Projekt Datteltäter
Foto mit freundlicher Genehmigung von Younes Al-Amayra // Datteltäter

Feminismus und Islam – wie passt das zusammen? Aktivistin Farah Bouamar im Interview.

Nicht erst seit vermeintliche „Frauenschützer“ im Nachlauf der Silvesternacht das Thema Sexismus als Propagandainstrument für sich entdeckt haben, wird „dem Islam“ angelastet, nicht nach Deutschland/Europa beziehungsweise ins aufgeklärte 21. Jahrhundert zu passen. Insbesondere gilt dies, wenn es um das Frauenbild der „muslimischen Welt“ geht. Wer dabei in herkömmlichen, quoten- und auflagenstärkeren Medien allerdings selten zu Wort kommt und traditionell gerne überhört wird, sind muslimische Frauen selbst. In den sozialen Medien dagegen ist eine durchaus vernehmbare Stimme die der Aktivistin Farah Bouamar vom Projekt Datteltäter. Sie schildert uns an dieser Stelle im Interview ihren persönlichen Zugang zum Islam, Schwierigkeiten im Umgang mit der Außenwahrnehmung sowie ihre Perspektive auf das Verhältnis von Feminismus und Islam.

Die Freiheitsliebe: Zunächst vielen Dank, dass du dir Zeit für dieses Interview nimmst. Kannst du kurz erklären, wie du zu den „Datteltätern“ gekommen bist, und wie dieser Name eigentlich entstanden ist?

Farah Bouamar: Younes Al-Amayra führte die Gruppe mit der Idee einen YouTube-Kanal mit Fokus auf Muslime in Deutschland zu starten, zusammen. Aus der Idee wurden die Datteltäter, ein Satire-Kalifat, wie wir es gern nennen. Der Name ist durch langes hin und her überlegen entstanden. Das Kompositum „Dattel-Täter“ impliziert einen zynischen Grundtenor, der unserem Vorhaben mit Satire zum Nachdenken und Hinterfragen anzuregen, entsprochen hat, weshalb wir uns an dem Namen umso mehr erfreuen. Während die Dattel für eine Frucht steht, die zahlreiche positive Konnotationen (wie auch immer sie von wem auch immer aussehen mögen) erfährt, ist der Begriff der Täter ein negativ besetzter, der bei der Zusammenführung beider Worte für eine eigenartige Allusion sorgt – Datteltäter – Attentäter? Satirisch gelesen würde dies folgendes bedeuten: Wir machen fruchtbare Attentate auf das Verzerrte Verständnis von Muslimen in Deutschland.

Die Freiheitsliebe: Wie ist es für dich, mit deinem Glauben in der Öffentlichkeit zu stehen? War das am Anfang eher eine Überwindung oder ist das für dich etwas Selbstverständliches?

Farah Bouamar: Mein Glaube ist ja nicht wirklich das, womit ich in der Öffentlichkeit stehe, vielmehr bin ich es, Farah (Studentin, Gesellschaftsmensch, Datteltäterin), eine mehrdimensionale Erscheinung, deren Persönlichkeit und Ideen in der Öffentlichkeit stehen. Was irritierend dabei wirkt, ist möglicherweise der Hinweis auf meinen Glauben, der durch das Tragen eines Hijabs erfolgt. Dies bringt eine nicht selten in eine konfuse Situation, wenn es um Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung geht. Das eigene Selbstverständnis, die Art und Weise wie man gelesen wird und eine Wolke Vorurteile im Raum korrelieren nicht immer miteinander. In der Öffentlichkeit zu stehen, war für mich nie eine Überwindung, doch ist der Umgang damit ein anderer geworden.

Die Freiheitsliebe: Wie gehst du damit um, wenn du auf das bekanntermaßen negative Frauenbild angesprochen wirst, das konservativ-islamische oder sogar islamistische Kräfte verbreiten?

Farah Bouamar: Das ist eine sehr gute Frage, die ich pauschal nicht beantworten kann, da der Kontext entscheidend ist. Wer fragt was und warum? Geht es darum das muslimische Etwas in eine Rechtfertigungssituation zu bringen? Geht es darum „den Islam“/Religionen im Allgemeinen zu diffamieren? Ist es tatsächliches Interesse? Ist es Verwirrung? Bei diesen Fragen versuche ich zu chillen, auszuatmen, denke die Situation intersektional und schätze dann ab, ob ich reden möchte oder nicht.

