlauf um den Covid-19-Impfstoff hat begonnen – und pharmazeutische Firmen sind verzweifelt darauf bedacht, ein Stück vom Kuchen abzubekommen. Der Pharmaziehersteller AstraZeneca hat den Zuschlag bekommen, jeden Impfstoff herstellen zu dürfen, der die Versuchsreihen der University of Oxford besteht. Der Firma wurden bisher von der US-Regierung bereits 820 Millionen Pfund (rund 912 Millionen Euro) für Entwicklung, Herstellung und Lieferung des Impfstoffes ausgezahlt.

Die Suche nach einem Impfstoff für das Coronavirus trifft auf eine Zeit, in der Firmen sowieso schon die Preise für essenzielle Medizin anheben. Das Gesundheitssystem wird dominiert von Big Pharma – große Hersteller haben ein Monopol auf die Medizin. Und das Problem wird immer größer.

In den USA berichteten zwei Drittel der Erwachsenen, dass ihre verschreibungspflichtigen Medikamente seit 2017 teurer geworden sind. Außerdem zahlte der NHS (National Health Service) in Großbritannien, allein in 2017/18, 18,2 Milliarden Pfund (rund 20,2 Milliarden Euro) durch künstlich verteuerte Medikamente an private Hersteller.

GEWINNER – Die Reichen

Die Reichen fühlen das Zwicken der Pandemie nicht – einige scheffeln sogar mehr Geld als zuvor.

James Dyson führte die Reichenliste der Sunday Times an, nachdem er sein Vermögen in einem Jahr um 3,6 Milliarden Pfund (rund 4 Milliarden Euro) vermehrt hat.

Zudem zeigte ein Bericht eines US-Thinktanks, dass das Vermögen der US-Milliardäre zwischen dem 18. März und dem 19. Mai sprunghaft um 15 Prozent angestiegen ist. Er zeigte außerdem, dass die Top-5-Milliardäre ihren Reichtum innerhalb von nur zwei Monaten um 62 Milliarden Pfund (rund 69 Milliarden Euro) steigern konnten.

VERLIERER – Beurlaubte Beschäftigte

Ungefähr 6,3 Millionen Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer wurden in Großbritannien in den Urlaub geschickt, wo sie mit Sorge auf die Zukunft ihrer Jobs blicken. Die Bosse benutzen Rettungspakete, um die Arbeiter*innen zu bezahlen, ohne ihr Eigenkapital anbrechen zu müssen. Aber viele Arbeiter*innen warten wochenlang darauf, dass ihr Gehalt ankommt, was einige in die Armut treibt.

Ellie, die für eine Firma arbeitete, die NHS-Umfragen organisiert hat, musste sieben Wochen darauf warten, dass ihr das Beurlaubungsgehalt ausgezahlt wurde. Außerdem war sie aufgrund der Rettungsmaßnahmen vom Universal Credit (einem staatlichen Sozialhilfeprogramm) ausgeschlossen.

„Es war deprimierend“, sagte sie dem Socialist Worker. „Ich fühlte mich komplett verlassen vom Staat und darunter litt auch meine Psyche. Hätte ich nicht meine Familie und Freunde um mich gehabt, ich wüsste nicht was ich getan hätte.“

VERLIERER – Lieferantinnen und Lieferanten

Obwohl die Nachfrage nach Essenslieferungen gestiegen ist, haben die Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer im Liefersektor Probleme, über die Runden zu kommen.

Ben ist Fahrradkurier für Deliveroo und hat dem Socialist Worker gegenüber gesagt: „Während der letzten sechs Wochen war mein Spitzenverdienst 70 Pfund (79 Euro) in einer Woche.“ Der Wettbewerb zwischen den Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer ist unerbittlich, und so erklärte Ben weiter, verdiene er nur selten über 20 Pfund (22 Euro) pro Woche, obwohl sich die Bestellungen verzehnfacht hätten.

