Dresden Nazifrei

Wir brauchen eine Willkommenskultur und Kampf gegen Rassismus – Im Gespräch mit Silvio Lang (Dresden Nazifrei)

Vergangenen Freitag demonstrierte die NPD in Dresden vor einem Zeltlager für Flüchtlinge, dabei kam es zu Angriffen mit Steinen und Glasflaschen. Am Montag gab es daraufhin eine linke Demonstration für das Recht auf Asyl und gegen Rassismus. Wir haben mit Silvio Lang, dem Sprecher von Dresden Nazifrei, über die Eskalation der Gewalt und die Zustände in Dresden, sowie die Folgen von Pegida gesprochen. Das ist unser zweites Interview mit ihm.

Die Freiheitsliebe: Am vergangenen Freitag kam es zu einer rechten Demonstration vor der Zelstadt in Dresden, wer hatte diese angemeldet, wie ist die Demo und die Gegenkundgebung verlaufen?

Silvio Lang, Sprecher des Bündnisses „Dresden Nazifrei“: Die Demo am 24.07. war angemeldet durch die NPD. Nachdem am späten Donnerstag Abend bzw. Freitag morgen bekannt wurde, dass in Dresden ein Zeltlager als Erstaufnahmeeinrichtung für über 1000 Menschen eingerichtet wird, in dem schon am Freitag Abend die ersten Refugees untergebracht werden sollten, hatte die NPD für eben jenen Abend ab 18:30 Uhr zu einer Kundgebung vor der Zufahrt zum Lager aufgerufen. Dieser folgten ca. 100-150 Nazis, ihnen gegenüber standen ca. 250-300 Antifaschist_innen, die sich schützend vor das Lager gestellt hatten. Bereits im Verlauf der Kundgebung waren die Nazis äußerst aggressiv, nach dem offiziellen Ende eskalierte dann die Situation. Nazis warfen mit Glasflaschen, Steinen und einer Warnbarke – die Polizei war in dieser Situation hilflos, unterbesetzt und überfordert. Es gab mindestens eine verletzte Person, die von einem Gegenstand am Kopf getroffen wurde und mit dem Rettungswagen zur Behandlung ins Krankenhaus gebracht werden musste.
Trotz der absehbaren Gewalteskalation war die Polizei mit nur 50 Beamt_innen vor Ort, die ohne jegliche Ausrüstung im Einsatz waren. Für eine solche Demosituation höchst untypisch und in der Folge auch ein Fehler der Polizeiführung in der Lageeinschätzung, der dadurch zu Gefahr für Leib und Leben von Refugees und Antifaschist_innen wurde.
Auch im weiteren Verlauf der Nacht und den Folgenächten gab es immer wieder Angriffe auf das Zeltlager, die sämtlich nur durch den Einsatz engagierter Aktivist_innen verhindert werden konnten. Die Polizei war jeweils nur in geringer Stärke, zu spät oder gar nicht anwesend.

Die Freiheitsliebe: War dies die erste rechte Demo gegen Flüchtlinge?

Silvio Lang, Sprecher des Bündnisses „Dresden Nazifrei“: Wer sich ein bisschen mit den Nachrichten der letzten Monate beschäftigt hat, kann sich diese Frage leicht beantworten: in Dresden marschiert Pegida seit Oktober und hat den geistigen Boden und die geglaubte Legitimation für solche direkten Attacken geschaffen. Zuletzt gab es im Umland von Dresden in Meißen und Freital bereits ähnliche Situationen.

Die Freiheitsliebe: Wie kommt es, dass die Rechten sich grade dieses Thema ausgewählt haben?

Silvio Lang, Sprecher des Bündnisses „Dresden Nazifrei“: Es passt in ihr absurdes, faschistisches und vor allem xenophobes Weltbild. Es ist eben einfach, die eigenen Ängste auf das schwächste Glied in der Gesellschaft zu projizieren – diejenigen, die sich mangels Sprache und Rechtsstatus nicht wehren können: Flüchtlinge, Migrant_innen, Asylsuchende. Hinzu kommt, dass der Rassismus in weiten Teilen der Gesellschaft anschlussfähig ist. Frei nach dem Motto: Ich bin ja kein Rassist, aber …

Die Freiheitsliebe: Spielt es den Rechtsradikalen in die Karten, das auch bürgerliche Kräfte Ängste vor Flüchtlingen schüren?

