Die Zukunft ist jetzt – Für einen Bruch mit der Eurozone und der Austerität

Der 3. Juli war der gröβte Moment für den griechischen Ministerpräsidenten Alexi Tsipras. Vor einer groβen Menge auf dem Syntagma-Platz hielt er eine elektrisierende Rede dafür, mit „Nein“ zu stimmen und zitierte dabei die Worte des groβen Dichters Andreas Kalvos: „ die Freiheit verlangt Tapferkeit und Tugend“. Leider bewies er in der langen Nacht der Verhandlungen mit der Europäischen Union weder Tapferkeit noch Tugend.

Der 13. Juli ist das Ende des Weges für beide, Tsipras und Syriza. Trotz der massiven „Nein“-Stimmen der Bevölkerung, obwohl breite Teile der Öffentlichkeit den Bruch mit der Eurozone als mögliche Lösung akzeptieren, obwohl ein breites Spektrum linker politischer und sozialer Kräfte sich auf einen Austritt aus dem eisernen Käfig der Eurozonen Austerität geeinigt hatte, haben Tsipras und die führenden Kräfte von Syriza sich entschieden, schnell und vollständig vor den Bedingungen von Griechenlands Geldgebern zu kapitulieren.

In einem Zustand der Panik betreffs des Gedankens an einen Ausstieg aus der Eurozone, unfähig zu realisieren, dass die griechische Gesellschaft mehr als bereit ist für so eine Entwicklung, völlig unvorbereitet sowohl auf die Erpressungen der EU als auch auf einen Grexit, konnten Tsipras und das Verhandlungsteam den Vorschlägen der Gläubiger Griechenlands keinen Widerstand entgegensetzen.

Sie haben die Lektion aus der zypriotischen Tragödie von 2013 nicht gelernt: wenn du das erste Maβnahmenpakte nicht akzeptierst und nicht bereit bist zum Austritt aus der Eurozone, dann bist du gezwungen, das zweite Maβnahmenpaket zu akzeptieren, das noch schlimmer und härter ist als das erste.

Das Resultat ist ein verheerendes Paket von Verpflichtungen zu einem aggressiven, neoliberalen Programm, das Privatisierungen und den Abverkauf von Staatseigentum, zusätzliche Austerität und Budgetkürzungen, Rentenreformen, weitere Beschneidung des Rechts auf Tarifverhandlungen, das Ausserkraftsetzen von jedweden Gesetzen, die Syriza bereits eingeführt hat, erniedrigende Bedingungen einer begrenzten (wenn nicht nicht-vorhandenen) Souveränität, und zusätzlich eine Supervision durch die EU mit sich bringt.

Anstatt des „ernsthaften Kompromisses“ den Tsipras versprochen hat, haben wir eine erniedrigende Niederlage und ein weiteres „Memorandum“, ebenso autoritär und neoliberal wie die beiden vorherigen, die die gewaltigen Protestbewegungen von 2010-2012 ausgelöst haben. Heute besteht die Gefahr, dass der Begriff „Linke“ mit Betrug und voller Zustimmung zur Austerität assoziiert wird. Und diesen Preis muss die gesamte Linke zahlen.

Dies ist auch das Ende des Weges für die pro-Euro Linke. Es ist mehr als offensichtlich, dass das Beharren auf der Utopie des „guten Euro“ nur zu der Dystopie ( Anm. des Übersetzers: negativen Utopie) eines autoritären Neoliberalismus und begrenzter Souveränität führen kann, zum Tode der Demokratie. Ausstieg aus der Eurozone, Aussetzung der Schuldenzahlungen, Ungehorsam gegenüber den EU-Verträgen sind die notwendigen und unausweichlichen Bedingungen für eine progressiven Ausweg aus der gegewärtigen Krise.

Es ist die moralische Verpflichtung aller Mitglieder von Syriza im Parlament gegen die neuen Maβnahmen zu stimmen, wenn sie irgendwie die Ehre und Würde der Linken retten wollen. Sonst werden sie sich nicht von den Parlamentariern der Systemparteien unterscheiden, die für die Austeritätspakete gestimmt haben, ohne sie auch nur zu lesen. Sie werden gegenüber der Bevölkerung und der Arbeiterschaft ebenso feindselig sein. Es hat keinen Sinn zu zögern um eine linke Regierung aufrecht zu erhalten; es gibt keine linke Regierung mehr. Und Tsipras wird einen Weg finden mit den herrschenden Kräften zu verhandlen und in Kooperation mit ihnen zu regieren.

Darüber hinaus ist es an der Zeit für alle Kräfte in der Linken, innerhalb und auβerhalb von Syriza, die auf dem Weg des Bruches, dem Weg des Ochi (Nein) bestehen, die Initiative zu ergreifen. Mit Mut und Kühnheit brauchen wir eine linke Front über die trennenden Linien des Ochi (Nein) und der Frage eines Bruchs mit der Eurozone. Und wir brauchen sie jetzt, indem wir das Sektierertum und die Mikro-Intrigen der radikalen Linken beiseite lassen.

Wir brauchen das Zusammenspiel der politischen Kräfte und der Dynamik der Bewegungen, die in gewisser Weise dialektisch das Erbe von Syriza einbeziehen und gleichzeitig darüber hinausgehen, als eine breite Front, die Erfahrung von Antarsya als antikapitalistische Einheit, die Erfahrungen aller Arten von Organisationen in der Bewegung. Die griechische Krise öffnete einen historischen Spalt, der die griechische Bevölkerung umspannt und die Bedingungen für einen neuen Block schuf.Syriza ist daran gescheitert, dieses Potenzial in politische Praxis umzusetzen. Wir haben die historische Verantwortung die Umsetzung zu gestalten.