Außerdem halten die kaltherzigen Deliveroo-Bosse wichtige Schutzausrüstung bewusst zurück, um die Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer zu härterer Arbeit anzuhalten.

„Zwei Wochen, nachdem der Lockdown begonnen hatte, ließ das Management verkünden, dass persönliche Schutzausrüstung nur gestellt würde, wenn wir zehn oder mehr Bestellungen in den letzten zwei Wochen ausgefahren hätten“, sagte Ben. Als er schließlich sein Set erhielt, bestand es aus „zwei OP-Masken und 250 Millilitern Desinfektionsmittel“.

VERLIERER – Pflegepersonal

Schlecht bezahlte Pflegekräfte können sich täglich mit dem Virus anstecken – trotzdem berichten sie immer noch, dass es schwierig sei, an ausreichend Schutzausrüstung zu kommen.

Viele sind an private Firmen outgesourced und erhalten nur den Mindestlohn in befristeten Verträgen. Adam, der in einem Krankenhaus in Sheffield putzt, erzählt, dass Arbeiternehmerinnen und Arbeitnehmer mit schlechter Bezahlung, Überstunden und dem Risiko der Ansteckung kämpfen.

„Die Menschen müssen 40 Stunden pro Woche arbeiten, nur um ihre Familie über Wasser zu halten“, sagte er. „Es würde mich nicht wundern, wenn sich das Reinigungspersonal in meinem Krankenhaus ansteckt, denn viele von uns arbeiten auf Stationen mit positiv getesteten Patientinnen und Patienten. Dazu kommt, dass es wie für alle Menschen, die gerade im Krankenhaus arbeiten, extrem schwierig ist, an Schutzausrüstung zu kommen.“

VERLIERER – Menschen mit Behinderung

Das Coronavirus hat das Leben für Menschen mit Behinderungen deutlich schwieriger gemacht, weil sie gezwungen sind, für notwendige Pflege und essenzielle Leistungen zu bezahlen. Die Aktivistin Ellen Clifford sagte dem Socialist Worker: „Diese Krise zeigt, wie wenig sich der Staat für Menschen mit Behinderung interessiert. Sie müssen ihr Essen online bestellen und eine hohe Nachfrage bedeutet dann, dass sie teurere Alternativen wählen müssen. Dazu kommt dann noch, dass Menschen mit Behinderung, die auf häusliche Betreuung angewiesen sind, die Kosten für die Schutzausrüstung selbst tragen müssen.“

Menschen mit Behinderungen haben ohnehin höhere Lebenshaltungskosten zu stemmen und Covid-19 bedeutet für sie, dass ihre Finanzen nun noch weiter strapaziert werden.

VERLIERER – Haushaltsangestellte

Die Regierungsleitlinien vom 10. Mai erlaubten es, dass Nannies, Au-Pairs, Reinigungskräfte und andere Heimarbeiterinnen wieder ihrer Beschäftigung nachgehen könnten.

Allerdings berichten viele Nannies und Au-Pairs, dass ihre Bosse sie sowieso schon dazu gebracht hätten, während des Lockdowns weiter zu arbeiten, was sie selbst und ihre Familien einem Risiko ausgesetzt hat.

„Ich musste meinen Job als Nanny kündigen“, erzählte Susan dem Socialist Worker. „Mein Arbeitgeber hat die Leitlinien durchgehend verletzt. In meiner Familie habe ich eine Person der Risikogruppe. Trotzdem wollten meine Bosse mich nicht beurlauben, weil sie auf mich angewiesen waren. Sie haben mir gesagt Entweder du kommst zur Arbeit oder du kündigst.
Frauen aus der Arbeiterinnenklasse wie Susan riskieren ihr eigenes Leben, um reichen Eltern, die genug Geld haben, um ihre Kinderbetreuung outzusourcen, das Leben angenehmer zu machen.

*Einige der Namen wurden von der Redaktion geändert.

Der Artikel erschien im Socialist Worker und wurde von Jan Lukas Borzim übersetzt. Jan Lukas ist Mitglied des SDS.

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