Silvio Lang, Sprecher des Bündnisses „Dresden Nazifrei“: Selbstredend. Viel schlimmer ist: es legitimiert sie scheinbar. Wenn Seehofer von Asylmissbrauch schwadroniert und der GroKo nichts besseres einfällt, als auf Terror von Rechts mit Asylrechtsverschärfungen und weiteren angeblich sicheren Herkunftsländern zu reagieren, dann führt das letztlich dazu, dass Nazis und Rassist_innen sich in der Wahl ihrer Mittel nur bestätigt sehen. Wer Asylsuchendeneinrichtungen anzündet oder – wie in Freital letzten Sonntag – das Auto eines engagierten Antifaschisten und Lokalpolitikers in die Luft sprengt, findet bei der Bundesregierung offenbar Gehör. Wer sich dagegen für Menschlichkeit und Weltoffenheit, Toleranz und Demokratie engagiert, bekommt neben warmen Worten in Sachsen womöglich noch Repressionen zu spüren.

Die Freiheitsliebe: Ist das Klima in Dresden anders als in anderen Städten, inwiefern hat Pegida dazu beigetragen?

Silvio Lang, Sprecher des Bündnisses „Dresden Nazifrei“: Das Klima in Dresden war auch vor Pegida schon „anders“, im Vergleich zu anderen Regionen. Die „sächsischen Verhältnisse“ sind nicht umsonst sprichwörtlich geworden. Sachsen profiliert sich als Hochburg nazistischer, rassistischer und nationalistischer Bewegungen. Die Ursachen dafür sind vielfältig und sicher ein eigenes, langes Interview wert. Daher hier nur einige Stichworte: 25 Jahre CDU-Regierung, die im Zweifel Probleme eher links als rechts verordnet, Rückzug staatlicher Institutionen im ländlichen Raum, besonders in der Jugendarbeit und -hilfe, tradierter Rassismus aus der DDR-Gesellschaft, geringe Ausländer_innenquote, daher mangelnder Kontakt zu Menschen anderer Herkunft. Die Liste ließe sich noch eine Weile fortsetzen.
Pegidas „Beitrag“, wenn man so sagen will, ist das Brechen eines lange vorher gehaltenen Tabus. Der Rassismus der sogenannten bürgerlichen Mitte ist nicht neu, aber vor Pegida war es für diese Menschen immer Tabu, neben „echten Nazis“ auf einer Demo zu stehen. Das hat sich durch Pegida geändert! Jegliche Hemmungen, den eigenen Rassismus nicht nur virtuell und anonym, sondern auch real auf der Straße auszuleben, bis hin zu gewalttätigen Angriffen, sind gefallen. Es ist wieder wie in Rostock-Lichtenhagen 1992: Die Heime brennen und der Mob der „besorgten Bürger“ steht davor, klatscht Beifall und beschwert sich, dass das Feuer noch nicht hoch genug ist.

Die Freiheitsliebe: Wie reagiert Dresden Nazifrei auf diese Entwicklung?

Silvio Lang, Sprecher des Bündnisses „Dresden Nazifrei“: Wir geben, was wir können und gehen an unsere Belastungsgrenzen und darüber hinaus. Aktuell sind wir quasi mit Löschen der Brandherde beschäftigt: wir standen in Freital vor der Asylsuchendenunterkunft, wir haben nach Meißen mobilsiert und sitzen nun seit Nächten in Dresden vor dem Zeltlager. Dabei muss man betonen: all unsere Aktivist_innen sind ehrenamtlich unterwegs, sie machen das in der Zeit, in der sie nicht studieren oder arbeiten müssen. Nebenbei versuchen wir mit Öffentlichkeitsarbeit über die tatsächlichen Ursachen für Flucht und die Folgen der Verstärkung rassistischer Bewegungen und der von ihnen ausgehenden Gewalteskalation aufzuklären. Und wir organisieren neben konkreter Hilfe für die Refugees auch noch Demos, um auch auf den Straßen den Rassist_innen eine Gegenbotschaft zu senden: wir lassen euch hier nicht ungestört marschieren und es gibt hier viele Menschen, die für eine klare Botschaft einstehen: Refugees Welcome!