Die Freiheitsliebe: Wie wichtig ist der Faktor Community/Zusammenhalt für deinen Zugang zum Glauben bzw. die (Nicht-)Einhaltung religiöser Vorschriften? Spielt die Gemeinschaft für dich persönlich eine große Rolle oder ist dein Glaube eher dein individuelles „Ding“?

Farah Bouamar: Sicher ist mein Glaube mein Baby und mein individuelles Ding, ob ich glaube oder nicht, ob ich Ethik-Essenzen verinnerliche und danach handele oder nicht ist ein Ding zwischen mir und dem Daddy da oben. Das heißt aber nicht, dass ich mich nicht unglaublich freue, wenn ich von Menschen umgeben bin, die eine ähnliche Ethik haben und versuchen danach zu leben. Zeit in einer muslimischen Community zu verbringen, wo man gemeinsam spirituell unterwegs ist, ist ein Luxus, den man sich in unserem Alltag leider nur selten leisten kann. Community ist eine großartige Sache.

Die Freiheitsliebe: Zum Abschluss eine Frage aus feministischer Perspektive: Würdest du sagen, dass der Islam dich als Frau definiert – oder definierst du als Frau „deinen“ zeitgemäßen Islam?

Farah Bouamar: Eine fast dualistische Frage! (lachend) Entweder der Islam definiert Dich oder Du definierst den Islam! – der Feminismus im Jihad! … nein, Spaß.

Der Islam existiert nicht, der Islam kann auch nicht definieren. Religiöse Schriften erfahren menschliche (in der Vergangenheit mehrheitlich männlich dominierte) Deutungen, die nicht minder von Faktoren wie der Kulturrelationalität und damit Ort, Zeit, Interessen etc. abhängig sind. Ich habe weder die Expertise im Umgang mit religiösen Texten, noch ist mir das Handwerk zueigen, hermeneutisch an religiösen Schriften zu werkeln, um Definitionen zu tätigen. Dafür haben wir großartige Theologinnen, die die religiöse Botschaft als revolutionäre Botschaft des sozialen Egalitarismus verstehenn und sich um eine geschlechtsneutrale Exegese bemühen. Fachlich-kompetente Definitionen können diese Frauen leisten, und die gibt es. Was wir muslimische Feministen (unabhängig des Geschlechts) und Aktivisten aber leisten können, ist die Bemühung, den egalitären Ansatz, der unserem Selbstverständnis als existierende, denkende, seiende, sichtbare (in Stimme und Auftritt) Menschen entspricht, in die Welt zu tragen und verzerrten Verständnissen (in unterschiedliche Richtungen) entgegenzuwirken.

Das Interview führte Marion Wegscheider. Farah Bouamar ist am Mittwoch, den 13.04.2016 zu Gast im Essener Heinz Renner Haus, wo sie ab 18 Uhr zum Thema „Das Frauenbild im Islam – eine muslimisch-feministische Perspektive“ sprechen wird. Anschließend besteht die Möglichkeit der Diskussion bzw. ab 18:30 Uhr der Anschluss an die Kundgebung gegen PEGIDA in der Essener Innenstadt.

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2 Antworten

  1. Die Dame hat sich ihren eigenen Islam gebastelt, der nichts oder wenig mit dem Koran, den Hadithen, der Sunna zu tun hat. Es ist so eine Art feministisch – humanistisch – libertärer Egotrip – Spass – Islam.
    Man sollte sie nicht allzu ernst nehmen. Sie will ein bisschen spielen und provozieren.
    Intellektuell unterirdisch und vom psychologischen Reifegrad mindestens bedenklich sind ihre Äusserungen schon. Solche Damen und Herren hat es immer schon gegeben. Bunte Vögelchen, die eine Saison lang zwitschern und dann davonflattern. Solange sie sich nicht radikalisiert und anfängt den Islam ernst zu nehmen ist das alles nicht so schlimm. Wachsam sein sollte man aber schon etwas, aber auch nicht zu viel. Was solche Leute letztlich anrichten ist eine Verniedlichung des Islam, womit sie ihn für andere „niedliche“ Figuren interessant machen. Wirklich böse sind sie nicht. Nur unfassbar ahnungslos.

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