Drohnenkrieg – Tod aus heiterem Himmel

Bereits das Vorwort des amerikanischen Originals von Barbara Ehrenreich macht bewusst, dass Drohnen nicht einfach unbemannte Flugmaschinen sind, die an weit entfernten Kriegsschauplätzen eingesetzt werden, sondern dass Drohnen in die Hände von terroristischen Gruppen fallen können, dass sie aber auch zur minutiösen Überwachung z.B. von Demonstrationen im Inland eingesetzt werden können.

Die Autorin, Medea Benjamin, arbeitete für die Weltgesundheitsorganisation und die UN in Lateinamerika und lebte einige Jahre auf Kuba. Sie ist Mitbegründerin der Friedensorganisation CODEPINK und eine der Initiatorinnen der Gaza-Solidaritätsflotte.
Sie beginnt ihren Bericht mit der sehr persönlichen Geschichte eines 13jährigen Mädchens in Peschawar. Ihre Familie gehört zu den vielen, die im militärischen Sprachgebrauch als „Kollateralschaden“ bezeichnet werden. Es ist nur wenigen bewusst, dass in der Folge der Anschläge vom 11. September 2001, in den letzten Monaten diesen Jahres mehr als 1000 afghanische Zivilisten direkt durch amerikanische Bombenangriffe getötet wurden. Sie vertritt die Ansicht, dass die mehr als 800 amerikanischen Militärstützpunkte im Ausland antiamerkanische Gefühle schüren und, dass man besser daran täte das dafür verwendete Geld anderweitig zu verwenden. Da sich die Regierung Bush durch die Friedensaktivisten nicht umstimmen lieβ, unterstützten viele den Wahlkampf von Barack Obama. Sie mussten jedoch erleben, dass der „Friedenskandidat zum Kriegspräsidenten“ mutierte. Um den Krieg aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit zu verdränden setzte er auf unbemannte Luftfahrzeuge, mit denen per Fernsteuerung getötet werden kann. Der Bevölkerung wird vermittelt, dass sich damit präzise Angriffe mit einem Minimum an getöteten Zivilisten durchführen lassen. Nach Umfragen ist die Mehrheit der Amerikaner für einen Einsatz von bewaffneten Drohnen im Ausland. Umfragen in 20 weiteren Ländern zeigen jedoch, dass die Bevölkerung mehrheitlich dagegen ist.
Die Entwicklung von unbemannten Flugkörpern begann schon wärend des ersten Weltkriegs. Im zweiten Weltkrieg wurden sie von verschiedenen Armeen als Trainingsgeräte für die Luftabwehr eingesetzt. Die USA benutzten sie im zweiten Weltkrieg und im Koreakrieg als Lenkwaffen. Der Prototyp der Predator-Drohne wurde von einem israelischen Flugzeugingenieur entwickelt. Unterstützt von der Defense Advanced Research Projects Agency, die für das Militär und die Geheimdienste militärisch nutzbare Entwicklungen fördert, entwickelte dieser in einem Kleinbetrieb in Südkalifornien ein Flugzeug, dass 56 Stunden in der Luft bleiben konnte. Um Umwege bei der Datenübermittlung zu vermeiden, wurde sie mit einem eigenen Kommunikationssystem ausgestattet. In den Balkankriegen wurde sie zum Sammeln von Informationen eingesetzt, während des Kosovo-Einsatzes 1999 entstand die Idee, sie mit Raketen auszurüsten. Eine Killer-Drohne war entstanden.
In der israelischen Armee werden Drohnen seit langem zu Spionagezwecken, aber auch für gezielte Tötungen eingesetzt hat. Dies veranlasste die amerikanische Marine, Drohnen zu erwerben, die bei der Operation Wüstensturm zum Einsatz kamen.
Drohnen sind weltweit ein Wachstumsmarkt. Einer der gröβten Hersteller ist General Atomics mit Sitz in San Diego, er produziert u.a. den Reaper, einen der wichtigsten unbemannten Flugkörper der US Luftwaffe. Ein weiterer Produzent ist AeroVironment, Hersteller des „Switchblad“. Für die nötige Software zeichnet z.B. Raytheon verantwortlich. Im weiteren geht die Autorin auf die diversen Hersteller und Typen von Drohnen ein, schildert deren Entwicklung, die Kosten und Einsatzmöglichkeiten. Doch nicht nur US Unternehmen stellen Drohnen her, auch in Israel werden diese produziert und mit dem „Prädikat“ „kampferprobt“ beworben. Israel liefert Drohnen an u.a. Russland und die Türkei. Groβbritannien arbeitet mit israelischer Unterstützung an der Herstellung eigener Drohnen. Auch der Iran hat bereits Erkundungsdrohnen eingesetzt.