Die Freiheitsliebe: Wie können Aktive in anderen Städten den Flüchtlingen und euch helfen?

Silvio Lang, Sprecher des Bündnisses „Dresden Nazifrei“: Das Problem ist kein ausschließlich Sächsisches oder nur auf Dresden bezogen, daher wäre unser erster Rat: tut was in eurer Stadt, in eurer Region, um die Situation von Asylsuchenden vor eurer Haustür zu verbessern! Und engagiert euch für ein humaneres Asylrecht, für legale Wege nach Deutschland und für ein Bleiberecht für jeden Menschen, der hier gerne leben möchte!
Wer darüber hinaus noch Kapazitäten hat und uns gerne unterstützen will, der ist uns herzlich willkommen. Sei es mit seiner persönlichen Anwesenheit auf unseren Aktionen, mit einer Geldspende an uns oder einfach ein paar anerkennenden Worten. Denn hier liegt ein entscheidender Schlüssel zur Veränderung der Lage: die Rassist_innen haben so viel Wirkmächtigkeit, nicht weil sie die Mehrheit stellen, sondern weil ihre Lautstärke und heftige (Online-)Präsenz in z.B. sozialen Netzwerken das suggeriert und viele Menschen sich schweigend abwenden und nicht widersprechen. Das muss sich ändern! Deswegen hilft uns jede_r, der einerseits jedem Rassismus deutlich widerspricht und andererseits gut und vernehmbar über diejenigen spricht, die sich für eine Willkommenskultur und gegen Rassismus engagieren.

Die Freiheitsliebe: Danke dir für das Interview.

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2 Antworten

  1. „Wer sich dagegen für Menschlichkeit und Weltoffenheit, Toleranz und Demokratie engagiert…..“

    Weiter konnte ich nicht lesen……den Rest spar ich mir!

    Hier kämpfen Rote Faschisten (Antifa usw.) gegen die Braunen Faschisten (NPD usw.)……mit ähnlichen mitteln der Defamierung…..

    Auf der Strecke bleibt der gesunde Menschenverstand.

    Ich weiß nicht ob die ProAsyl Vertreter nicht verstehen, dass sie mit ihrer Herabwürdigung und Defamierung ALLER andersdenkenden, die Radikalisierung der bis jetzt weitaus moderaten Mehrheit der Deutschen in eine, wie soll man sagen……weitere Radikalisierung ihrer Standpunkte treibt….????

    Zumindest meine Beobachtungen gehen dahin.

    Kopfschüttel

  2. „……….Einen Ort an dem man sich mitteilen kann, unabhängig von Religion, Herkunft, sexuelle Orientierung und Geschlecht. Freiheit bedeutet immer die Freiheit von Ausbeutung.“

    Werter Herr Lamal,

    wenn der o.e. Inhalt Ihren Leitmotiven entspricht, dann verwundert es mich doch sehr, dass das Interview eher zu einer Werbeveranstaltung mutiert ist, denn einer ernsthaften Situationsanalyse des gesellschaftlich spaltenden, schwerwiegenden Flüchtlingsproblems.

    Wenn jemand wie ich erkannt hat, dass es die Polarisierung von Links und Rechts nur deshalb gibt, weil darüber positionierte Kreise diese Erfindung als Ablenkung für sich selbst brauchen, dann dürfte man kaum in Gefahr geraten als Ausländerhasser in Verdacht zu geraten.

