Islam als Feindbild und das Schweigen der Linken

Mölln, Bielefeld, Oldenburg, Berlin, die Orte werden in dieser Verbindung wohl den Wenigsten etwas sagen, dabei haben sie alle etwas gemein: die Moscheen dieser Orte wurden innerhalb der letzten Monate von antimuslimischen Rassisten angegriffen. In den Medien war das kein Thema, ebenso wenig wie die Aufmärsche von fast 6000 Islamfeinden in Dresden. Auch in der Linken, wie auch in antifaschistischen Strukturen, wurde durch die Angriffe keine neue Debatte über den Umgang mit antimuslimischen Rassismus ausgelöst. Dabei sprechen die Zahlen der Anschläge eine deutliche Sprache.

Eine Anfrage der Linksfraktion, die noch vor den Anschlägen der vergangenen Wochen gestellt wurde, zeigt deutlich das Ausmaß des antimuslimischen Rassismus. Laut dieser ist die Zahl der Übergriffe auf Moscheen deutlich gestiegen, von im Schnitt 22 jährlich zwischen 2001 und 2011 auf 35, mit der Debatte über den Terror des IS ist die Zahl in den vergangenen Wochen noch einmal gestiegen. Die Anschläge stammen dabei nicht aus dem luftleeren Raum, so hat eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung gezeigt, das fast die Hälfte der deutschen Bevölkerung negative Vorurteile über Muslime haben. Wohin diese Vorurteile führen können hat die Demonstration der „Hooligans gegen Salafisten“ in Köln gezeigt. Unter dem Deckmantel der Kritik an der Terrororganisation „Islamischer Staat“ demonstrierten fast 5.000 rechte Hooligans und Neonazis gegen Muslime und Migranten. Ihre Parolen reichten dabei von „Stoppt den Islam“ über „Ausländer raus“ zu „Deutschland den Deutschen“ und zeigten deutlich, dass die Stimmungsmache gegen den in Deutschland kaum vorhandenen Salafismus schnell zu offenem Rassismus wird. Am deutlichsten zeigt sich diese Entwicklung in Dresden, wo die sogenannten „Patriotische Europäer Gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) 5000 Menschen mobilisieren konnten um vor der angeblichen Gefahr der Islamisierung zu warnen. Die Demonstrationen zeigten eine Mischung aus klassisch rechten Neonazis, Rechtspopulisten aus dem Umfeld von PI-News und bürgerlich-konservativen Kräften, die so ihre harte Hand in der Sicherheitspolitik legitimieren wollen.

Rassismus der Mitte

Die Basis auf der rechte Hooligans und Neonazis ihre Hetze gegen den Islam verbreiten, ist die Hetze der bürgerlichen Mitte gegen angeblich integrationsunwillige Muslime, gegen kriminelle Jugendliche (Muslime) und der Aufbau des Salafismus als neues Feindbild. Die Folge dieser Hetze sind Moscheeschändungen, tägliche Drohmails an islamische Verbände und tätliche Übergriffe, auf diejenigen, die in das Bild der deutschen Mehrheitsgesellschaft über Muslime passen.
Sie sind die direkte Folge eines antimuslimischen Rassismus, der seit mehr als 10 Jahren aufgebaut wird, mal eher direkt, wie in Sarrazins Buch, mal eher verdeckt wie in der aktuellen Debatte um den Salafismus. Verstärkt wurden all diese Debatten durch die Mainstreammedien, vor allem der Spiegel, aber auch Focus und Cicero setzen durch Bilder und reißerische Titel Islam und Terror gleich. Verknüpft immer mit der Frage, ob der Islam unsere modernen westlichen Werte gefährdet oder der Koran das gefährlichste Buch der Welt sei. Die Stimmungsmache, die mit solchen Artikeln einherging, wurde billigend in Kauf genommen.
Dabei spielten sich Medien, konservative Politiker wie Wolfgang Bosbach und ausgewiesene Islamfeinde wie Pro NRW gegenseitig in die Hände, wenn sie die Debatte über den Schutz „unserer Kultur“ befeuern und Hetze als legitime Meinung des „einfachen Bürgers“ darstellen. Die Folge dieser Stimmungsmache ist ein lautes Schweigen gegenüber der Gewalt an Muslimen und Menschen aus islamischen Länder. Teilweise wird die Gewalt sogar als nachvollziehbar dargestellt, da die „Muslime“ durch ihr Auftreten oder die Ausübung der Religion, die Mehrheitsbevölkerung provozieren. Gleichzeitig haben muslimische Verbände die Verpflichtung sich vom islamischen Terrorismus, wo auch immer dieser geschieht, zu distanzieren, obwohl es zwischen den Terroristen der IS und den muslimischen Verbänden keine Zusammenhänge gibt. Eine Ausnahme der Ausgrenzung, wenn auch eine kurze, stellte Aufdeckung der NSU dar. In dieser Zeit distanzierten sich Medien und Politiker, die vorher noch fleißig das Feindbild geprägt hatten, von den Taten der NSU und solidarisierten sich zumindest öffentlich mit den Muslimen. Eine Solidarisierung, die allerdings nur kurz anhielt und auch wegen der danach fortgeführten Stimmungsmache gegen Muslime, auf Basis einer angeblichen Diskussion über islamischen Terror und kriminelle Jugendliche, schnell wieder vergessen wurde.