Wir brauchen es, um den Geist des „Ochi“ zu erhalten und den Geist des Widerstandes und der kollektiven Bemühungen, und auch um zu vermeiden, die Bevölkerung in einem Zustand des Schocks, der Erniedrigung und der Desillusionierung zu belassen. Denn wenn wir das zulassen, werden wir nicht nur eine Rückkehr zum individuellen Kampf ums Überleben sehen, sondern auch ein Comeback der Faschisten, die bereits jetzt versuchen, sich als einzige Kraft, die sich zum „Ochi“ bekennt, darzustellen.

Heute ist ein trauriger Tag. Aber wir dürfen das Gefühl der Freude, des Mutes und der Entschlossenheit nicht vergessen, das wir alle nach dem Referendum empfunden haben. Dort ist das wahre Potential. Dort können wir Hoffnung schöpfen!

Der Kampf geht weiter! Die Zukunft liegt noch immer vor uns!

Für eine vereinigte Front der griechischen Linken gegen Austerität und für den Bruch mit der Eurozone ein Appell von Panagiotis Sotiris ( er ist Mitglied von Antarsya und unterrichtet an der Aegischen Universität). Übersetzt aus dem Englischen.

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3 Antworten

  1. Im Artikel habe ich 11 mal die Verwendung des Begriffs “ Linke oder links “ gezählt. Es ist bei aller Achtung vor der gewählten Wortwahl einfach der Beweis dafür, dass auch diejenigen die es gut meinen, einfach nicht verstanden haben.

    Links und Rechts sind Erfindungen der Geldelite, damit die Politik sich unterhalb dieses a priori fehlerhaften Systems nur Gedanken darüber macht, wie man vom Kuchen einen möglichst großen Anteil bekommt ( Veteilungskampf ). Genau dieser Verteilungskampf ist gewollt, weil er davon ablenkt, dass das Geldsystem mit der Art des implementierten Zins-/ Zinses-Zins von vornherein eine Umverteilung beinhaltet, die diese Grabenkämpfe erst erforderlich machen. Wenn immer mehr stehendes, nicht arbeitendes Kapital nach Verzinsung sucht, dann muss der real wirtschaftende Mensch per se immer schneller und rentabler werden, um das wachsende stehende nicht arbeitende Kapital zu befriedigen. Am Ende steht der Kollaps, weil die real agierende Wirtschaft das stehende und zu verzinsende Kapital nicht mehr bedienen kann.

    Wenn die Menschen begreifen, dass es das System ist, dass seit Jahrhtausenden mit diesem Fehler immer wieder nach Kriegen aufersteht, dann endet diese Last und das Paradies kann entstehen. So lange laufen wir weiter Ehrenrunden!

    Statt großkotzige Spieletheorien zum Besten zu geben, hätte die beiden ( Tsipras/Varoufakis ) besser einen Plan B ausgearbeitet, um mit „Freigeld“ nach der Theorie der natürlichen Wirtschaftsordnung einen neuen Anfang zu wagen. Die angeblichen Schulden bei der internationalen Finanzmafia hätte man in einer Nachtaktion für ungültig erklären lassen können. So demontiert Tsipras jetzt auch noch die einäugigen unter den Blinden, die Linke Europas.

  2. Mehr Freiheitsliebe!
    Der Sieg Wolfgang Schäubles und die totale Kapitulation von Alexis Tsipras sind gewiss traurige Geschehnisse für Freundinnen und Freunde der Freiheit. Aber hätte eine linke Front, die „das Erbe von Syriza“ einbeziehen soll „als antikapitalistische Einheit“ irgendeinen Sinn?
    Wozu Antikapitalismus? Die sich links verstehenden Anti-Kapitalisten haben den pro-kapitalistischen Linken und Linksliberalen stets nur die Zeit gestohlen, eine freiheitliche Alternative hatten sie nie zu bieten.
    Auch Yanis Varoufakis – der Denker, der im richtigen Moment ohne Peinlichkeit abzutreten wusste – betont, es gehe heute um die Verteidigung des Kapitalismus.
    Wir kennen keine bessere Wirtschaftsordnung als die marktförmige, wenn wir naive Träume ohne Machtanalyse außer Acht lassen.
    Politiker wie Wolfgang Schäuble sollten als rechte Anti-Kapitalisten erkannt und analysiert werden. Seine Strategie ist klug, an ihr sollten auch seine Gegner lernen. Der US-Geheimdienst Stratfor (http://www.deutsch-tuerkische-nachrichten.de/2015/07/515307/us-geheimdienst-schaeuble-ist-der-gefaehrlichste-mann-der-eu/) sieht in Schäuble den gefährlichsten Mann der EU und hat damit gewiss recht. Er war stets ein unermüdlicher Kämpfer gegen soziale Chancengleichheit. Das hatte er auch mit dem Einigungsvertrag bewiesen, der im vereinten Deutschland zwei Gebiete unterschiedlichen Rechtes schuf. Bis heute ist die Angleichung nicht gelungen. Die Wirkung von organisierter Ungleichheit der Lebensverhältnisse in Europa durch die Euro-Politik ist natürlich weit schlimmer.
    Heute geht es um die Bewahrung des Kapitalismus und um die keynesianische Gestaltung der Wirtschaftspolitik zu Freiheit in Wohlstand oder um neoklassische Austeritäts-Politik im Dienste des rechten Anti-Kapitalismus in Richtung Re-Feudalisierung der Gesellschaft. Wohlstand für viele oder für ganz wenige Menschen, dies ist der Konflikt der Gegenwart. Erhalt des Kapitalismus oder Rückfall hinter diese menschheitliche Errungenschaft?

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