Ein weiteres Kapitel widmet die Autorin den Orten, an denen amerikanische Drohnen stationiert sind oder von denen sie starten. Diese befinden sich etwa in Somalia, im Jemen, in Kuwait und Oman. Von dort aus werden Kommandos zur gezielten Tötung geflogen. Welche Folgen die ständige Überwachung mit Drohnen auf die Zivilbevölkerung hat, zeigt etwa eine Aussage aus Gaza: „Man kann nicht schlafen. Man kann nicht fernsehen. Es erschreckt die Kinder. Wenn sie es hören, sagen sie, ‚es wird uns erwischen‘.“ Wie menschenverachtend wirkt dagegen die Aussage eines amerikanischen Robotikexperten, der für die Marines arbeitet: „Wir haben die Kontrollstatinonen nach dem Vorbild der Playstation gestaltet, denn mit so etwas haben diese achtzehnjährigen-neunzehnjährigen Marines ihr Leben lang gespielt“. Die Soldaten erleben eine völlige Distanzierung von den Konsequenzen ihrer Taten. Aber es sind nicht nur Soldaten, die die unbemannten Flugkörper bedienen. Aufgrund von Personalmangel wird auch eine groβe Zahl von Zivilpersonen eingestellt. Dennoch sei das scheinbar unpersönliche Töten per Fernbedienung auch sehr persönlich. Da die Drohnenpiloten die zu beobachtenden Personen und ihre Familien oft wochenlang überwachen, entsteht das Gefühl sie zu kennen.
In weiteren Kapiteln berichtet die Autorin über die Opfen von Drohnen und stellt die Frage, ob Mord mittels Drohnen legal sei. Eine Frage, die sie klar verneint. Auch fragt sie, wie es wäre, wenn ein anderes Land als die USA solchen Methoden anwenden würde. Am Beispiel des als Terrorist bekannten Exilkubaners Luis Posada Carrilles, der öffentlich zugegeben hat, Terrorakte mit dem Ziel die kubanische Regierung zu stürzen, durchgeführt zu haben, hinterfragt sie, ob dies Kuba das Recht gäbe, in Miami Hellfire Raketen abzuschieβen, um ihn seiner Strafe zuzuführen.
Den folgenden Abschnitt widmet Benajmin der Frage nach der Moral. So stellt etwa das Verteidigungsministerium Videoclips auf YouTube, um für den Einsatz von Drohnen zu werben. Sie werden von den Soldaten als „Kriegspornos“ bezeichnet und Millionen Mal angeklickt. Sie stellt fest, dass das Schonen von feindlichen Zivilisten weder bei der amerikanischen Regierung noch bei vielen Amerikanern keine hohe Priorität hat. Deutlich stellt sie heraus, welche Konsequenzen zu befürchten sind.
In den letzten Kapiteln beschäftigt sich die Autorin mit den Aktionen der Anti-Drohnen-Bewegung in den USA, aber auch in Europa. Sie führt aus, dass etwa die Verbindung Israels mit der Drohnenindustie in Europa einen wesentlich höheren Stellenwert hat, als in den USA. So fordern etwa britische Drohnengegner, den Einsatz von Drohnen, die von der israelischen Firma Elbit hergestellt werden, einzustellen. An der Universität Dortmund wurde das erste Treffen einer aus Physikern, Philosophen, Politologen und Menschenrechtsaktivisten bestehenden Gruppe namens „International Commitee for Robot Arms Control“ abgehalten, die sich gegen Waffenhandel wenden. Sie untersuchen die Bedrohung für Frieden und internationale Sicherheit, die von Roboterwaffen ausgeht. Sie setzten sich Ziele, die das Verbot der Entwicklung und des Einsatzes von bewaffneten autonomen unbemannten Systemen und weitere Forderungen einschlieβen. Dabei orientieren sich u.a. an dem Landminenverbotsvertrag, der auch nur auf den Druck und durch Initiativen von Nicht-Regierungsorganisationen zustande kam.
Die Ausführungen von Medea Benjamin machen in erschreckendem Maβe deutlich, welche Bedrohung Drohnen, nicht nur bewaffnete, für die Menschheit darstellen. Die Vorstellung das etwa bei Demonstrationen oder anderen Aktionen die Aktivisten von mit Gesichtserkennung ausgestatteten Drohnen überwacht werden können, das jeder Moment unseres Lebens, selbst in unseren Wohnungen, beobachtet und aufgezeichnet werden kann, läβt Orwells „1984“ wie ein harmloses Kinderbuch erscheinen. Welche Gefahren von bewaffneten Drohnen ausgehen kann, wenn sie in die Hände von kriminellen Gruppen oder Diktatoren fallen, mag man sich nicht ausmalen.
Insgesamt eine sehr lesenswerte, sachlich geschriebene Ausführung, die man nur ans Herz legen kann.


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