Bayer im Jahr eins nach der Monsanto-Übernahme

Die Nachricht von dem Plan des Bayer-Konzerns, Monsanto übernehmen zu wollen, schreckte im Jahr 2016 die Kritikerinnen und Kritiker auf. Sie befürchteten eine nochmalige Forcierung des im Agro-Business tobenden Konzentrationsprozesses mit Auswirkungen wie höheren Preisen für Landwirtinnen und Landwirte. Zudem warnten die Coordination gegen BAYER-Gefahren und andere Initiativen vor Arbeitsplatz-Vernichtung im großen Stil durch die bei solchen Deals immer viel beschworenen „Synergie-Effekte“.

Und schließlich stellten sie auf den Hauptversammlungen des Leverkusener Multis schon früh Fragen zu den möglichen finanziellen Folgen der Schadensersatz-Prozesse in Sachen „Glyphosat“.

Schon elf Tage nach dem offiziellen Vollzug der Transaktion sollten sich die düsteren Prophezeiungen der Kritikerinnen und Kritiker bewahrheiten. Da eröffnete die Richterin Suzanne R. Bolanos in den USA nämlich die Verhandlungen zum Fall „Dewayne Johnson v. Monsanto Company“. Sie endeten mit einem Schuld-Spruch für die neue Bayer-Tochter. Das Gericht machte das hauptsächlich unter dem Label „Roundup“ vermarktete Glyphosat für die Krebserkrankung Johnsons verantwortlich und verhängte eine Strafe in Höhe von 78 Millionen Dollar. Sofort stürzte die Aktie des Konzerns ab, denn die Finanzmarkt-Akteurinnen und Akteur rechneten die Summe auf die noch ausstehenden 11.200 Klagen hoch und sahen enorme Belastungen auf den Global Player zukommen. „Entsprechend ungemütlich verliefen die Gespräche von Baumann (der Vorstandsvorsitzende von BAYER, Anm. der Redaktion) mit Anteilseignern wie dem Vermögensverwalter Blackrock aus New York oder dem Staatsfonds Temasek aus Singapur“, wusste das „Handelsblatt“ zu berichten. Die Branche mahnte Handlungsbedarf an – und der Leverkusener Multi lieferte. Er kündigte ein gewaltiges Umbau-Programm an und stellte 12.000 Arbeitsplätze zur Disposition – mehr als jeden zehnten Job im Unternehmen.

Rationalisierungsmaßnahmen in der Verwaltung fallen 5.500 bis 6.000 Beschäftigungsverhältnisse zum Opfer. In der Agro-Sparte müssen sich 4.000 Menschen einen neuen Posten suchen, obwohl Bayer hier im Zuge der Monsanto-Übernahme sogar das Schaffen von Jobs versprochen hatte. Die „Consumer Health“-Abteilung mit den nicht rezeptpflichtigen Produkten verliert 1.100 Belegschaftsangehörige, unter anderem weil der Leverkusener Multi beabsichtigt, die Sonnenschutz-Mittel der Coppertone-Reihe und die Fußpflege-Präparate der Marke „Dr. Scholl’s“ abzustoßen. Mit 900 Beschäftigten weniger muss die Pharma-Forschung auskommen. „[E]ine verstärkte Ausrichtung auch auf externe Innovationen“ will Bayer nun vornehmen. Und in Wuppertal wird die gerade erst in Betrieb genommene Produktionsanlage zur Herstellung von Bluter-Medikamenten schon wieder Geschichte, respektive 350 Arbeitsstätten. Überdies gab der Agro-Riese bekannt, sich von der Sparte „Tiergesundheit“ und seinem Anteil an dem Chem„park“-Dienstleister Currenta trennen zu wollen, was noch einmal viele Stellen über die bereits annoncierten 12.000 hinaus kosten dürfte. Die „Basis Initiative Solidarität“ – eine unabhängige Gruppe innerhalb der IG Bergbau, Chemie, Energie – rechnet durch die Verkäufe mit einem zusätzlichen Verlust von 9.000 Arbeitsplätzen innerhalb des Konzerns.

Auch mit ihrem Verweis auf die Gefahr höherer Preise für Landwirtinnen, Landwirte, Verbraucher und Verbraucherinnen durch den Wegfall von Konkurrenz in der Agrar-Branche lagen die Kritikerinnen und Kritiker richtig. So freute sich der Leverkusener Multi in seinem neuesten Geschäftsbericht über das gute Ergebnis von Glyphosat & Co. mit den Worten: „Der Anstieg im Bereich Herbizide ist im Wesentlichen bedingt durch höhere Preise und Mengen-Ausweitungen von Roundup in Lateinamerika“. In den anderen Bereichen legte die Agro-Sparte 2018 ebenfalls zu. Der Umsatz erhöhte sich insgesamt um 49 Prozent auf 14,3 Milliarden Euro, wobei 47,2 Prozent auf das Konto von Monsanto gingen. Entsprechend zufrieden zeigten sich die Bosse. „Im Landwirtschaftsbereich sind wir mit weitem Abstand der Marktführer, die Nr. 1 bei jeder großen Nutz-Pflanze, bei Frucht und Gemüse, und wir haben die führende digitale Plattform. Wir haben mehr Zugang zu den Farmern als jeder andere da draußen, und wir haben eine besser gefüllte Pipeline als jeder andere da draußen“, brüstet sich Bayers Agro-Chef Liam Condon.