    Aber eine derart einsilbige Beschreibung ohne Widerspruch und Nachfassen durch Fragesstellung, mit Neusprech wie >-Innen< und bar jeder Realität hinsichtlich angeblich in gesellschaftlich relevanter Menge vorhandener Nazis, liest man mittleweile einfach zu oft. Dies darf nicht unwidersprochen bleiben.

    Natürlich sollten die Sorgen der Menschen hinsichtlich Überfremdung, Zerstörung ihrer Kultur und
    Wegducken der Politik nicht vor Flüchtlingslagern ausgefochten werden. Es kann aber auch nicht sein, dass sich ebensolches Gesindel wie die Antifa mit Steinen bewaffnet vor solchen Situationen aufbaut und diese Situationen zu Eskalationen verhilft.

    Wenn beide Seiten sich mit Ursache und Wirkungen ( die wir jetzt sehen ) beschäftigen würden, statt den ganzen Tag entweder an Smartphones und bei Facebook zu hängen ( LINKE ) und im anderen Fall in Vereinsheimen Parolen zum Besten zu geben ( RECHTE ) wäre der Abstellung der Ursachen sicher schon Rechnung getragen.

    Dass 40% der Flüchtlinge junge Männer sind, die aus Balkanländern kommen, die vom Grundgesetz nicht geschützt sind ist Fakt. Das davon rund 1/3 Roma sind, ist ebenfalls Fakt. Das weitere 40 % aus Ländern im Nahen Osten und Nordafrika kommen die ebenfalls nicht vom Grundgesetz zur Asylaufnahme geschützt sind ist Fakt. 20 % kommen aus Gebieten, die mehr oder weniger eindeutig aus Kriegsgebieten, für die das GG ein Asylverfahren vorsieht mit durchaus guten Aussichten und das ist richtig so.

    Wenn wir über Ursachen reden, so sollten sich die streitenden Parteien darüber einig werden, dass nach dem Verursacherprinzip diejenigen das Problem lösen sollen, die es verursacht haben.

    Jugoslawien wurde völkerrechtlich nicht von irgendwelchen Nazis angegriffen und destabilisert, sondern von der NATO, angestachelt vom industrie-/ militärischen Komplex der USA dort, wobei Europa als ewige Mitläufer ( Joschka Fischer Massaker Lüge ) billigend mitgemacht haben. Die späeteren Kriege im Nahen Osten, die Zustände in Eritrea, im Sudan und Afganistan und Irak sin zurückzuführen auf die Lügen der Bush Administration.

    Die Linken sollten Ihre Verblendung ablegen und das Kind nicht mit dem Bade ausschütten, stellt Euch vor den Parlamenten auf und thematisiert die Wahrheit, statt sich in Scheingefechten gegen meist einfache Bürger aufzureiben, was möglicherweise im Bürgerkrieg enden könnte. Auch die Verhunzung und Verkürzung der Sprache wie "Profx" oder "Innen" als Ausdruck einer neuen Lebensform, die so in Wahrheit überhaupt nicht existiert und bei genauem Hinsehen sich gegen jede natürliche Entwicklung
    stellt, sollte Diskurs fähig sein.

    Die Rechten sollten ihre ewig gestrigen Sichtweisen aufgeben und sich den Problemen der Zukunft widmen. Dabei muss besser unterschieden werden, dass ein Flüchtling, ein echter Flüchtling, schutzbedürftig ist und in einer fortgeschrittenen, dem Diskurs verpflichteten Gesellschaft, nicht zur Disposition stehen kann. Hingegen kann es nicht sein, dass in einem Land, in dem ein Einzelner 40 Std./Woche –
    Arbeiter keine Familie mehr ernähren kann, sich Horden von Glücksritter niederlassen können, um auf deren Kosten ein arbeitsfreies Leben zu führen.

    Es existieren Gemeinsamkeiten, die gilt es als Platform zum Diskurs zu nutzen. Ein Bürgerkireg ist die Alternative. Der Verlierer steht fest; WIR ALLE SIND ES.

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