Linkes Schweigen

Die Aufklärung der NSU führte auch in der Linken zu einer Auseinandersetzung mit dem neonazistischen Terror und der Frage, wie dieser in Zukunft bekämpft werden kann. Auch über die Abschaffung des Verfassungsschutzes und das Verbot der NPD wurde wieder diskutiert. Die eigentliche Frage aber, warum die Opfer so lange als Täter galten und was das mit ihrer Religion und Herkunft zu tun hatte, wurde auch in linken Kreisen kaum thematisiert. Das ein Großteil der Opfer türkischer Herkunft war und ihre Ermordungen im Einklang mit den gängigen Vorurteilen als Döner- und Ehrenmorde dargestellt wurden, hätte zum nachdenken anregen müssen, wie mit dem Feindbild Islam umgegangen wird, die Chance wurde allerdings versäumt.
Während über die Morde der NSU diskutiert wurde und zumindest teilweise Strategien gegen Rechts beschlossen wurden, gibt es bis heute keine wirkliche Diskussion über den Kampf gegen antimuslimischen Rassimus.

Eine Antwort auf diese Frage hätte es grade in der aktuellen Debatte um islamistischen Terror bedurft, da dieser zum Aufbau von neuen Restriktionen und zur Verschärfung geführt hat. Das es darauf keine Antwort gibt und die Zusammenhänge zwischen der Diskussion um den Salafismus und dem antimuslimischen Rassismus nicht gesehen oder bewusst ignoriert wird, liegt daran, dass auch in Teilen der Linken das Feindbild Religion am Leben gehalten wird. Dabei zeigt schon die Geschichte der Linken, wie mit staatlich geschürter Stimmungsmache umgegangen werden kann. Die Ablehnung des Verbots der Jesuitenordens durch August Bebel und Liebknecht im Jahr 1872 sollte auch noch der Maßstab sein. Bebel warf Bismarck vor, er wolle mit dem „Wauwau“ des Jesuitenordens das Volk ablenken, damit es nicht gegen seine eigene Entrechtung durch Bismarck protestiere, ähnlich sieht es bei der heutigen Stimmungsmache aus.

Das Problem der Religion

Die Verteidigung der Religionsfreiheit im Allgemeinen und mit ihr auch die Freiheit von Muslimen ihre Religion auszuüben, ist ein in der Linken anerkannter Grundsatz, schwierig wird es wenn diese Frage konkret wird. Deutlich wurde das als sogenannte Scharia-Polizisten an einem durch Wuppertal zogen und die bundesdeutsche Presse sich auf sie stürzte. Statt die Warnungen vor einer angeblichen Islamisierung und den vermeintlichen Weltherrschaftsanspruch des Islams als Lüge zu entlarven, der die Menschen anhand ihrer Religionszugehörigkeit spalten soll, wurde geschwiegen. Dabei sind es nicht die elf jungen Muslime, die sich selbst den Namen „Scharia-Polizei“ gaben um zu provozieren, die die Gesellschaft gefährden, sondern diejenigen, die Rassismus und Hass schüren. Die Linke hätte deutlich machen müssen, dass es ein moralisierendes und reaktionäres Weltbild ist, was sie vertreten, allerdings keine gesellschaftliche Gefahr, wenn sie Jugendliche bitten in die Moschee zu kommen, statt in die Disko oder in die Spielothek zu gehen. Gleichzeitig hätte sie deutlich machen müssen, dass die bürgerliche Aufregung um die Aktion, einer Ablenkung von den sozialen Problem ist, die junge Menschen in die Arme von erzkonservativen Predigern führt.

Aufbau von konkreter Solidarität

Ob es dabei um die angebliche Integrationsunwilligkeit, Salafismus oder um die die Gefahr für „unser Land“ und unsere Werte ist dabei relativ irrelevant, ein Großteil derjenigen, die jetzt gegen die „salafistische Gefahr“ in Deutschland schießen, meinen alle Muslime. Je stärker diese Stimmungsmache wird umso mehr Menschen in Deutschland sehnen sich nach einer radikalen Möglichkeit ihren Hass gegen Muslime kund zu tun, sei es bei Hooligan-Demonstrationen oder direkten Angriffen auf Muslime oder ihre Moscheen. Die Linke hat die konkrete Aufgabe deutlich zu machen, dass unsere Feinde nicht die Muslime sind und das sich hinter der Kampagne gegen Salafismus, vor allem antimuslimischer Rassismus verbirgt. Diesen und die alltägliche Diskriminierung von migrantischen Jugendlichen gilt es zu bekämpfen, wenn wir dem Salafismus seinen Nährboden entziehen wollen. Dafür ist die Bekämpfung der Gleichsetzung des Rassismus und der neonazistischen Gefahr mit dem Salafismus ein entscheidender Schritt.

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3 Antworten

  1. „Dabei sind es nicht die elf jungen Muslime, die sich selbst den Namen „Scharia-Polizei“ gaben um zu provozieren, die die Gesellschaft gefährden, sondern diejenigen, die Rassismus und Hass schüren.“

    Initiator besagter Aktion war der Salafist Sven Lau. Dieser vertritt in seinen Predigten Positionen wie, alle Frauen, die kein Kopftuch tragen, seien nur Schmutz oder, dass jeder Muslim besser sei als der beste Kafir (Nichtmuslim).
    Wenn das mal keinen Rassismus und Hass schürt.

    Der Autor vertritt hingegen die Meinung, ein derartig geäußerter Rassismus sei nicht mit anti-muslimischem Rassismus gleichzusetzen, die Gleichsetzung müsse sogar bekämpft werden (siehe letzter Satz des Artikels). Das macht ihn unglaubwürdig.
    Denn es ist gleich zu bewerten, wenn jemand eine Frau verachtet, weil sie Kopftuch trägt wie wenn jemand eine Frau hasst, weil sie kein Kopftuch trägt.

    Da find ich es sogar besser, wenn die Linke schweigt, als dass sie sich wie der Autor in leidiger Viktimisierung von Muslime und Verharmlosung von Islamisten verliert.

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