Nach rein wirtschaftlichen Kriterien betrachtet, hat sich die Transaktion also ausgezahlt. „Das Wertschöpfungspotenzial aus der Kombination der beiden Geschäfte ist unverändert sehr, sehr positiv“, sagt der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann dann auch. Aber zu seinem Bedauern legen die Aktien-Börsen zurzeit eher juristische Kriterien an. „Die Kapitalmarkt-Reaktion hat zumindest meines Erachtens momentan wenig mit dem inneren Wert des Unternehmens zu tun“, klagt der Ober-Bayer.

Das dürfte sich erst ändern, wenn die Prozess-Risiken ein Preisschild bekommen und so ins ökonomische Kalkül von Blackrock & Co. einfließen können. Die Anlegerinnen und Anleger sehnen den Tag dabei, da der Leverkusener Multi den Glyphosat-Geschädigten Vergleiche anbietet, denn das würde für klare Verhältnisse sorgen und die Phase der Unsicherheit beenden, welche dem Bayer-Kurs mehr als alles andere schadet. Bis es so weit ist, stellen die Finanz-Investorinnen, -Investoren und Pensionsfonds selber Rechen-Spiele an. „Kommt Bayer mit Zahlungen von fünf Milliarden Dollar davon, hat der Bayer-Vorstand alles richtig gemeint“, sagt etwa Markus Manns von Union Investments: „Muss Bayer am Ende mehr als zehn Milliarden Dollar zahlen, hat der Vorstand die Risiken von Monsanto klar unterschätzt.“ An zehn Milliarden Dollar hängt es ihm zufolge also, ob die industrielle Logik, die das bundesdeutsche Unternehmen zu dem Monsanto-Kauf bewog, am Ende des Tages ihren Geltungsanspruch zu behaupten vermag.

Aber wie die Sache auch immer ausgeht, die Verlierer stehen jetzt schon fest. Es sind die die BAYER-Beschäftigten, die infolge des Rationalisierungsprogramms unter der Vernichtung von 12.000 Arbeitsplätzen zu leiden haben und für die es noch dicker kommt, wenn der Konzern wie angekündigt Betriebsteile veräußert. Das bekommen dann auch die Standort-Städte zu spüren. Diese Verkäufe und die hohen finanziellen Belastungen durch die Monsanto-Akquisition lassen nämlich die Gewerbesteuer-Zahlungen des Global Players schrumpfen.

Zu den weiteren Verlierern zählen die Landwirtinnen und Landwirte, die Bayer mehr zahlen müssen – und zwar nicht nur für Glyphosat: In den USA stiegen die Preise für Saatgut zwischen 2010 und 2018 um 35 Prozent, was die Farmerinnen und Farmer nicht einfach auf ihre Acker-Früchte draufschlagen können. Nicht zuletzt deshalb sinken die Einkünfte der Farmerinnen und Farmer. Sie reduzierten sich binnen der letzten fünf Jahre um 46 Prozent. Viele Bauern und Bäuerinnen haben so eine hohe Schuldenlast zu tragen und zahlreiche von ihnen brechen irgendwann darunter zusammen: Der Anteil der Farmen an den Insolvenzen in den Vereinigten Staaten beträgt mittlerweile fast 50 Prozent.

Diesen Verlierern werden die Konzern- Kritikerinnen und -Kritiker auf der BAYER-Hauptversammlung am 26. April in Bonn eine Stimme geben. Und natürlich all denen, welche die sonstige Geschäftspolitik des Leverkusener Multis produziert wie etwa Pestizid-Kranke und Medikamenten-Geschädigte.

Zur Einstimmung hat die Coordination gegen BAYER-Gefahren zusammen mit ihren Bündnispartnern am Vorabend der Hauptversammlung eine Podiumsdiskussion organisiert, an der unter anderem der brasilianische Pestizid-Kritiker Alan Tygel teilnimmt. Am Tag darauf findet ab 7 Uhr eine Kundgebung statt, und ab 10 Uhr werden die Aktivistinnen und Aktivisten in den Saal des Aktionärinnen und Aktionärs-Treffens gehen, ans Mikrofon treten und den Konzern-Vorstand direkt mit ihren Vorwürfen konfrontieren.

Podiumsdiskussion: 25. April; Migrapolis, Bonn, Brüdergasse 18, 19 Uhr

Kundgebung: 26. April; Platz der Vereinten Nationen 2, Bonn, ab 7 Uhr


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2 Antworten

  1. Glyphosat wird nicht unter dem „Label“ Roundup verkauft. Roundup ist ein Mittel, das neben einer ganzen Reihe anderer Mittel auch Glyphosat enthält. Das ist ein sehr großer Unterschied, auch in der Bewertung.

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