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Menschenrechte – eine lokale Verantwortung

Menschenrechte sind universell, unteilbar und unveräußerlich. In Deutschland ist es für Städte und Gemeinden grundrechtsverpflichtend, die Menschenrechte zu achten und in ihrem Kompetenzbereich menschenrechtliche Verpflichtungen umzusetzen. International steigt das Bewusstsein für die besondere Rolle von lokaler, an den Menschenrechten orientierter Politik. Um diesen Weg zielgerichtet mit Blick auf lokale Bedingungen und Begebenheiten einzuschlagen, erklären sich immer mehr Städte weltweit zur „Menschenrechtsstadt“.

Seit etwa 20 Jahren gibt es auf dem ganzen Globus Bewegungen von Städten, sich als Menschenrechtsstadt zu deklarieren. Egal ob in Nord- und Südamerika, Asien, Afrika oder Europa – überall geben sich immer mehr Städte den Titel „Menschenrechtsstadt“. Eine einheitliche Definition oder verbindliche Standards gibt es für die Bezeichnung nicht. Ebenso wenig gibt es eine übergeordnete Instanz, die das Label „Menschenrechtsstadt“ prüft und vergibt. Dementsprechend bunt und vielfältig sind die Auffassungen darüber, ab wann sich eine Stadt dieses Label anheften kann. International wird nun vermehrt darüber diskutiert, welche Kriterien und Standards erfüllt sein müssen, um Menschenrechtsstadt werden zu können.

Durch eine stärkere Vernetzung von Menschenrechtsstädten und der sich anhäufenden Erfahrung mit der konkreten Ausgestaltung der menschenrechtlichen Arbeit auf lokaler Ebene lassen sich zunehmend gemeinsame Grundzüge und Eckpfeiler erkennen. So ist ihnen ein besonderer Fokus auf menschenrechtliche Prinzipien wie etwa Inklusion, Partizipation und Diskriminierungsfreiheit gemein. Der Schlüsselaspekt ist jedoch die Lokalisierung: Der Rahmen „Menschenrechtsstadt“ wirkt identitätsstiftend und begünstigt eine Auseinandersetzung darüber, wie sich globale Menschenrechtsstandards mit den lokalen und historischen Begebenheiten vor Ort verbinden lassen. Hierbei spielt die konkrete Auswirkung auf das Alltagsleben der Menschen eine entscheidende Rolle.

Der Weg zur Menschenrechtsstadt

Wichtige Bezugspunkte für werdende Menschenrechtsstädte können globale und regionale Menschenrechtsinstrumente wie etwa die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte oder die EU-Grundrechtscharta sein. Die Initiative kann dabei von vielen verschiedenen Akteur:innen ausgehen. Der Impuls erfolgte bisher oftmals aus einem breiten Zusammenschluss von Menschen aus sozialen und kulturellen Einrichtungen, zivilgesellschaftlich engagierten Personen, Lokalpolitiker:innen und Verwaltungsangestellten. Schritt für Schritt wächst in dieser Zusammenarbeit eine Vorstellung darüber, wie eine an den Menschenrechten orientierte lokale Politik gestaltet und gelebt werden kann.

Der Wille, Menschenrechtsstadt zu werden, muss in der Bevölkerung publik und „erlebbar“ gemacht werden. In diesem Prozess gilt es, möglichst viele Menschen an der lokalen Problemdiagnose, der Entwicklung und Umsetzung von Lösungen zu beteiligen. Die Menschen sollen im gemeinschaftlichen Engagement die lokale Bedeutung der Menschenrechte bei kulturellen, sozialen und vielen anderen städtischen Themen erkennen. Das schafft Bewusstsein für den direkten menschenrechtlichen Einfluss auf ihr eigenes Leben und erhöht die Akzeptanz einer gelebten Menschenrechtskultur.

Am Ende dieses Prozesses erklären bestenfalls kommunale Entscheidungsträger:innen explizit ihre Stadt als Menschenrechtsstadt. Formal betrachtet entsteht eine Menschenrechtsstadt aber schon in dem Moment, in dem die Stadt ihren Willen zum Ausdruck bringt, Menschenrechtsstadt zu werden.

