Gefährliches Revival der Agrartreibstoffe

Anlässlich der gestern eröffneten Grünen Woche in Berlin ruft für Morgen ein breites Bündnis aus NGOs, Bäuerinnen und Bauern, Naturschützerinnen und Naturschützern, der Linkspartei sowie Aktive aus der Entwicklungszusammenarbeit zur fünften „Wir haben es satt“-Demo um 12 Uhr am Potsdamer Platz in Berlin auf. Das Versprechen der Agrartreibstofflobby war so schön: „Lasst uns unsere Motoren mit Energie aus nachwachsenden Rohstoffen betreiben, und unsere Umwelt- und Klimaprobleme sind gelöst.“ Doch dem Hype folgte bald die Ernüchterung. Die Energiebilanz der Agrartreibstoffe ist schlecht, der damit verbundene Flächenfraß enorm, die sozialen Folgen wie Vertreibung und Hunger katastrophal. Zu Recht haben Agrartreibstoffe in der Öffentlichkeit längst kein gutes Image mehr.

Im Rahmen der Grünen Woche machen sich Landwirtschaftsminister Schmidt und die deutsche Agrarindustrie nun daran, dieses Image wieder aufzupolieren. Denn das Agrobusiness will vom ungebremsten globalen Ressourcen- und Energiehunger profitieren und wirbt daher für die Produktion von Energie und anderen Ressourcen aus nachwachsenden Rohstoffen. Nur spricht man nicht mehr so gerne von Agrartreibstoffen, sondern lieber von „Bioökonomie“. Klingt wohlfeiler, ist aber alter Wein in neuen Schläuchen. Warum der Kampf gegen das politisch forcierte Revival von Agrartreibstoffen wichtig ist und bleibt, zeigt ein Lokalaugenschein aus Sierra Leone.

Sierra Leone: Landgrabbing gefährdet Ernährungssicherheit

Sierra Leone ist neben Guinea und Liberia das von der aktuellen Ebola-Epidemie am stärksten betroffene Land. Mehrere Tausend Menschen sind der Epidemie dort bisher zum Opfer gefallen. Verschärft wird die Situation durch eine drohende Hungerkatastrophe, da Felder nicht bestellt werden können und Transportwege unterbrochen sind. Zu allem Überfluss hat die Regierung von Sierra Leone in den letzten Jahren riesige Ländereien an westliche Investoren verscherbelt. Die pflanzen jedoch keine Nahrungsmittel für die heimische Bevölkerung an, sondern Agrartreibstoffe für Industrieländer. Gleichzeitig verdrängen sie Bäuerinnen und Bauern von ihrem Land und Boden und gefährden somit auf mehrfache Weise die Ernährungssicherheit – im Fall von Addax Bioenergy sogar mit Unterstützung der deutschen Bundesregierung.

Hunger made in Germany

Addax Bioenergy, eine auf den Britischen Jungferninseln registrierte Tochter des Schweizer Konzerns Addax & Oryx, hat in Sierra Leone insgesamt 57.000 Hektar Land gepachtet, um Ethanol (Biodiesel) zu produzieren. Finanziert wird das Unternehmen unter anderem von der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG). Die DEG ist eine zentrale Säule der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, ein Staatssekretär des Entwicklungsministeriums (BMZ) sitzt dem Aufsichtsrat der DEG vor.

Addax Bioenergy präsentiert sich gerne als vorbildlicher Investor: Man arbeite eng mit der lokalen Bevölkerung zusammen und unterstütze diese zum Beispiel mit landwirtschaftlichen Entwicklungsprogrammen. Und das BMZ versichert in einem Antwortschreiben auf eine Kleine Anfrageunserer Fraktion, dass die Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfungen des Addax-Projekts eng mit dem BMZ abgestimmt wurden.

Doch Studien der Schweizer NGO „Brot für alle“ zu Addax belegen: Landverpachtungen haben ohne Einwilligung aller Betroffenen stattgefunden, mindestens 30 Leute sind unter Zwang umgesiedelt worden, die gezahlten Pachtpreise sind viel zu gering, versprochene positive Beschäftigungseffekte bleiben aus, eine nachhaltige Nahrungsmittelproduktion und -versorgung ist durch die Entwicklungsprogramme nicht gesichert. Dennoch verteidigt das BMZ, das sich die Hungerbekämpfung groß auf die Fahnen geschrieben hat, die Finanzierung von Addax Bioenergy.

Wenn aber selbst in dem „Vorzeigeprojekt“ Addax so viel schief läuft, ist klar, was wir der neuen „Bioökoonmieinitiative“ von Minister Schmidt entgegnen müssen: Wir haben es satt! Die Bundesregierung muss lokale Nahrungsmittelproduktion in den Entwicklungsländern fördern, nicht die Ausweitung der Agrartreibstoffproduktion!

Von Niema Movassat, Sprecher für Welternährung der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

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