Menschenrechte als Kernkompetenz lokaler Politik

Der Einfluss der Lokalpolitik auf die örtlichen Lebensverhältnisse ist enorm. Sie bestimmt in ihrem Zuständigkeitsbereich, in welchem Maß die Anwohner:innen ihre Rechte wahrnehmen können und wie diskriminierungsfrei Menschen vor Ort leben. Die Stadt trägt unter anderem Verantwortung in den Bereichen der Kinderbetreuung, öffentlicher Sicherheit, Bildung, Wohnungspolitik, Gesundheit, Kultur, Klima- und Umweltschutz und auch der Aufnahme, Verteilung und Integration von geflüchteten Menschen. Dies alles sind Bereiche, in denen Menschenrechte eine wichtige Rolle spielen. Eine Stadt ist Arbeitgeberin und kann für ein diverses, der Stadtgesellschaft entsprechendes Personal sorgen. Eine Stadt vergibt öffentliche Aufträge und kann in diesem Punkt menschenrechtlich verantwortungsvoll handeln. Die Stadt ist Ort demokratischer Beteiligung: Auf lokaler Ebene kann das Menschenrecht auf Mitwirkung an den öffentlichen Angelegenheiten am unmittelbarsten ausgeübt werden. Diese menschenrechtliche Verantwortung auf kommunaler Ebene muss in den örtlichen politischen Entscheidungen und auch in der konkreten Umsetzung beachtet werden.

Zudem ist eine Stadt eine internationale Akteurin. So gibt es weltweit viele Partnerstädte, auf die man menschenrechtlich einwirken kann, etwa durch die Thematisierung von Zuständen, die den menschenrechtlichen Standards zuwiderlaufen.

Konkrete Mittel einer Ausgestaltung

Um dem Label „Menschenrechtsstadt“ einen nachhaltigen Inhalt zu geben und eine gelebte menschenrechtliche Verantwortung in der Stadt zu verankern, gibt es einige konkrete Maßnahmen. So sollten öffentliche Einrichtungen und Stellen geschaffen oder benannt werden, die sich explizit an den international anerkannten Menschenrechten orientieren und leiten lassen. Um betroffene Bereiche sinnvoll zu evaluieren, müssen diese anhand einer Erhebung ermittelt werden. Begrüßenswert ist eine institutionelle Verankerung der Menschenrechte in allen Bereichen des öffentlichen Lebens.

Die Beschlüsse der Stadt sind an den Menschenrechten auszurichten und bei allen Entscheidungen zu berücksichtigen. Möglichst viele Bürger:innen und Verantwortungsträger:innen sollten als Multiplikatoren für Menschenrechte ausgebildet werden. Die Vernetzung und die Zusammenarbeit mit anderen Menschenrechtsstädten sollte für gegenseitiges Lernen und Unterstützen vorangetrieben werden. Ziel hierbei ist, dass die Menschenrechte in der Stadtgesellschaft als Teil des natürlichen Lebens wahrgenommen und von den Bewohner:innen als positive Auswirkung auf ihr Leben empfunden werden.

Zu guter Letzt

Menschenrechte dürfen nicht als gegeben angesehen werden – sie sind weltweit unter Druck. Es ist wichtig, dass Menschenrechte und ihre Bedeutung in einem ständigen Dialog ausgehandelt und den Menschen nähergebracht werden. Während immer mehr autoritäre Staaten, rechtspopulistische und rechtsradikale Parteien und Menschen das System der Menschenrechte gezielt angreifen, kann dem auf lokaler Ebene entgegengesteuert werden. In der Kommune wird der Wert der Menschenrechte im direkten Zusammenleben greifbar und kann in dieser Sphäre einen Mehrwert und eine Verankerung der Menschenrechte bewirken.

Thomas Dirmeier, 39, ist Menschenrechtsaktivist aus Köln.

Dieser Text orientiert sich an der Broschüre „Köln auf dem Weg zur Menschenrechtsstadt?“. Diese entstand im Dezember 2019 in einem zweitägigen Praxisworkshop, der in Zusammenarbeit mit Amnesty International Köln, dem Büro für Europäische und Internationale Angelegenheiten und dem Amt für Weiterbildung/Volkshochschule der Stadt Köln, veranstaltet wurde. Weitere Quellen: Initiative Menschenrechtsstadt Köln (hier ist der Download von benannter Broschüre möglich) und People‘s Movement for Human Rights Learning (PDHRE).

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